Los Angeles. Großer Sieger der 95. Oscars in Hollywood ist mit sieben Auszeichnungen die Sci-Fi-Komödie „Everything Everywhere All at Once“.

„Oh Gott, das bedeutet uns so viel“, sagte Edward Berger am Sonntagabend im Dolby Theatre in Hollywood. Der aus Wolfsburg stammende Regisseur hatte just den Oscar für den besten internationalen Film in Empfang genommen.

Seine Verfilmung der schriftstellerischen Tiefen-Analyse des deutsch-französischen Tötens im Ersten Weltkrieg durch Erich Maria Remarque – „Im Westen nichts Neues“ – hatte damit bereits aus der Perspektive des deutschen Films ruhmreich Geschichte geschrieben. Nur „Die Blechtrommel“ (1980), „Nirgendwo in Afrika“ (2003) und „Das Leben der Anderen“ (2007) konnten zuvor den Auslands-Oscar erringen.

Das vom Streaming-Riesen Netflix weitgehend in der Tschechischen Republik gedrehte Epos bekam in Person von James Friend auch die Goldjungen für die beste Kamera und das beste Produktionsdesign, für das Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper verantwortlich zeichneten.

Als vierten Preis (bei neun Nominierungen) heimste der Kriegs- wie Anti-Kriegsfilm die Trophäe für die beste Film-Musik ein. Der aus Kreuztal stammende und in Düsseldorf lebende Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka schilderte in seiner Dankesrede die Schwierigkeit, Sterben und Metzeln angemessen mit Musik zu verbinden.

Volker Bertelmann wurde für die beste Film-Musik für
Volker Bertelmann wurde für die beste Film-Musik für "Im Westen nichts Neues" ausgezeichnet. © Frederic J. Brown / AFP

Oscars 2023: Deutscher Film gewinnt vier Goldjungen

Berger, den es als jungen Mann über Berlin nach New York verschlug und dessen Vater bei VW in Wolfsburg in der Logistik arbeitete, verteilte ein großes Extra-Lob an den Kino-Novizen Felix Kammerer.

Der 27-jährige Theater-Schauspieler an der Wiener „Burg” spielt den Soldaten Paul Bäumer in der schwer verdaulichen Schlachtfeld-Orgie. „Das war dein erster Film und du trugst uns auf deinen Schultern, als ob es nichts war“, sagte Berger an den jungen Österreicher gerichtet, „ohne dich wäre keiner von uns hier“.

Für den ganz großen Wurf, den Preis für den besten Film, reichte es aus Sicht der rund 10.000 Oscar-Juroren indes nicht.

Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Oscar für
Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Oscar für "Im Westen nichts Neues" für den besten internationalen Spielfilm entgegen. © Chris Pizzello/Invision/AP

Oscars: „Everything Everywhere All at Once” räumt ab

Hier machte die in Deutschland Ende April noch einmal in die Kinos kommende Sci-Fi-Aktion-Komödie „Everything Everywhere All at Once”, kurz „EEAAO” genannt, das Rennen und erfüllte bei elf Nominierungen und sieben Oscars die Erwartungen.

Beste Regie, beste weibliche Hauptrolle, bester Film, bestes Original-Drehbuch – der schwer fassbare Streifen, in dem kein Zuschauer gut beraten, zwischendurch länger auf die Toilette zu gehen, räumte in nahezu allen Königs-Kategorien ab und sorgte für eine echte Premiere: Mit Michelle Yeoh, bekannt aus vielen Kung-Fu-Filmen, gewann zum ersten Mal eine Asiatin den Preis für die beste Hauptdarstellerin.

"Everything Everywhere All at Once" räumte sieben Oscars ab, unter anderem wurde Michelle Yeoh als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. © Jordan Strauss/Invision/AP

Die 64-jährige, in Malaysia geborene und in Hongkong zu Ruhm gekommene Mimin nutzte ihre Dankesrede für ein bewegendes Plädoyer zum Durchhalten. Ihr Preis sei der Beweis dafür, dass man sich von niemandem erzählen lassen dürfe, man habe seinen Zenit überschritten. „Gebt nicht auf", riet sie ihren Branchen-Kolleginnen.

Yeoh spielt in dem furiosen, streckenweise tumultös überfrachteten Film eine chinesische-stämmige Wäscherei-Betreiberin in Kalifornien, der die Steuerprüfer auf den Leib rücken, worauf sich eine atemberaubende Parforce-Jagd durch allerlei Parallel-Universen entwickelt.

Oscars 2023: Jimmy Kimmel führt durch den Abend

Neben Yeoh sorgte Brendan Fraser für seinen Auftritt in „The Whale“ in der Kategorie beste männliche Hauptrolle für Ovationen im Stehen. In dem Drama von Darren Aronofsky spielt Fraser einen vereinsamten, extrem fettleibigen Vater, der seiner Tochter wieder näherkommen will. Beim Dreh trug der Schauspieler einen 130 Kilogramm schweren „Fatsuit” – mit anderen Worten eine Herkules-Aufgabe.

Branden Fraser gewann einen Oscar für die beste Leistung als Hauptdarstellung in dem Film
Branden Fraser gewann einen Oscar für die beste Leistung als Hauptdarstellung in dem Film "The Whale", hier zu sehen mit seiner Partnerin Jeannie Moore und zwei seiner Kinder Holden und Leland. © Jordan Strauss/Invision/AP

Ähnlich der, die Jimmy Kimmel zu erledigen hatte. Der schmähbegabte Late-Night-TV-Talkshow-Gastgeber bürstete bei seiner dritten Vorstellung als Durch-den-Abend-Führer bei den Oscars mit dezent abgemischtem Vitriol die aufs politisch Korrekte versessene Veranstaltung routiniert gegen den Strich.

Für den Fall, dass ihm (ähnlich wie im Vorjahr Chris Rock) ein Leid angetan würde (die Backpfeife…Will Smith…Sie wissen schon), würden strenge Regeln gelten, beschied Kimmel die Zuschauer augenzwinkernd: „Wenn irgendjemand in diesem Theater einen Gewaltakt an irgendeiner Stelle der Show verübt, bekommt er den Oscar als bester Hauptdarsteller und darf eine 19 Minuten lange Rede halten.“

Die eindrucksvollsten Momente der Oscar-Nacht

Der deutsche Oscar-Favorit
Der deutsche Oscar-Favorit "Im Westen nichts Neues" hat ganze vier Preise abgeräumt: in den Kategorien bester internationaler Film, beste Kamera, bestes Szenenbild und beste Filmmusik. Damit ist er der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten. © Chris Pizzello/Invision/AP
Brendan Fraser wurde für seine Leistung als Hauptdarsteller in
Brendan Fraser wurde für seine Leistung als Hauptdarsteller in "The Whale" mit einem Oscar ausgezeichnet. Unter Tränen und sichtlich aufgeregt bedankte er sich bei seinen Söhnen und der Crew, die ihn auf seinem langem Weg zum Goldjungen begleitet haben. Der Award ist für den 54-Jährige die Vollendung einer Comeback-Story, mit der wohl niemand gerechnet hat. Nachdem er 2003 von einem Filmschaffenden sexuell belästigt wurde, zog er sich fast 20 Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. © Jordan Strauss/Invision/AP
Michelle Yeoh erhielt als erste Asiatin in der Oscar-Geschichte den Award als beste Hauptdarstellerin in dem Film
Michelle Yeoh erhielt als erste Asiatin in der Oscar-Geschichte den Award als beste Hauptdarstellerin in dem Film "Everything Everywhere All at Once". In ihrer Dankesrede sagte die 60-Jährige: "Für all die kleinen Jungen und Mädchen, die so aussehen wie ich, die heute Abend zusehen, ist dies ein Zeichen der Hoffnung und der Möglichkeiten. Dies ist der Beweis, dass Träume wahr werden können. Und Ladies, lasst euch von niemandem sagen, dass ihr eure besten Jahre schon hinter euch habt. Gebt niemals auf." © imago/UPI Photo
Durch den Abend geführt hat zum zweiten Mal der US-Moderator Jimmy Kimmel. Kimmel machte Scherze über den Ohrfeigen-Skandal der Oscars 2022 und nahm auch andere Stars auf's Korn. An einem Zeitpunkt brachte der Moderator sogar den Esel
Durch den Abend geführt hat zum zweiten Mal der US-Moderator Jimmy Kimmel. Kimmel machte Scherze über den Ohrfeigen-Skandal der Oscars 2022 und nahm auch andere Stars auf's Korn. An einem Zeitpunkt brachte der Moderator sogar den Esel "Jenny" auf die Bühne, der im Oscar-nominierten Film "The Banshees of Inisherin" zu sehen ist. Laut Kimmel sei Jenny auch zur emotionalen Unterstützung da und könne bei Bedarf geknuddelt werden. © Chris Pizzello/Invision/AP
"Everything Everywhere All at Once" war der Abräumer des Abends: Ingesamt sieben Oscars nahm das Science-Fiction-Abenteuer von Regisseur Daniel Kwan mit nach Hause. Der Film wurde unter anderem für bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch und beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Hier zu sehen die Darstellerinnen Jamie Lee Curtis, Stephanie Hsu, Jenny Slate und Darsteller James Hong wie er eine der begehrten Trophäen in der Hand hält. © Chris Pizzello/Invision/AP
Jamie Lee Curtis gewann das erste Mal einen Oscar. Sie wurde für ihre Leistung als beste Nebendarstellerin in
Jamie Lee Curtis gewann das erste Mal einen Oscar. Sie wurde für ihre Leistung als beste Nebendarstellerin in "Everything Everywhere All at Once" ausgezeichnet. Die 64-Jährige machte in ihrer Rede klar, dass die Auszeichnung eine Teamleistung sei. Nicht sie alleine habe einen Oscar gewonnen, sondern auch ihre Familie, die Crew, alle Menschen, die ihr bei ihrer Karriere geholfen haben und ihre Filme schauen. Zum Schluss brach ihr die Stimme weg, als sie von ihren Eltern sprach, die auch beide für Oscars nominiert waren. © imago/Picturelux
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In der Kategorie "Bester Song" konnte sich "Naatu Naatu" durchsetzen. Der Song von M.M. Keeravaani und Chandrabose ist in „RRR“ zu hören und wurde in der Award-Show live performed. © Chris Pizzello/Invision/AP
Eindrucksvoll war auch der Auftritt von Julija Nawalnaja Ehefrau des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny, die mit den Mitgliedern der Crew von
Eindrucksvoll war auch der Auftritt von Julija Nawalnaja Ehefrau des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny, die mit den Mitgliedern der Crew von "Nawalny" den Preis für den besten Dokumentarfilm entgegennahm. Der Film begleitet die Geschichte von Putins gefährlichstem Widersacher. Julija Nawalnaja sagte, sie sehne den Tag herbei, an dem ihr Mann und ihr Land „frei“ seien. © Chris Pizzello/Invision/AP
Lady Gaga begeisterte das Publikum mit einer entschärften Version von ihrem nominiertem Song
Lady Gaga begeisterte das Publikum mit einer entschärften Version von ihrem nominiertem Song "Hold my Hand" aus dem Film "Top Gun: Maverick". Eigentlich hieß es, dass Gaga aufgrund von anderen Verpflichtungen nicht bei der Oscarverleihung auftreten würde. Umso überraschender war ihr starker Auftritt, ganz einfach gehalten mit wenig Makeup, einem Zopf und lässigem Outfit. Am Ende des Auftritts war ein Foto des verstorbenen Regisseurs Tony Scott neben Tom Cruise zu sehen, mit den Worten: "In memory of Tony Scott". © Chris Pizzello/Invision/AP
Für emotionale Momente sorgte auch der Oscar-Gewinn von Ke Huy Quan als bester Nebendarsteller. Der ehemalige Kinderschauspieler, der in den 80er bekannt wurde durch seine Rollen in
Für emotionale Momente sorgte auch der Oscar-Gewinn von Ke Huy Quan als bester Nebendarsteller. Der ehemalige Kinderschauspieler, der in den 80er bekannt wurde durch seine Rollen in "Indiana Jones und der Tempel des Todes" und "Die Goonies", bekam tosenden Applaus. "Meine Reise begann in einem Flüchtlingsboot. Und jetzt stehe ich auf der größten Bühne Hollywoods", sagt er in seiner Dankesrede unter Tränen. Im Verlauf des Abends traf er auch auf alte Bekannte wie Harrison Ford, der Ke Huy Quan und dem Rest der Crew von "Everything Everywhere All at Once" den Oscar für besten Film überreichte. © imago/Picturelux
Wie jedes Jahr gedachten die Oscars auch 2023 den Stars, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Sichtlich berührt sprach John Travolta die einleitenden Worte zu dem „In Memoriam“-Segment der Oscars, das von einer Performance von Lenny Kravitz begleitet wurde. Man würde den Verstorben immer
Wie jedes Jahr gedachten die Oscars auch 2023 den Stars, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Sichtlich berührt sprach John Travolta die einleitenden Worte zu dem „In Memoriam“-Segment der Oscars, das von einer Performance von Lenny Kravitz begleitet wurde. Man würde den Verstorben immer "hopelessly devoted" sein, sagte er. Damit bezog sich Travolta auf einen Song von seiner langjährigen Freundin Olivia Newton-John, die 2022 an Brustkrebs starb. Zu Verstorben, derer gedacht wurde, gehörten auch Angela Lansbury, Ray Liotta, Jean-Luc Godard, Irene Cara, Kirstie Alley, Raquel Welch, Nichelle Nichols, Burt Bacharach und Vangelis. © imago/Picturelux
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Oscars 2023: Die erfolgreichsten Stars

Erste Höhepunkte hatte die zuletzt an argem Zuschauerschwund an den Fernsehgeräten leidende Veranstaltung früh inszeniert. So ging der Preis für die beste männliche Nebenrolle schnell an den inzwischen erwachsen gewordenen Kinder-Helden aus „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, Ke Huy Quan, für seinen Part in „Everything Everywhere All at Once“. Der 51-jährige gebürtige Vietnamese war aufrichtig zu Tränen gerührt und sorgte auch im Publikum für feuchte Augen.

Nicht viel anders war es in der Disziplin „beste weibliche Nebenrolle“: Jamie Lee Curtis, die eine hinreißend schrumpelige Finanzbeamtin in „Everything Everywhere All at Once“ gibt, erhielt im Alter von 64 Jahren den ersten Oscar in einer sich fast über ein halbes Jahrhundert erstreckenden Karriere. Curtis machte sich viele Freunde, als sie ihren Erfolg dem Zutun Hunderter engagierter Menschen in allen Gewerken der Film-Industrie zuschrieb.

Starke Momente bot der wie immer an die Vier-Stunden-Grenze heranreichende Abend auch, als „Nawalny“, die Geschichte über Wladimir Putins gefährlichsten Widersacher, den Preis in der Doku-Kategorie bekam. Julija Nawalnaja, die Ehefrau des in Isolationshaft steckenden Regime-Kritikers Alexej Nawalny, sagte, sie sehne den Tag herbei, an dem ihr Mann und ihr Land „frei“ seien.

Julija Nawalnaja Ehefrau des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny, und Mitglieder der Crew von
Julija Nawalnaja Ehefrau des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny, und Mitglieder der Crew von "Nawalny" nahmen den Preis für den besten Dokumentarfilm entgegen © Chris Pizzello/Invision/AP

Der starke Anti-Putin-Akzent des Auftritts versöhnte manche Zuschauer womöglich mit der Tatsache, dass dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj anders als bei vergleichbaren Ereignissen eine Video-Ansprache verwehrt blieb. Unterdessen bekam der Haupt-Akteur des besten Kurzfilms – „An Irish Goodbye“ – zum Geburtstag ein zu Herzen gehendes A-Capella-Ständchen des Publikums im Dolby Theatre.

James Cameron (Avatar) und Tom Cruise (Top Gun: Maverick), zwei nominierte Schlüsselfiguren der zuletzt ökonomisch erfolgreichsten und teuersten Filme, blieben dem Dolby-Theatre fern. Avatar bekam den Preis für Spezial-Effekte. Das Kampf-Flieger-Epos ging mit der Prämierung für den besten Sound nach Hause.

Musikalische Höhepunkte boten Lady Gaga, in Jeans und T-Shirt, mit dem „Top Gun: Maverick“-Song und Rihannas „Lift Me Up“ aus „Black Panther: Wakanda Forever“.