Kolumne

Queen Elizabeth II.: Well done, Majestät

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Trauer um die Queen am Buckingham-Palast: Flaggen auf Halbmast

Trauer um die Queen am Buckingham-Palast: Flaggen auf Halbmast

Trauer um Elizabeth II.: Hunderte Menschen versammeln sich nach der Ankündigung des Todes der britischen Königin vor dem Buckingham-Palast in London. Die Flaggen auf der Monarchen-Residenz wehen auf Halbmast.

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Berlin.  Für den Kolumnisten Hajo Schumacher ist der Monarchenzirkus aus der Zeit gefallen. Der Tod von Elisabeth II. berührt ihn trotzdem.

Nein, ich bin überhaupt kein Windsor-Fan, auch kein Feind, Königshausgeschichten sind mir egal. Zudem verlangt die journalistische Profession Distanz. Kein Mensch sollte glorifiziert werden während gleichzeitig ungezählte Namenlose sterben. Der ganze Monarchenzirkus ist aus der Zeit gefallen, die Welt hat größere Probleme als die Windsors. Distanz halten bitte. Geht leider nicht.

Der Tod von Elisabeth II. berührt die Welt, sogar mich. Denn hier geht eine Frau, wohl die bekannteste Persönlichkeit des Planeten, eine ideale Königin, nicht omaartig, nicht herrisch, nicht divenhaft, sondern angewandte Würde. Für diese Frau ist der Begriff „huldvoll“ erfunden worden.

Dabei hatte sie, streng genommen, gar nichts zu tun außer da zu sein, ein lebendes Märchen, klar, um viele Millionen Wappentassen zu verkaufen, aber vor allem, weil viele Menschen dieses Königinnenmärchen wollten, brauchten, mit allen Aufs und Abs, Unnahbarkeit und Nähe zugleich - eine Doku-Serie für alle Kontinente und Generationen.

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Dieses Da-Sein hat sie meisterhaft hingekriegt. Sie war immer da: Als Kleinkind mit 3 Jahren auf dem Cover des Time-Magazins, mit 25 gekrönt, fast 70 Jahre auf dem Thron, eisern, machtlos, zeitlos, Opfer eines erbarmungslosen Protokolls, verurteilt zum lebenslänglichen Queensein, immer von einer gehörigen Portion Selbstverleugnung begleitet, aber zugleich unglaublich diszipliniert, nicht unterzukriegen, immer verlässlich, egal, was in der Welt los war, man sah den Hut, die Corgis, die Handschuhe, die Kutsche. Ah, okay, alles im Lot. Rolle und Person verschmolzen langsam zu einem Monument, das keinen Namen mehr brauchte: Queen. Kontinuität in altrosa in einer beschleunigten, hysterischen Welt.

Dieses Immer-da-sein hat nebenbei zu einer historisch einmaligen Leistung geführt, der Transformation der Monarchie. Das war nicht selbstverständlich. Vor 100 Jahren war ja Schluss mit Königs; Hohenzollern weg, Habsburgs weg, Romanows weg und das Empire, Weltmacht unter der Krone, war auch weg. Die Windsors gab es noch, aber nur als Hülle mit Krönchen drauf.

Und dann kam sie. 1952. Und hat das Kunststück fertig gebracht, diese Leere wieder zu füllen, nicht mit imperialistischem Machtgehabe, sondern mit etwas Neuem, dieser Mischung aus dezenter Märchenshow einerseits und Traditionsbrücke über 1000 Jahre andererseits. Wie der Papst, nur in gut.

Paradoxerweise war diese Neuinterpretation einer friedlichen Monarchie ein Stabilisator der Demokratie: Ja, es gibt die Krone noch, aber sie tut nichts, hält sich zurück, will nur spielen, und zwar sich selbst. Kaum zu glauben, dass sie jeden Dienstag, fast 70 Jahre lang, Plauderstunde hatte mit dem jeweiligen Premier, 14 an der Zahl. Ihr erster war Winston Churchill, der sich gleich in sie verliebte, der letzter Ronald McJohnson. Wie groß muss die Versuchung gewesen sein, den Brexit irgendwie beeinflussen zu wollen oder sich sonstwie zu Wort zu melden. Doch in einer Welt, in der alle quatschen, bedarf es maximaler Disziplin, den königlichen Schnabel gehalten.

Sie hat diese Monarchie behutsam modernisiert und zugleich mit einem superarchaischen Überlebenswillen vereint. Denn wenn man das Lametta weglässt, dann geht es dieser Familie nur um eines: ihren Fortbestand. Wie leicht hätte das abgleiten können, nicht nur durch Prinz Andrew. Aber egal, was die royale Rasselbande trieb, sie hat den Laden zusammengehalten, mit Gelassenheit, Coolness, Treue, Pflichtbewusstsein, ewige Werte, die nie altmodisch werden. Allein zum Thema Kolonialismus hätte sie sehr viel mehr sagen können.

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Was man übersieht, weil es so selbstverständlich scheint: Sie hat als junge Frau in einer Männerwelt überlebt. Bei ihr hat man nie die Geschlechterfrage gestellt. Sie stand schon über den Rollenbildern, da gab es den Feminismus noch gar nicht. Was auch an dem Mann an ihrer Seite lag. Prinz Philip hat bei ihrer Krönung geschworen, sie mit Leib und Leben zu beschützen, eine romantische, universelle Interpretation von Männlichkeit. Als Philip letztes Jahr ging, da begann ihr Sterben.

Und jetzt also Charles. King Charles der III.. Vor zwanzig Jahren hätten wir gelacht über den königlichen Ökobauern und Vogelgucker, heute passt er in den Job. Es scheint fast, als hätte sie so lange durchgehalten, bis der sensible Junge die Reife hat. Sie wird als ideale Königin im kollektiven Gedächtnis der Welt bleiben.

Well done, Majestät.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.

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