Berlin. Die Stiko hat ihre Empfehlung für die vierte Impfung gegen Covid-19 leicht angepasst. Hintergrund sind die neuen Omikron-Impfstoffe.

Die Zulassung der an die Omikron-Varianten BA.1 sowie BA.4 und BA.5 angepassten Impfstoffe hat die Ständige Impfkommission (Stiko) offenbar dazu bewogen, ihre Empfehlung für die vierte Impfung anzupassen: Die Experten raten weiterhin nur Menschen über 60, Immungeschwächten und Personen mit einem hohen Kontaktrisiko – Pflegenden zum Beispiel oder medizinischem Personal – zur zweiten Auffrischung, diese sollte dann aber mit einem angepassten Vakzin erfolgen. So steht es in einem Entwurf der neuen Empfehlung.

Die von der europäischen Arzneimittelbehörde Ema zugelassenen neuen Vakzine der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna richten sich sowohl gegen den Corona-Wildtyp als auch gegen die Omikron-Varianten BA.1 beziehungsweise BA.4 und BA5. Zugelassen sind diese für Menschen ab 12 Jahre.

Die neuen Impfstoffe versprächen eine breitere Immunantwort gegen die seit einem Dreivierteljahr in Deutschland kursierenden Virusvarianten sowie gegen weitere in der Zukunft mögliche Omikron-Subtypen, erklärte Stiko-Mitglied Prof. Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene am Universitätsklinikum in Erlangen. Deshalb sollten diese Vakzine künftig bei allen Auffrischungsimpfungen vornehmlich eingesetzt werden. "Das bedeutet aber nicht, dass die herkömmlichen Impfstoffe verbannt oder schlecht sind. Diese schützen weiter gut gegen schwere Verläufe, auch im Falle einer Omikron-Infektion", sagte Bogdan. Lesen Sie auch:Biontech und Co.: Wer den neuen Omikron-Impfstoff jetzt bekommt

Vierte Impfung: Keine Empfehlung für Immungesunde unter 60

Für eine darüber hinausgehende Ausweitung ihrer Empfehlung sieht die Stiko keinen Anlass: "Die Impfung soll gegen schwere Verläufe, Krankenhauseinweisungen und den Tod durch Infektion schützen. Dieses Impfziel erreichen wir mit der Empfehlung für die bisherige Altersgrenze", sagt Bogdan. Immungesunde Menschen unter 60, die drei Mal geimpft seien, bräuchten keine vierte Dosis.

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"Ich sage es ganz deutlich: Wir werden mit den jetzigen Impfungen das Virus nicht aus Deutschland vertreiben, das wird nicht passieren", so Bogdan weiter. Die Gesellschaft werde mit Corona leben müssen, wie sie auch mit anderen Virusinfektionen leben müsste. Wichtig sei, die Infektionen beherrschbar zu halten. Für Bogdan macht es deshalb auch keinen Sinn, eine Corona-Sonderdiagnostik auf Dauer aufrecht zu erhalten. Das stetige Zahlenspiel mit Inzidenzen müsse irgendwann aufhören, so Bogdan. Auch interessant:Vierte Impfung - was dafür spricht und was dagegen

Mit Blick auf Herbst und Winter sieht Stiko-Mitglied Bogdan Deutschland gut gerüstet. Zumindest für den Fall, dass nicht noch eine Virusvariante mit extremer Immunflucht auftaucht. "Wir werden nicht in die Situation hineinlaufen, in die wir die zwei Jahre zuvor hineingelaufen sind", so Bogdan. Deutschland sei auf dem Weg, eine stabile Grundimmunität in der Bevölkerung aufzubauen. Millionen Menschen hätten mehrfach Kontakt mit dem Virus gehabt.

Stiko sieht Deutschland für Herbst und Winter gut gerüstet

Auch die Präsidentin der Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, hält es für ausgeschlossen, mit den aktuell in Deutschland zugelassenen Impfstoffen Corona komplett wegzuimpfen. Die Schleimhautimmunität, die es dafür bräuchte, gebe es derzeit nicht.

Wie lange Impfung oder Infektion vor Ansteckung schützten, sei abhängig vom Immunsystem jedes Einzelnen und damit nicht vorhersehbar, sagt Falk. Dass die Stiko ihre Empfehlung für die vierte Impfung nicht auf weitere Personen ausgeweitet habe, hält sie für nachvollziehbar. "Das heißt aber nicht, dass andere Menschen die vierte Impfung nicht bekommen können. Wenn man sie möchte, ist das möglich."

Auch Falk empfiehlt für die vierte Impfung einen der neuen Impfstoffe. Ob jenen gegen BA.1 oder den gegen BA.4 und BA.5 sei dabei nicht entscheidend. Die Veränderungen zwischen Corona-Wildtyp und der Omikron-Variante BA.1, die in Deutschland nicht mehr vorherrschend ist, seien ziemlich groß, so Falk. Die Veränderungen zwischen BA.1 sowie den nun kursierenden Varianten BA.4 und BA.5 seien deutlich kleiner. Daten dazu, welcher Impfstoff der bessere sei, gibt es laut der Gesellschaft für Immunologie nicht. In Versuchen mit Tieren seien die jeweiligen Ergebnisse ähnlich gewesen, direkte Vergleiche aber fehlten.

Kassenärzte begrüßen Stiko-Empfehlung zu Omikron-Impfstoffen

Die Kassenärzte begrüßten die angekündigte Empfehlung der Stiko: Sie sei eine Richtschnur für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und erleichtere deren Arbeit angesichts des gestiegenen Beratungsbedarfs in den Praxen, sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dieser Redaktion.

So werde eine vierte Impfung weiterhin unter anderem allen über 60-Jährigen empfohlen. Gassen betonte: "Ein Immungesunder unter 60 Jahren, der drei Mal geimpft ist, braucht keine vierte Impfung, sagt die StiKo ebenso deutlich." Wichtig sei zudem auch der Hinweis der Stiko, alle drei neuen Omikron-Impfstoffe gleichberechtigt zum Boostern zu nutzen. Insgesamt, so Gassen habe die Bedrohung durch Corona dank des hohen Immunitätsgrades der Bevölkerung, sei es durch Impfung oder stattgehabte Infektion, deutlich nachgelassen.

Hausärzte fordern verlässliche Impfstoff-Lieferungen

Die deutschen Hausärzte fordern stärkere staatliche Anstrengungen, um rechtzeitig vor dem Winter die Corona-Impfquote zu steigern. "Zum einen erwarten wir, dass die Impfstofflieferungen endlich verlässlich stattfinden und es nicht ständig zu Verschiebungen und unvollständigen Lieferungen kommt", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier, unserer Redaktion. "Außerdem warten wir nach wie vor auf die lange angekündigte Impfkampagne." Bislang habe sich erst knapp ein Viertel der über 60-Jährigen für eine vierte Impfung entschieden. Hier herrsche ein "ein sehr hoher Nachholbedarf", so mahnte der Ärztevertreter.

Mit Blick auf die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu den neuen Omikron-Impfstoffen äußerte sich Beier zufrieden: "Das schafft Vertrauen und ist eine Voraussetzung dafür, das Thema Corona-Impfungen noch aktiver in die Bevölkerung zu tragen."

Dass es bisher keine ausdrückliche Stiko-Empfehlung zu den angepassten Impfstoffen gab, habe bei einigen Patienten zu Zurückhaltung geführt. Einige hätten auch auf den an BA.4 /BA.5 angepassten Impfstoff warten wollen. Hier schaffe die Stiko nun Klarheit: Die Unterschiede zwischen den verschiedenen angepassten Impfstoffen seien sehr gering. "Wer mit dem Booster dran ist, sollte sich diesen jetzt abholen und nicht taktieren", so Beier.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.