Berlin. Seit Corona werden immer mehr Menschen von Hunden attackiert. Frau fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld – und könnte recht bekommen.

Die meisten Hunde sind friedlich, doch es gibt Situationen, in denen beißen sie. Den sechsjährigen Jungen vor einem oberbayerischen Supermarkt, der einen angeleinten Border-Collie streicheln wollte und seitdem mit einer drei Zentimeter langen Narbe unter dem rechten Auge lebt.

Den 44-jährigen Bonner Postboten, der von einem durch ein geöffnetes Tor rennenden Jagdhund verfolgt und am linken Oberschenkel verletzt wurde. Oder die 55-jährige Frau aus Koblenz, die in einem Swingerclub tanzte, als der frei laufende Golden Retriever des Betreibers nach ihrer rechten Hand schnappte.

Alles Fälle, mit denen sich Gerichte in den letzten Monaten befasst haben. Die seit zwei Jahren andauernde Pandemie führt dazu, dass immer mehr Menschen Opfer von Hundebissen werden. Denn viele vereinsamende Tierfreunde haben sich zwischen Lockdown und Homeoffice einen Vierbeiner angeschafft, um ihrem Streichelbedürfnis nachzukommen.

Nach Hundebiss arbeitsunfähig

Das Vergleichsportal Check24 meldet einen „überdurchschnittlichen Zuwachs sowohl in der Hundehaftpflicht als auch bei den Hundekrankenversicherungen“. Er erwarte eine weitere Zunahme von Schmerzensgeldprozessen nach Hundeattacken, prophezeit der auf Tierrecht spezialisierte Mainzer Rechtsanwalt Andreas Ackenheil.

Welche langwierigen Folgen ein Biss haben kann, weiß eine Mittfünfzigerin, mit deren Klage sich das Landgericht Traunstein auseinandersetzen muss. Sie war bei einem Spaziergang vom Hund eines Ehepaars an der Hand verwundet worden. „Der Hund hatte ganz woanders hingeschaut und kam dann aus vier oder sogar fünf Metern auf mich zugesprungen“, berichtet die Frau der Nachrichtenagentur dpa.

Opfer von Hundebissen können Geld einfordern.
Opfer von Hundebissen können Geld einfordern. © istock

Das Tier habe ihr den Mittelhandknochen gebrochen: „Es war ein offener Bruch.“ Und der führte zu einer chronischen Nervenkrankheit. Dafür will sie entschädigt werden, fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Um derart hohe Summen geht es vor Gericht selten, wenn Menschen von Tieren angegriffen werden. „Bei Pferden kann es durchaus teurer werden, aber bei Hunden ist man im Bereich zwischen 20.000 und 30.000 Euro eigentlich schon ganz gut dabei“, sagt Anwalt Ackenheil. Die 300.000-Euro-Forderung kommt deshalb zustande, weil das damals als Reinigungskraft tätige Opfer seither als arbeitsunfähig gilt. Auch den Haushalt für ihre fünfköpfige Familie könne sie nicht mehr führen, so die Frau. Lesen Sie hier:Einen Hund wollt ihr? Und wer macht den Haufen weg?

Gericht spricht Opfer eines Hundebisses 150.000 Euro zu

Der Mitteldeutsche Hundezuchtverband teilt mit, dass die Zahl der verkauften Welpen im Lauf der Pandemie um knapp die Hälfte gestiegen ist. Allein in Berlin wurden 2020 mindestens 67 Menschen durch Hundebisse schwer verletzt.

Nachbarländer beklagen ebenfalls mehr registrierte Angriffe von Hunden. „Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass mehr Leute wegen Corona aktiv draußen unterwegs sind – Jogger, Velofahrer oder etwa Wanderer – und dadurch mehr Begegnungen stattfinden“, mutmaßt der Kantonstierarzt Marco Gut gegenüber der Schweizer Zeitung „20 Minuten“.

Die Frau mit der 300.000-Euro-Klage hat Chancen, tatsächlich viel Geld zu bekommen. Ein Gericht hatte der Bayerin bereits die Hälfte der geforderten Summe zugesprochen. „Das ist ein Urteil, das sicher wegweisend ist“, sagt Tierrechtler Ackenheil. Die Frau hat es jedoch nicht akzeptiert und Rechtsmittel eingelegt. Sie will mehr.