Hamburg. Volker Lechtenbrink ist tot. Wie seine Familie mitteilte, starb der Schauspieler mit 77 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit.
- Schauspieler, Regisseur, Intendant, Sänger und Texter Volker Lechtenbrink ist nach schwerer Krankheit gestorben
- Lechtenbrink wurde 77 Jahre alt
- Bekannt wurde Lechtenbrink auch durch seine unverwechselbare sonore Stimme
„Ich wollte nie etwas anderes werden als Schauspieler. Dieser Beruf hat mich gereizt, er hat mich wachgehalten. Er hat mich wahnsinnig glücklich gemacht.“ Und er hat ein ganzes Leben umfasst. Als Volker Lechtenbrink vor einigen Wochen auf der Bühne des Hamburger Ernst Deutsch Theaters den Gustaf-Gründgens-Preis erhielt, war die Matinee seine Abschiedsvorstellung. Er wird es gewusst haben, wie viele, die dort waren, ihn feierten, ihm ihre Zuneigung erklärten, für ihn sangen.
Schmal war der Schauspieler geworden, man sah ihm die schwere Krankheit an; aber noch reichte die Kraft, um den Applaus entgegenzunehmen. „Für einen echten Schauspieler macht das Glück, auf einer Bühne zu stehen, viele Leiden wett“, zitierte der Schauspieler Roland Renner, der dem Freund die ergreifende Laudatio hielt, den Namensgeber der Auszeichnung.
Lechtenbrink hatte seinen Durchbruch mit „Die Brücke“
Gründgens selbst blickte von der Leinwand auf seinen Schützling hinab, ein bisschen streng vielleicht, aber nicht unzufrieden. Er hatte ja recht behalten. Als ihm Lechtenbrink auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses zum ersten Mal bei den Proben für ein Weihnachtsmärchen aufgefallen war, rief ihn der damalige Intendant zu sich: „Ich habe Sie jetzt die ganze Zeit beobachtet. Und ich könnte mir vorstellen, dass Sie das auch einmal beruflich machen könnten.“ Volker Lechtenbrink war damals zehn Jahre jung – und, wie er später selbst der Anekdote die Rührseligkeit nahm, vor allem beeindruckt, von Gründgens gesiezt zu werden.
Vier Jahre später, 1959, hatte er seinen großen Durchbruch, als er – neben Fritz Wepper und Michael Hinz – in Bernhard Wickis oscarnominiertem Antikriegsfilm „Die Brücke“ einen jener Jungen spielte, die noch kurz vor Kriegsende zur sinnlosen Vaterlandsverteidigung abgestellt werden. Dieser Film sei „ein Glücksfall“ gewesen, befand Lechtenbrink, als er schon längst nicht nur Schauspieler, sondern auch Sänger, Textdichter, Regisseur und Intendant war. „Leben so wie ich es mag, Leben spüren Tag für Tag, das heißt immer wieder fragen, das heißt wagen, nicht nur klagen“, heißt es in seinem berühmtesten Song. Und so kitschig es ihm selbst vorkam, von ein paar gereimten Schlager-Zeilen aufs eigene Leben zu schließen – er hat es doch auch gemocht.
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So wie nie nachlassende Verehrung seiner rauen, dunklen Stimme, des legendären Lechtenbrink-Timbres. Gern erzählte er, wie Kundinnen ihn beim Schlachter vorgelassen hätten: „Wir warten, bis Herr Lechtenbrink bestellt, wir hören seine Stimme so gern.“ Schon im Alter von acht Jahren übernahm er, der in Ostpreußen geboren wurde, aber in Bremen und Hamburg aufwuchs, Sprechrollen im NDR-Kinderfunk. Mit nur 26 Jahren kam er bereits auf 60 Bühnen- und 50 TV-Rollen. „Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen.“ Das dürfte auch für die Termine auf dem Standesamt gegolten haben: Fünf Mal war er verheiratet, zu allen Ex-Frauen habe er ein gutes Verhältnis, mit einer so rührenden wie pragmatischen Begründung: „Wenn man sich mal geliebt hat, wäre es doch dumm, das zu vergessen.“
Seine eigentliche Liebe galt stets dem Theater
So verrückt es bei fünf Ehefrauen klingen mag (die das womöglich auch nicht immer so sahen): Treue, oder vielleicht doch eher Loyalität, war ein Wert, mit dem der Theater-, Familien- und Theaterfamilienmensch Volker Lechtenbrink etwas anzufangen wusste. Und auch wenn seine markante Stimme ihm neben der Schauspielkarriere auch einen beachtlichen musikalischen Lebensweg bescherte (bis in die 1980er-Jahre sang er Lieder und verkaufte Platten, deren Texte meist aus der eigenen Feder stammten), gehörte seine eigentliche Liebe doch stets dem Theater.
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Es galt: „Wenn man’s dann macht, dann macht man’s wie immer.“ Sollte heißen: „Bis zur Erschöpfung.“ Und bisweilen darüber hinaus. 2017 etwa war ganz Hamburg mit Volker Lechtenbrink plakatiert, um für „Der eingebildete Kranke“ am Ernst Deutsch Theater zu werben. Bis zwei Wochen vor der Premiere aus dem eingebildeten ein echter Kranker wurde, in dessen Verantwortung aber Regie und Hauptrolle lagen. Ohne zu zögern, übernahm sein Freund Wolf-Dietrich Sprenger die Regie.
Es gibt Künstler – in Daniel Kehlmanns „Der Mentor“ spielte Lechtenbrink selbst einen solchen –, denen dienen Kritikerschelte, Selbstbezogenheit und Hochmut als Panzer gegen die eigene Verletzlichkeit. Volker Lechtenbrink gehörte nicht dazu. Er war großzügig, ohne aufdringlich zu sein, zu Kollegen, gelegentlich auch zu Journalisten. Manchmal rollte die unverwechselbare Stimme auf dem Anrufbeantworter, wenn er sich am Tag nach einer Premiere über die Kritik freute oder zumindest gerecht besprochen fühlte. „Ich möchte mich herzlich bedanken.“ Er hatte das Gefühl, das gehöre sich so. Alte Schule.
Lechtenbrink hatte alle Rollen einmal gespielt
Volker Lechtenbrink gehörte einer Generation von Schauspielern an, über die schon so berühmte Theaterkritiker wie Friedrich Luft geschrieben hatten, damals, in West-Berlin, als der Lechtenbrink noch mit der Knef sang. Er habe in seinem Leben „alles gespielt“, bekannte er später. „Vom Mörder bis zum Liebhaber, vom Verbrecher bis zum Komiker.“ In Hamburg stand er auf nahezu jeder verfügbaren Bühne, auch in Hannover, Köln, Berlin und München ging der Vorhang für ihn hoch.
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Im Fernsehen sah man ihn in „Derrick“, „Der Alte“, „Ein Fall für zwei“ – und hörte ihn als deutsche Stimme von Burt Reynolds und Kris Kristofferson. Schon seit 1966 spielte er bei den Bad Hersfelder Festspielen – denen Lechtenbrink sehr verbunden war und die er eine Zeit lang auch als Intendant leitete. Wie von 2004 bis 2006 auch das Ernst Deutsch Theater in Hamburg.
Lechtenbrink, das war einer, für den das Publikum Tickets kaufte. Der immer auch eine große Portion Nostalgie mit auf die Bühne brachte, die Erinnerung an Zeiten, in denen in Fernseh-Talkshows noch geraucht wurde. „Volker Lechtenbrink ist immer dann am stärksten, wenn er die Melancholie eher wirken lässt, als sie betont zu spielen“, hieß es in einer Kritik zu seiner Hans-Albers-Revue „Große Freiheit Nr. 7“. Wobei es zu seinen Stärken gehörte, das Pathos zwar zu bedienen, wenn es denn passte, aber es im Zweifel auch zurechtzustutzen. Als Sentiment, Dank und Lobhudeleien während der Verleihung des Gründgens-Preises überhand zu nehmen drohten, schnurrte Lechtenbrink ein trockenes „Da nich’ für ...“ vom Bühnenrand.
Eva Mattes sang ihm noch vor Kurzem sein Lied „Ich mag“
Dass seine eigene Gesundheit und sein Alter zuletzt immer öfter zum Thema wurden, nahm er hin, nicht begeistert, aber gelassen. „Ich habe noch nie einen Hänger gehabt, aber ich gehöre auch nicht zu denen, die auf der Bühne sterben wollen“, kommentierte er das. Die wahre Grandezza, fand Lechtenbrink, liege ohnehin in der Bescheidenheit.
Aber alles zu seiner Zeit. Als Eva Mattes, mit der Volker Lechtenbrink zuletzt „Love Letters“ am Hamburger St. Pauli Theater ausgetauscht hatte, dem Freund und Kollegen zum Finale der Gründgens-Abschiedsvorstellung seinen eigenen alten Hit „Ich mag“ schenkte, ging das große Gefühl schon sehr in Ordnung so: „Ich mag Bilder von Magritte,/ schwimmen ohne mit,/ Barfuß geh’n durchs Watt,/ ich mag Hamburch, meine Stadt,/ all das mag ich,/ und ganz doll dich ...“ Am Montag ist Volker Lechtenbrink mit 77 Jahren im Kreise seiner Familie in Hamburg gestorben.