Berlin. Erpressung, Bedrohung, Hunger: Erstmals spricht Ex-Tennisstar Boris Becker über seine Haft. Was ihm in der schweren Zeit Halt gab.

  • Nach seiner Haft äußert sich Boris Becker erstmals öffentlich
  • Im Sat.1-Interview berichtet der Ex-Tennisstar von seinen Erfahrungen im Gefängnis
  • Lesen Sie hier, was Becker durch die schwere Zeit geholfen hat

Er ist schlanker geworden, die Haare sind dunkler und auch die Maskenbildnerin konnte nicht seine Ringe unter den Augen vertuschen: Boris Becker saß 236 Tage in Großbritannien in Haft. Erst am Donnerstag kam er frei.

Der ehemalige Tennis-Nationalheld landete in Stuttgart, unerkannt, es ist in Zeiten der Smartphones ein Coup. Gesichtet wurde er seitdem nicht, es gab kein Statement, kein Posting, keine Tweets. Nun, am Dienstagabend, war der 55-Jährige bei Sat.1 zu sehen, im Interview mit Moderator Steven Gätjen.

Der Sender hat ihm einen ganzen Abend gewidmet. Angeblich soll er 500.000 Euro Honorar für das zweistündige Gespräch bekommen, das aufgezeichnet wurde. Seine Freundin Lilian De Carvalho Monteiro begleitete ihn zu dem Termin. Lesen Sie auch: 500.000-Euro-Interview: Wie Becker seine Knastzeit vergoldet

Becker über seine Knastzeit: Über sich selbst erschrocken

„Ich war selbst erschrocken, wie ich aussehe“, sagt Becker. Im Gefängnis gebe es keinen Spiegel. Doch gravierender sind natürlich die inneren Veränderungen. Die sind durchaus positiv. „Ich bin schlauer geworden und demütiger“, sagt er. „Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war.“

Angst, das war Beckers beherrschendes Gefühl während seiner Haftzeit. Im April hatte ihn eine Jury vor einem Londoner Gericht wegen falscher Angaben im Insolvenzverfahren zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Den Tränen nah schildert er den Abschied von seiner Freundin. Er will sie freigeben, sie sagt: „Wir sind ein Team, wir schaffen das.“

Boris Becker und seine Freundin Lilian de Carvalho Monteiro treffen im März 2022 vor dem Londoner Gericht ein.
Boris Becker und seine Freundin Lilian de Carvalho Monteiro treffen im März 2022 vor dem Londoner Gericht ein. © Alastair Grant/AP/dpa

Zunächst kommt er ins berüchtigte Londoner Gefängnis Wandsworth, „zu Mördern und Kinderschändern“, wie er sagt. Seine Identität, sein ruhmreiches Leben – er muss es bei der Einlasskontrolle abgeben. „Im Gefängnis bist du niemand. Du bist nur eine Nummer. Meine war A2923EV“, sagt der Sportler. „Ich war eine Nummer. Und es interessiert sie einen Scheißdreck, wer du bist.“ Auch interessant: Vorzeitige Gefängnis-Entlassung: Boris Becker ist frei

Becker geriet zweimal in lebensbedrohliche Situationen

„Es war wie im Irrenhaus“, erzählt er. Nachts hört er nonstop Schreie und Streitigkeiten, schlafen kann er so gut wie gar nicht. Und: „Es war extrem schmutzig.“ Er geht hungrig zu Bett. „Ich habe zum ersten Mal wirklichen Hunger gespürt.“ Den selbstgebrannten Schnaps seiner Mitinsassen habe er verschmäht.

Es sei täglich „extrem gefährlich“ gewesen: „Ich musste meinen Arsch retten.“ Und weiter: „Es ging ums nackte Überleben. Man muss aufpassen auf seine Haut, denn die Wächter tun es nicht.“ Ein Mithäftling, der sich zunächst als Verbündeter ausgibt, will Geld von ihm, droht ihm, etwas anzutun. Zum Glück genießt er den Schutz seiner Mithäftlinge Jake, Russell und Billy, die ihn als sogenannte „Listener“ unter ihre Fittiche nehmen.

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Die letzten Monate verbringt er in Huntercombe westlich von London. Eigentlich eine bessere Adresse. Doch ein Mithäftling, ein mehrfacher Mörder, will ihn umbringen, weil Becker als Weißer sich mit einem anderen Schwarzen angefreundet hatte. Wieder schützen ihn Mithäftlinge und bringen den Angreifer dazu, sich zu entschuldigen. „Er hat mir die Hand geküsst und er bat mich um Vergebung. Ich habe ihn umarmt und ihm gesagt, dass ich Respekt vor ihm habe.“ Da bricht Becker die Stimme weg, er muss das Gespräch unterbrechen.

Boris Becker spricht mit Steven Gätjen über seine Zeit im Gefängnis.
Boris Becker spricht mit Steven Gätjen über seine Zeit im Gefängnis. © Sat.1/Nadine Rupp

Neben den Freundschaften halten ihn der Glaube aufrecht, die philosophische Lehre des Stoizismus und sein Job: Er darf Englisch und Mathematik unterrichten. Aber auch Briefe von Familie, Freunden und Fans sind ihm eine Stütze. Darunter sogar ein dreiseitiger Brief seines Erzrivalen Michael Stich.

Das Verhältnis zu seiner Exfrau Lilly, die sich in der Presse mehrfach negativ über ihn äußerte, beschreibt er als „schwierig“. Etwas Böses wolle er öffentlich nicht über sie sagen. „Sie ist für ihre Taten verantwortlich“, sagt er. „Ich habe eine harte Lektion gelernt. Eine sehr teure. Eine sehr schmerzhafte“, fasst er zusammen. „Aber das Ganze hat mich etwas Wichtiges und Gutes gelehrt. Und manche Dinge passieren aus gutem Grund.“

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