Turin. Mit dämonischer Atmosphäre, einer besonderen Sprache und Genre-Crossover wollen Alvan & Ahez aus Frankreich beim ESC 2022 überzeugen.

Der Hexenkessel ist los! Zumindest könnte man diesen Eindruck beim französischen Beitrag für den Eurovision Song Contest bekommen. Mit einer Mischung aus Folk und Trance, grünen Lichtern und Gothic-anmutender Kleidung tritt die Band Alvan & Ahez beim ESC 2022 an.

Zum zweiten Mal in der Geschichte schickt die „Grande Nation“ ein Song in bretonischer Sprache zum ESC. Im Gespräch mit dem Online-Blog „ESC-Kompakt“ erzählt Sängerin Marine Lavigne, dass sie die Sprache schon in der Schule gelernt habe. „Das ist sehr wichtig für uns und wir sind sehr stolz darauf. Auch meine Großeltern haben Bretonisch gesprochen.“ Sie habe sich geschämt, diese Sprache zu sprechen, „weil sie als Sprache der armen Leute galt. Deshalb sind wir sehr stolz, dass wir jetzt der ganzen Welt zeigen können, dass man sich für diese Sprache nicht schämen muss.“

Eurovision Song Contest 2022: Genre-Crossover aus Frankreich

Doch die Sprache ist nicht das einzig Ausgefallene an „Fulenn“. Wirkt der Song aus Frankreich im ersten Moment noch sehr traditionell-spirituell, setzt ziemlich überraschend ein Elektro-Beat ein, der zum tanzen einlädt. Das findet ganz offensichtlich auch Sänger Alexis Morvan Rosius alias Alvan, der schon bei den Proben seine speziellen Tanzskills offenbarte.

Er und die drei Frauen, aus denen Alvan & Ahez besteht, haben sich in einer Bar in Rennes kennengelernt: Nun sind Alvan, der schon als Support für das DJ-Duo Ofenbach auftreten durfte, und das Damen-Trio Ahez, das aus Sterenn Diridollou, Sterenn Le Guillou und Marine Lavigne besteht, ein Team. Er hat die Komposition übernommen, Marine Lavigne den Text geschrieben.

Frankreichs ESC-Beitrag beruht auf einer Sage

„Fulenn“, der Titel des Songs, heißt übersetzt „Funken“, oder auch „schöne Frau“. „Es ist die Geschichte von einem Mädchen, dass nachts zum Tanzen in den Wald geht. Sie ermutigt damit andere Frauen, es ihr gleich zu tun, sich mit ihren Körpern frei zu fühlen und all das zu tun, was sie tun wollen, ohne sich über das Urteil oder die Blicke der anderen Leute – vor allem der Männer – Gedanken zu machen“, so die Songwriterin.

Es ist also eine Hommage an die Emanzipation der Frauen, inspiriert von einer bretonischen Legende, die von einer jungen Frau handelt, die gerne tanzt. Das ist aber verboten, sodass sie im Turm eingesperrt wird – bis sie entkommt und auf einem Fest tanzt. Dort trifft sie auf einen geheimnisvollen Mann, den Teufel, und stirbt schließlich. „Sie ist in der Geschichte eigentlich eine Anti-Heldin, aber wir fanden, dass das ein guter Gegensatz ist zu dem positiven Bild, das wir heute von mutigen Frauen haben sollten“, so Lavigne.

Frankreich erneut im ESC-Fieber

Nach dem hervorragenden zweiten Platz von Barbara Pravi beim vergangenen ESC in Rotterdam ist die eingeschlafene Begeisterung der Franzosen für den Wettbewerb wieder entfacht. 3000 Einreichungen – und damit mehr als viermal so viele Bewerbungen wie im Vorjahr – gingen für den Vorentscheid ein, bei dem Alvan & Ahez sowohl die Jury- als auch die Publikumswertung gewannen.

Als Gründungsmitglied nimmt Frankreich bereits seit der Premiere 1956 in Lugano am Wettbewerb teil und ist als einer der„Big Five“ automatisch für das Finale qualifiziert. Insgesamt landeten 37 von 61 Beiträge in der linken Tabellenhälfte unter den Top 13. Also mehr als die Hälfte. Das Land landete nur einmal auf dem letzten Platz. Mit fünf Siegen, fünf zweiten Plätzen und sieben dritten Plätzen gehört Frankreich zu den erfolgreichsten Ländern im Wettbewerb.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.