Paris. Prostitution ist in Frankreich verboten. Trotzdem eröffnen südamerikanische Zuhälter zuhauf illegale Bordelle. Polizei ist machtlos.

Es ist sechs Uhr früh, ein grauer und nasskalter Morgen des vergangenen Novembers. Dutzende Polizisten stürmen zeitgleich einen Pavillon in der Pariser Vorstadt Drancy sowie zwei mehrstöckige Wohnhäuser des Vororts Saint-Ouen unweit des großen Flohmarkts gleichen Namens.

Es kommt zu zahlreichen Festnahmen, die die Zerschlagung zweier Prostitutionsringe sowie die Schließung zweier Bordelle bedeuten.

Aktenkundig wird an diesem Tag, dass in dem Pavillon rund 21 Freudenmädchen untergebracht waren und sie „beinahe rund um die Uhr“ ihre Kunden empfingen. In den beiden Vorstadt-Wohnhäusern waren es sogar mehr als 40 Frauen. Wie Kommissar Jean-Paul Mégret, Chef der Pariser Sitte, mitteilt, handelt es sich um den zehnten und elften Prostitutionsring, den Frankreichs Sittenpolizei 2022 allein im Großraum Paris hochgehen ließ.

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Bordelle in Frankreich – Prostituierte kommen aus Südamerika

Laut Mégret hat sich die Zahl solcher Fahndungserfolge in nur zwei Jahren verdreifacht. Und das, obwohl Bordelle in Frankreich schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs verboten sind und die Prostitution 2016 unter Strafe gestellt wurde. Wenn auch nur für Kunden.

Illegale Bordelle schießen Mégret zufolge in letzter Zeit „wie Pilze aus dem Boden“. In mehr als 90 Prozent der Fälle sind es „mafiaähnliche“ südamerikanische Zuhälterorganisationen, die diese Bordelle in angemieteten Immobilen aufmachen und die dort arbeitenden Prostituierten aus Kolumbien, Brasilien, Peru oder Paraguay „importieren“. Meistens bleiben diese Frauen nur zwei oder drei Monate in Frankreich, um „richtig Geld zu verdienen“, und kehren dann in ihre Heimat zurück, erklärt der Kommissar.

Richtig Geld verdienen jedoch vor allem die Zuhälter, die 50 bis 60 Prozent der Verdienste „ihrer“ Frauen einbehalten. Im Schnitt wurden in den von der Sitte dichtgemachten Bordellen vor den Toren der Hauptstadt offenbar Monatsumsätze von rund zwei Millionen Euro erzielt. Zahlen, die den Schluss nahelegen, dass das horizontale Gewerbe in Frankreich gerade einen enormen Boom erlebt.

Die Verantwortung hierfür sieht Mégret nicht nur bei den südamerikanischen Zuhälterorganisationen, „die nach dem nordamerikanischen und dem spanischen Markt nun auch den französischen erobern“. Die Entwicklung werde nachhaltig begünstigt durch das Antiprostitutionsgesetz, mit dem die Regierung vor sieben Jahren dafür sorgte, dass Prostituierte den Straßenstrich aufgeben mussten. Die Erfolgsbilanz ist mau.

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Hintermänner profitieren vom Antiprostitutionsgesetz

Mit dem Gesetz wollte Frankreich das älteste Gewerbe der Welt abschaffen und orientierte sich an Schweden. Das skandinavische Land hatte 1999 als erste Nation überhaupt den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe gestellt. Ähnlich halten sie es in Frankreich: Das Gesetz verbietet zwar nicht die Prostitution – nach wie vor unterliegen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter der Einkommenssteuer –, stellt aber die Inanspruchnahme käuflicher Liebesdienste unter Strafe.

Seither droht jedem ertappten Freier eine Geldbuße von 1500 Euro, Wiederholungstäter werden sogar mit 3750 Euro zur Kasse gebeten. Eine erwünschte Folge: Die Prostituierten können nicht mehr offen „anschaffen“.

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Die zweite Folge allerdings war unerwünscht: Nur ein kleiner Teil der Huren sattelte auf andere Berufe um, die große Mehrheit hingegen verlegte ihre Tätigkeit von der Straße ins Internet und in die Hinterzimmer.

Bei der Sittenpolizei herrscht die Meinung vor, dass das Gesetz in erster Linie den Zuhältern in die Hände spielt: Da die Prostitution nicht mehr in der Öffentlichkeit stattfinden kann, entzieht sie sich den Augen der Gesetzeshüter. Es ist schwer zu kontrollieren, welchen Druck die Zuhälter hinter den verschlossenen Türen der illegalen Bordelle ausüben.

Hinzu kommt ein weiteres Paradox. Gegen die einschlägigen Internetportale, auf denen die Südamerikanerinnen ihre Dienste anbieten, kann die Polizei nicht vorgehen. Sie sind legal, da die Prostitution es ja offiziell auch ist. Immer mehr Zuhälter nutzen das aus.