Was der serbische Tennisstar, Premier Boris Johnson und Prinz Andrew gemeinsam haben? Sie schreiben beste Unterhaltungsgeschichte.

Das Gute in diesen Tagen: Der Stoff für Netflix-Serien wird so schnell nicht ausgehen. Das ist tröstlich in Zeiten, in denen wir bei jedem Schritt nach draußen Gefahr laufen, uns an der Omikron-Wand heftig den Kopf zu stoßen.

Ich würde da gerne folgende Protagonisten vorschlagen:

1. Boris Johnson, den Regierungschef, dem ganz offensichtlich die von ihm geschaffene Partykultur über seinen zerzausten Kopf wächst.

2. Prinz Andrew, der – recht abgeschlagen in der Thronfolge – die Nutzlosigkeit seines prominenten Daseins (mutmaßlich) mit pädokriminellen Missbrauchsgeschichten toppt.

3. Her Majesty, die Queen, bei der beide Figuren derzeit zusammenlaufen.

Bleiben wir zunächst bei der Queen, die seit sieben Jahrzehnten das ganze Brimborium um die britische Krone mit der Glorifizierung der repräsentativen Aufgaben zusammenhält. So steht sie da mit ihren 95 Jahren, top in Form und klar, und reißt ihrem Lieblingssohn Andrew die Orden von der Brust. Der ist nun keine Royal Highness mehr, ein Gerichtsverfahren droht ihm obendrein.

Prinz Andrew, hochdekoriert mit Mitgliedern der königlichen Familie auf dem Balkon des Buckingham Palace. Diese Bilder mit ihm wird es wohl nicht mehr geben.
Prinz Andrew, hochdekoriert mit Mitgliedern der königlichen Familie auf dem Balkon des Buckingham Palace. Diese Bilder mit ihm wird es wohl nicht mehr geben. © dpa | Frank Augstein

Wie heißt Andrew jetzt eigentlich mit Nachnamen?

Ob er sich jetzt ganz bürgerlich einen Nachnamen zulegt? Nach Vater Philipp? Nach dem Haus Windsor? Wird es womöglich der Doppelname – Mountbatten-Windsor?

Die Queen mag sich ärgern, aber wenigstens kann sie bei ihrem Sohn handeln. Innerhalb der Familie hat sie Macht. Im politischen Gefüge muss sie sich rauszuhalten, völlig egal, was da angestellt wird. Aber was sagt sie dann in ihren Audienzen mit Boris Johnson wohl? Dass sie seine ständigen Entschuldigungen leid ist?

Dass sie erschüttert ist über die Respektlosigkeit seiner feiernden Mitarbeitermeute, die trotz Lockdowns mit einem Koffer in den Supermarkt zogen, um Alkohol für die Kellerparty in der Downing Street zu besorgen, während Her Majesty so ganz allein, den Coronaregeln folgend, um ihren Prinzgemahl Philip trauerte? Dass sie den Umbau des Dienstsitzes für 134.000 Euro 1. für überzogen hält und 2. ihr nicht klar ist, woher das Geld kommt?

„Boris, kämm dir mal die Haare“ – sagt das die Queen?

Ob sie ihn mit den Korruptionsvorwürfen konfrontiert? Ob sie wenigstens von ihm verlangt, sich endlich mal die Haare zu kämmen und dem Regierungsamt den nötigen Ernst entgegenzubringen? Und dann: Ob er die fiktive Schimpftirade wie ein ungezogener Junge, der sich bei Tisch danebenbenommen hat, über sich ergehen lässt?

Im Juli 2019 begrüßte die Queen den frischgewählten Premier Boris Johnson im Buckingham-Palace. Was gab sie ihm damals wohl auf den Weg?
Im Juli 2019 begrüßte die Queen den frischgewählten Premier Boris Johnson im Buckingham-Palace. Was gab sie ihm damals wohl auf den Weg? © dpa | Victoria Jones

Das Drehbuch aus dieser Spekulation lässt sich mühelos schreiben. Ich bin mir sicher, dass die Netflix-Serie „The Crown“ noch ewig weiter geht, auch wenn wir auf die Szenen mit Sohn Andrew und dem blonden Strubbel aus der Downingstreet noch eine Weile warten müssen.

Ob Doku, Soap, Romanvorlage, Endlosserie: Was da westlich der Nordsee passiert in diesem britischen Inselreich, ist jedenfalls prall genug für alle Unterhaltungsformate.

Und dann kommt Impfgegner Djokovic

Abgelenkt wird der Blick auf die barocken Eskapaden der Briten nur noch von diesem serbischen Nationalhelden, der mal als Tennisstar Schlagzeilen machte und jetzt als eingefleischter Impfgegner in einem australischen Hotel kaserniert ist, weil er irgendwie trickste mit Daten über Corona-Tests und Einreiseformalitäten.

Klar, es geht um Novak Djokovic, der jetzt die Stringenz seiner Karriere zum besten Tennisspieler aller Zeiten seinem Starrsinn opfert. Sein Vater sieht ihn längst in göttlichen Sphären: „Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns“, sagte er neulich. Weder sein Starrsinn noch sein guter Aufschlag werden allerdings reichen, um ihn unsterblich zu machen.

Was allerdings reicht: Djokovic bietet Netflix jede Menge Stoff. Die Filmrechte rund um seine Aktion sollen bereits verkauft worden sein. Wie bei Andrew und Boris Johnson wird es bestimmt um Hass gehen und Verrat. Natürlich um Liebe. Um Korruption und vielleicht auch Tod. Um die großen Motive von guten Geschichten.

Das einzige, was mich echt stört: Die Hauptrollen werden wie so oft von Männern besetzt. Also, wenn das mit der Gleichberechtigung was werden soll, dann sei den Frauen der Zeitgeschichte gesagt: Mit Vernunft, Respekt und Pragmatismus ganz im Stil von Angela Merkel lässt sich kein Unterhaltungspokal gewinnen.

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