Berlin. In Deutschland sollen pro Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, 100.000 davon Sozialwohnungen. Serielles Bauen soll dabei helfen.

Droht da die triste Stadt, eine neue Ära des Plattenbaus, architektonische Einöde? Die Ampelregierung verspricht 400.000 neue Wohnungen im Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will dafür „den Bauprozess beschleunigen“ und in Serie bauen.

„Das serielle Bauen hat viele Vorteile“, hatte dabei Geywitz jüngst im Interview mit unserer Redaktion gesagt. Die Planungsphase könne beschleunigt, Kosten eingespart, Bauzeit und -lärm verringert und die Recyclingquote verbessert werden. Ist serielles Bauen also eine gute Idee?

Wer mit dem Bauunternehmer Ernst Böhm spricht, glaubt zunächst: nein. Böhm ist mit seiner B&O Gruppe nach eigenen Angaben Marktführer im sozialen Wohnungsbau. Die Firma mit Sitz im oberbayerischen Bad Aibling, 2400 Mitarbeiter, baut bundesweit 1000 Wohnungen im Jahr.

Wohnraumgewinn: Die Simulation zeigt einen Gebäudekomplex, der über einer Aldi-Filiale errichtet wird.
Wohnraumgewinn: Die Simulation zeigt einen Gebäudekomplex, der über einer Aldi-Filiale errichtet wird. © Aldi Nord | ALDI Nord

Der Anruf war gedacht, um sich von einem Mann der Praxis erklären zu lassen, wie serielles Bauen funktioniert. Ihn treibt aber ganz anderes um: Genehmigungen („dauern“). Din-Normen („rigide“), Erschließung von Grundstücken („aufwendig“). Wasserrohre müssen verlegt, Straßen gebaut werden. Zudem steigen die Grundstückspreise. Erst mit der Frage: „Ja, was würden Sie denn dann Klara Geywitz raten?“ dreht sich das Gespräch: Einfacher, schneller, effizienter zu bauen – das geht.

Böhms Vorschlag: „Bebauen Sie die Parkplätze der Edekas und Lidls, der 12.000 Supermärkte in Deutschland oder die an S-Bahnhöfen oder Sportplätzen.“ Das seien bereits versiegelte, erschlossene Grundstücke, da gehe es schneller, die Genehmigung, das Bürokratische, billiger seien sie zudem. Er habe damit „gute Erfahrungen“ gemacht.

Einer seiner Bauten ist mehrfach preisgekrönt: Im hochpreisigen Stadtteil Gern hat er für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag der Stadt München über dem Parkplatz eines Schwimmbads in nur 12 Monaten Sozialwohnungen gebaut: „Dante I“ heißt der lang gestreckte Bau, grau-blaue Holzfassade, dunkelrot gerahmte Fenster, der auf einer aufgeständerten Betonplatte steht, also auf Stelzen.

Baustoff Holz eignet sich für serielles Bauen

Außer dort, wo das Treppenhaus ist, sind die Parkplätze geblieben. Darüber liegen jetzt vier Stockwerke mit 86 Einzimmerwohnungen mit bis zu 30 Quadratmetern und 14 Wohnungen mit zweieinhalb Zimmern mit 50 Quadratmetern. Auf dem Dach: eine Terrasse mit Grün und Spielplatz. Die Kaltmiete: 9,40 Euro je Quadratmeter. In München liegt die im Schnitt bei 17,30 Euro.

Die Wohnungen sind gefördert. Das ist das eine. Der effizientere und damit günstigere Bauprozess das andere. Dante I besteht aus klimafreundlichen Holzmodulen, die in der Fabrik gefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt wurden.

Böhm macht für das Bauen in Serie zwei Herangehensweisen aus: „2D und 3D“. Dante I ist 2D. Wände werden vorproduziert und dann zu verschiedenen Zimmern und Wohnungen zusammengesetzt. Auf der anderen Seite des Schwimmbads steht „Dante II“: Diesmal ist es ein grünliches Karree mit 144 Wohnungen. Dort wurden die Wände so zusammengestellt, dass darunter 90 Drei- bis Fünfzimmerwohnungen liegen.

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Bei 3D hat jeder Raum dieselbe Form. Das sei weniger für Wohnhäuser gedacht, eher für Büros, Hotels, Bundeswehrkasernen, sagt Böhm. Als Baustoff eigne sich bei beiden Prinzipien am besten Holz, denn Zement sei schwerer zu transportieren, er bekomme leichter Risse. Vorausgesetzt, es gibt genügend nachhaltig produziertes Holz, könnte das eine Chance für mehr Klimaschutz werden. Die Herstellung von Zement ist energieintensiv, verursacht viele CO2-Emissionen. Eintönig müsse es jedenfalls nicht werden, sagt der Bauunternehmer. Es hänge immer von der Planung ab.

Bestes Beispiel seien die 400 neuen Büros, die der Bundestag in Berlin jetzt bekomme – der siebengeschossige „Luisenblock West“. Für ihn sind vorgefertigte Holzmodule per Kran aufeinandergestapelt worden.

Deutscher Immobilienmarkt im internationalen Vergleich eher günstig

Das verantwortliche, berühmte Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton entwarf eine farbige Fassade aus recyceltem Aluminiumblech. Die Kosten hielten die Bauleute ein, die Planungs- und Bauzeit von 20 Monaten unterschritten sie sogar um vier Wochen. Es ist das Prinzip Baukasten, ausgeklügelter als bisher etwa für Fertighäuser.

Einen „Industrialisierungsprozess, den anderes Handwerk längst durchlaufen hat“, nennt das Florian Pronold. Er hat das Bauen als parlamentarischer Staatssekretär der SPD im Bundesumweltministerium einst selbst verantwortet, beobachtet den Markt noch immer. Bleiben die Handwerker nicht auf der Strecke? Nein, sagt er, „die fehlen ja eher.“

Der deutsche Immobilienmarkt sei ein „Hotspot“, meint Pronold, im internationalen Vergleich „eher günstig“. Das ziehe Investoren an, darum würden auch viele neue Häuser gebaut. Der Stil: eher billig. „Wenn in 500 Jahren Archäologen auf die Bauten stoßen, die derzeit emporwachsen, dann werden sie denken, wir seien ein kriegerisches Volk gewesen“, sagt Pronold. „Das sind vielfach grobe Betonklötze mit Tausenden Fenstern, die wie Schießscharten aussehen.“ Bezahlbare Wohnungen in Serie zu bauen, mache nichts trister – im Gegenteil.