Berlin. Der Rücktritt von RBB-Intendantin Schlesinger war überfällig, weil sie ihre Glaubwürdigkeit längst verspielt hatte. Ein Kommentar.

Patricia Schlesinger war mal eine kritische Moderatorin, die mit dem meinungsstarken ARD-Magazin Panorama Missstände aufdeckte, Verfehlungen benannte und manchen Entscheider gewaltig unter Druck brachte. Jetzt hat sie selbst als Intendantin des Rundfunks Berlin Brandenburg ihr Amt niedergelegt.

Der Rücktritt war überfällig, weil Schlesinger ihre Glaubwürdigkeit längst verspielt hatte. Feudale Dinner auf Gebührenzahler-Kosten zu Hause, lukrative Aufträge an den Ehemann aus dem Umfeld der RBB-Kontrolleure, der Luxuswagen mit Massagesitzen, zwei Chauffeure, die auch privat zu Diensten sind und – am schlimmsten – ein fragwürdiger Neubau, bei dem die Kosten verdreifacht haben.

Jörg Quoos, Chefredakteur Zentralredaktion.
Jörg Quoos, Chefredakteur Zentralredaktion. © Dirk Bruniecki

Fall Schlesinger: ARD macht sich angreifbar

Allein die bekannten Gründe hätten für mehrere Rücktritte gereicht. Kein Wunder, dass sich jetzt auch die Staatsanwaltschaft für Schlesinger, ihren Ehemann und den Chefkontrolleur des RBB interessiert. Aber es geht hier längst nicht mehr um das Abheben von Patricia Schlesinger. Es geht um eine Krise des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, die durch Schlesingers Dreistigkeit dramatisch verschlimmert wurde.

Das unsensible Luxus-Gebaren in der RBB-Intendanz ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon immer ein Dorn im Auge war. Jetzt steht die ARD angreifbarer denn je da. Erste Forderungen nach Abschaffung ziehen Kreise. Die Öffentlich-Rechtlichen laufen Gefahr von einer Negativ-Stimmung überrollt zu werden, die nicht mehr zu drehen ist.

Wohin das führen kann, ist in Frankreich zu besichtigen. Die Franzosen schaffen die Rundfunkgebühren ab und wollen die Öffentlich-Rechtlichen vorübergehend steuerfinanzieren. Was danach kommt, ist völlig ungewiss.

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Öffentlich-Rechtliche müssen sich auf Wut-Debatte einstellen

Die ARD und ihre Anstalten dürfen die Kraft dieser Wut-Debatte nicht unterschätzen und sollten ihr Heil in der Flucht nach vorne suchen. Es reicht nicht mehr, an Reförmchen herumzudoktern. Eine echte Strukturreform muss her. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte im Rahmen der Programmautonomie seine Rolle neu definieren und sich dazu aufstellen.

Wenn er darauf wartet, dass es die Politik für ihn tut, könnte es zu spät dafür sein. Schon die jüngste Gebührenerhöhung - es ging um 86 Cent – war nur noch mit der Brechstange durchzusetzen und wäre fast an einer CDU-geführten Regierung in Sachsen-Anhalt gescheitert. Es herrschte also Handlungsbedarf, schon vor dem Bekanntwerden von Schlesingers teuren Eskapaden.

Eine Grundthese für die Reform kann sein: Die Milliarden der Gebührenzahler sind für eine solide Information mit Schwerpunkt TV und Radio da. Hier gibt es die größte technische und inhaltliche Kompetenz. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen damit ihren Platz in einer völlig veränderten Medienwelt neu finden. In dieser Welt sollte auch Schluss sein mit absurd teuren Unterhaltungsformaten oder dem Versuch, mit immer neuen Online-Kanälen den privatwirtschaftlichen Medien das Wasser abzugraben.

ARD: Trotz Milliarden-Etat ist bei der Qualität noch viel Luft nach oben

Es geht um relevante Information im Sinne des Grundgesetzes und da ist trotz eines Milliarden-Etats bei der Intensität und Qualität noch gewaltig Luft. Es darf nicht sein, dass bei aktuellen Lagen ausgerechnet im ersten Programm das Informationsangebot am dürftigsten ist. Und dass bei der Jahrhundertflut mit fast 200 Toten die öffentlich-rechtlichen Anstalten so spät warnten und sich von kleinen Privatradios vorführen ließen, ist ein besonders krasses Beispiel dafür, dass die opulente Finanzierung mit dem Grundauftrag nicht mehr übereinstimmt.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de