Berlin. Auch der zweite Teil der Netflix-Doku “Harry & Meghan“ wird zur Anklage. Darum verbreitete der Palast Lügen und das waren die Folgen.

Es sind dramatische Worte, unter Tränen hervorgebracht. "Ihr macht, dass die Menschen mich töten wollen", klagt Meghan an. "Sind wir sicher? Sind meine Babys sicher?" In erster Linie richtet die Herzogin ihre Ansprache an die britische Presse. Fortwährende negative Schlagzeilen hatten den Hass in den sozialen Medien eskalieren lassen.

Darunter menschenverachtende und rassistische Nachrichten bis hin zu Morddrohungen. Immer aber ist auch die Royal Family mitgemeint, wenn es "sie" oder "ihr" heißt. Seit Donnerstag sind die letzten drei Folgen der Dokumentation "Harry & Meghan" zu sehen, in denen das abtrünnige Paar des britischen Königshauses seine Version der Geschichte erzählt.

Kernpunkt dieser Version ist der Vorwurf, dass der Palast bewusst nichts gegen diese Berichterstattung unternommen und schlimmer noch Geschichten erfunden und lanciert habe. Denn sie, Harry und Meghan, die "royalen Rockstars", wie sie sich an einer Stelle nennen lassen, seien zu beliebt und daher zu gefährlich geworden.

Der Stress führte zu einer Fehlgeburt

"Jede Lüge über sie durfte verbreitet werden", sagt Harry über Meghan und macht sich Vorwürfe. Seiner Frau habe er nach der Hochzeit nicht genug beigestanden. "Wenn ich jetzt zurückblicke, hasse ich mich dafür. Ich bin als Institutions-Harry damit umgegangen, nicht als Ehemann-Harry."

Es ging ihr nicht gut. Meghan dachte an Suizid: "Ich sagte mir, dass es all diese Probleme nicht gebe, wenn ich nicht da wäre." Sie wiederholt, was sie schon im Oprah-Winfrey-Interview sagte: Ihr sei ärztliche Hilfe verweigert worden, mit der Begründung, es könne herauskommen und dem Ruf der Institution schaden. Sie habe gedacht, sie werde wahnsinnig. Oder man wolle, dass sie denke, sie werde wahnsinnig - die Herzogin als eine Art "Lady Alquist" aus dem Thriller-Klassiker mit Ingrid Bergmann.

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Die Queen selbst war im Grunde machtlos

Wer aber ist "der Palast", der all diese Intrigen stiftet? Zunächst Berater und PR-Profis, manche sind seit vielen Jahrzehnten im königlichen Dienst. Doch alle Fäden scheinen auf Harrys älteren Bruder Prinz William und seinen Vater, den jetzigen König Charles, zuzulaufen. Die Namen fallen kaum. Doch die inzwischen verstorbene Queen nehmen sie aus der Schusslinie.

Meghan schildert deren Warmherzigkeit, sie habe sie behandelt wie eine Großmutter. Harry beschreibt die hochbetagte Königin als letztlich machtlos: Sie habe aus Schein-Optionen gewählt, die ihr Berater vorgelegt hätten. Charles‘ Frau Camilla wird eingeblendet, als davon die Rede ist, dass die meisten über ihr Leid lieber schweigen. Es bleiben: Charles und William.

Einmal nur wird William als direkter Strippenzieher genannt. Meghans Vater lässt sich in seinem Haus in Mexiko von Fotografen in bizarren Posen fotografieren und kassiert dafür. Allen ist klar: Das muss aufhören. Meghan fragt die Queen um Rat. Die empfiehlt Meghan, ihm einen Brief zu schreiben. Thomas Markle verkauft auch diesen Brief an die Presse. Meghan ist sich sicher: Er hat den Brief nie erhalten, er wurde abgefangen.

Brief an Vater landet in der Presse – eine Intrige?

Sie beschließt, die "Daily Mail" zu verklagen und gegen den "Beschwere dich nie, erkläre dich nie"-Kodex der königlichen Familie zu verstoßen. William soll einen Angestellten beauftragt haben, die Klage zu entkräften. Der Angestellte legt Nachrichten vor, aus denen hervorgehen soll, dass Meghan bewusst war, dass der Brief veröffentlicht werden könnte. Und das, bevor sie ihn überhaupt geschrieben hatte.

Er sei sich sicher, dass all dieser Stress letztlich zu Meghans Fehlgeburt geführt habe, sagt Harry: Die Mutter des kleinen Archie verlor direkt nach dem Einzug in das neue Haus in Santa Barbara ihr zweites Kind. Später schrieb sie in der New York Times einen Essay darüber, übertitelte ihn mit "Geht es dir gut?" Geht es dir gut, das war genau die Frage, die ihr im Palast niemand gestellt hätte.

Dabei scheint das Paar nach der Traumhochzeit zunächst nicht zu bremsen zu sein. Meghans Charity-Kochbuch, das sie mit muslimischen Frauen einer Gemeinschaftsküche verfasst, verdrängt Joanne K Rowling vom ersten Platz der Bestsellerliste. Nach einer Gala, an der die ganze königliche Familie teilnimmt, sind einzig Meghan und Harry auf den Titelblättern. Die Balance sei aus dem Gleichgewicht geraten. Von da an wendet sich das Blatt. Plötzlich habe sie all die Lügen über sich gelesen: Sie sei eine Diva, "die schwierige Herzogin", die das Personal schikaniere. Die Frauen aus der Großküche, so wurde berichtet, seien vielfach die Frauen von Terroristen.

Harry und Meghan als Sündenböcke

Von da an konnte sie nichts mehr recht machen. "Ich wurde den Wölfen zum Fraß vorgeworfen", sagt Meghan. Sie sei Sündenbock für alles gewesen. Mit Lügen über sie habe man von den Fehltritten anderer Mitglieder des Königshauses ablenken wollen. Irgendwann wird Harry und Meghan klar: Sie müssen das Land verlassen. Südafrika oder Neuseeland schweben ihnen vor.

Sie wollen für den Staatenbund Commonwealth arbeiten, werden aber zu einem klaren Schnitt gedrängt. Der Abschied wird zum Drama. "Es war erschreckend, wie mein Bruder mich angeschrien und angebrüllt und mein Vater Dinge gesagt hat, die einfach nicht wahr sind", sagte Harry. Als die Pandemie losgeht, sind sie in einem Haus in Kanada, das belagert wurde von Fotografen, Fans, Fanatikern. "Jeder wusste, wo wir wohnen", schildert Meghan. Der Palast habe sich für die Sicherheit des Paares nicht mehr zuständig gefühlt.

Selbstkritik ist in der Dokumentation keine zu finden

Mit ihrer Doku haben die beiden abtrünnigen Royals Einblick in ihre Perspektive geben können. Bei allem Luxus – niemand möchte derart belagert, diffamiert und bedroht werden. Selbstkritik sucht man aber vergebens. Schuld an allem, was nicht ihre Liebe, ihr kalifornisches Haus mit Biohühnerstall, ihre Kinder und ihre Hunde ist, sind die Presse und der Palast. Besonders Harrys Schicksal hat eine gewisse Tragik: Auch in der Verneinung seiner Herkunft betont er doch wieder nur: seine Herkunft. Die Liebe der beiden scheint jedoch durch die ganzen Widerstände gestärkt. "Wir sind ganz gut darin, uns im Chaos wiederzufinden", sagt Meghan, "alles andere ist nur temporär."

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