Berlin. Harry und Meghan unterstellen der Royal Family in ihrer Netflix-Doku einen Komplott mit der Presse - und brüskieren Prinz William.

Herzogin Meghan sieht mitgenommen aus, sie hat ein Handtuch um den Kopf gewickelt, ihre Stimme ist brüchig und tränenerstickt. Es ist Anfang 2020, der „Megxit“ ist gerade vollzogen. Die ehemalige Schauspielerin und Prinz Harry sind, so wie sie es schildern, regelrecht aus Großbritannien geflüchtet, leben jetzt vorerst in einem Haus bei Vancouver in Kanada. „Unglücklicherweise zerstören sie uns, wenn wir für etwas stehen“, sagt Herzogin Meghan. SIE, damit ist die „Firma“ gemeint, die Institution, die Monarchie, letztendlich die Familie ihres Mannes Prinz Harry.

Es ist der rote Faden der Dokumentation „Harry & Meghan“, die sie zusammen mit dem Streaming-Marktführer Netflix produziert haben und für die sie angeblich mit 90 Millionen Dollar honoriert wurden: Zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich ineinander verlieben, voller Hoffnung sind und guter Absichten, aber brutal scheitern.

An der gnadenlosen britischen Boulevardpresse. An der teilweise rassistischen Gesellschaft, die genau diese Berichterstattung will. Und an einer königlichen Familie, die mit der Presse einen Mephisto-Pakt eingegangen ist. „Pay and Pose“, nennen Harry und sein Team ihn, oder auch „kontrollierte Berichterstattung“. Der Steuerzahler kommt für die Monarchie auf, dafür müssen Mitglieder für die Öffentlichkeit posieren, und mehr noch, sie an ihrem Privatleben teilhaben lassen.

Harry und Meghan: Der royale Mephisto-Pakt mit der Presse

Dafür, so erklärt es Harry, gebe es sogenannte royale Korrespondenten, die vom Königshaus mit privaten Häppchen versorgt werden. „Die Presse-Meute der royalen Korrespondenten ist eigentlich nur ein verlängerter PR-Arm der Royal Family“, sagt er. Für sich selbst reden, das hätten sie nicht gedurft. Die einzige Anweisung, die man ihnen im Umgang mit der Presse gegeben hätte, wäre die gewesen, immer mit „No comment“ zu antworten.

Es wird ein Interview eingeblendet, das kurz nach der Verlobung 2017 entstand. Die Reporterin fragt Harry und Meghan, ob ihnen bewusst sei, dass sie mit ihren unterschiedlichen Hintergründen ein Novum für das Königshaus seien. Gemeint ist, dass Meghan „Mixed Race“ ist, wie sie sich selbst definiert: Ihr Vater ist Weißer, ihre Mutter Afroamerikanerin. Das Paar antwortet in Floskeln. In der Jetzt-Zeit sitzen sie wieder auf einem Sofa. „Sie wollten nicht, dass wir unsere Geschichte erzählen. Darum sind wir heute hier“, sagt sie. „Ich wollte, statt Angst zu haben, mein Herz öffnen und sehen, was passiert.“

Britische Royals: Meghan war von Anfang an ohne Chance

Doch Meghans Märchen von der US-Schauspielerin, die zur britischen Prinzessin wird, sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt. „Ich versuchte alles, um hineinzupassen“, sagt Meghan. „Egal, wie ich mich bemühen würde, wie gut ich sein würde, sie würden einen Weg finden, mich zu zerstören. Erfahren Sie mehr: Royale Weihnachten: Charles III. bricht mit Gepflogenheiten

Ihre Bemühungen schildert Meghan konkret. Da es ein Fauxpas gewesen wäre, zufällig einmal eine Garderobe in der Farbe der Queen zu tragen, habe sie auf Farben komplett verzichte. „Ich trug nur noch Weiß oder Beige.“ Der Kontakt zu einer unpassend erscheinenden Verwandten wurde ihr untersagt, die Nichte durfte nicht zur Hochzeit kommen. „Ich spürte, dass ihre Kontakte kontrolliert wurden“, sagt diese Verwandte.

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Harry verwendet heikles Diana-Interview

Es ist die Gefühlskälte in der Familie, die Harry nach eigener Aussage seit seiner Kindheit begleitet. Mit dem Tod seiner Mutter Diana 1997 habe er ohne „Führung, Unterstützung oder Hilfe“ zurechtkommen müssen. Es ist ein indirekter Vorwurf auch gegen seinen Vater, den jetzigen König Charles III. Am allerwenigsten Hilfe war wohl von Harrys großem Bruder Prinz William und seiner Frau Herzogin Kate zu erwarten. Anfangs galten die vier jungen Leute noch als die „Fabelhaften Vier“. Lesen Sie auch: Was über die Netflix-Doku zu Harry & Meghan bekannt ist

Kühler Empfang durch William und Kate

Doch dies war nur ein Mythos. Nur an zwei Stellen der ersten drei von sechs Folgen werden sie überhaupt erwähnt. Meghan schildert das erste Abendessen mit ihnen. „Ich trug ein Sweatshirt, zerrissene Jens und umarmte sie. Ich bin eine Umarmerin.“ Dies sei jedoch nicht angemessen gewesen. Amerikanische Hemdsärmeligkeit traf hier auf steife britische Oberlippe. Sie habe von den Formalitäten gewusst, dass jede Bewegung „etwas kleiner“ ausfallen müsse. Sie habe nicht gewusst, dass diese Etikette auch das Innere beeinflusse. Ein anderes Mal sind die vier in einer Art Talkshow zu sehen. Halb im Scherz deuten die Brüder Meinungsverschiedenheiten an. In jedem zugeschnittenen Bild wirkt Kate hart und kühl.

Vor allem dürfte William missfallen, dass Harry seines und Meghans Lebensweg in einen Zusammenhang setzt mit dem Schicksal ihrer Mutter Diana, die 1997 auf der Flucht vor Fotografen tödlich verunglückte. Er nutzt private Aufnahmen von damals. In einer Szene macht Meghan Baby Archie mit seiner Großmutter „bekannt“, zeigt ihm ein Bild von Prinzessin Diana. Es ist ein intimer Moment, so scheint es. Doch natürlich ist er inszeniert für das 223-Millionen-Publikum von Netflix.

Am meisten dürfte William aufstoßen, dass Harry auch das legendäre Interview verwendet, das 1995 der BBC-Journalist Martin Bashir mit Diana führte. William ließ nachweisen, dass Bashir seine Mutter für das Gespräch manipuliert hatte. Schon für die fiktive Netflix-Serie „The Crown“ hatte er versucht, die Verwendung zu unterbinden. Auch dort vergebens. „Sie wurde getäuscht, aber sie sagte, was sie fühlte“, so Harrys Rechtfertigung.

Prinz Harry voller Schuldgefühle

Harry scheint von Schuldgefühlen geplagt. „Sie opferte ihr Leben für meines, jetzt opfere ich mein Leben für ihres“, erklärt er seine Entscheidung für Meghan und für den Megxit. Auch dass seine Frau keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater hat, der sich von der Presse kaufen ließ, lastet er sich an. „Ohne mich wäre ihr Vater noch ihr Vater.“ Auch interessant: Meghan: Polizei bestätigt Todesdrohungen gegen die Herzogin

Das Leben vor „H“, wie Meghan ihren Mann nennt: Sie betont, dass es erfüllt war. Sie war Aktivistin, eine frühe Influencerin, spielte in einer Erfolgsserie, hatte ein Haus in Toronto, Freunde, zwei Hunde. Über die Zukunft sprechen die beiden bisher nicht. Nur bei einer Sache ist Harry sich sicher: „Es ist eine große Liebe, die gerade erst beginnt.

In einer früheren Version des Artikels hieß es, das Diana-Interview mit Martin Bashir habe 1996 stattgefunden. Richtig ist 1995. Wir haben den Fehler korrigiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.