Berlin. Experten fordern angesichts der Corona-Situation eine verpflichtende Impfung gegen das Virus. Alle wichtigen Fragen und Antworten.

Beinahe schon täglich meldet das Robert Koch-Institut einen neuen Rekord: Neuinfektionen, Inzidenz – auch die Einlieferungen von Covid-Patienten in Kliniken nehmen deutlich zu. In der vierten Corona-Welle wird deshalb mit immer stärkerer Dringlichkeit die Möglichkeit einer Impfpflicht diskutiert. Was ist rechtlich möglich, welche Berufsgruppen könnten zur Impfung verpflichtet werden? Gab es schon mal eine Impfpflicht in Deutschland? Alle Fragen und Antworten im Überblick.

Sind Impfungen gegen das Coronavirus derzeit verpflichtend?

Die Impfung gegen das Coronavirus ist freiwillig. Derzeit gibt es auch keinen politischen Anstrengungen, eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen. „Die Behauptung, es werde eine Impfflicht geben, ist falsch“, heißt es sogar auf den offiziellen Informationsseiten der Bundesregierung zum Coronavirus. Es werde jedoch eine starke Impfempfehlung ausgesprochen, um sich nicht nur selbst, sondern die Gemeinschaft zu schützen.

Was ist eine Impfpflicht?

Mit einer „Impfpflicht“ ist die per Gesetz sanktionierte Verpflichtung gemeint, eine Schutzimpfung vornehmen zu lassen und einen Nachweis darüber zu erbringen oder zu führen. Das Ziel einer Impfpflicht ist nicht nur der Schutz vor einer Krankheit, die eine Gefahr für die allgemeine Bevölkerung darstellt. Vielmehr geht es auch darum die Verbreitung eines Virus so einzudämmen, dass die Infektionskrankheit ausgerottet wird (Herdenimmunität).

Gab es schon einmal eine Impfpflicht in Deutschland?

Bereits im 19. Jahrhundert gab es im Deutschen Reich eine Impfpflicht gegen die Pocken. Diese wurde erst in der Anfangsphase des Nationalsozialismus vorsichtig gelockert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der DDR ab 1953 eine gesetzliche Impfpflicht, die bis 1970 Schritt für Schritt ausgeweitet wurde. Im Osten waren folgende Schutzimpfungen im Laufe der Jahre verpflichtend: Pocken, Tuberkulose (1953), Kinderlähmung (1961), Diphtherie (1961), Wundstarrkrampf (1961), Keuchhusten (1964) und Masern (1970).

Im Westen bestand bis 1954 eine Impfpflicht gegen Diphtherie und je nach Bundesland auch teilweise gegen Scharlach. Von 1949 bis 1975 mussten Kinder in der Bundesrepublik verpflichtend gegen Pocken geimpft werden. Die Impfpflicht gegen Pocken wurde schrittweise aufgehoben bis sie 1983 komplett entfiel. Die Krankheit gilt heute als ausgerottet.

Im wiedervereinigten Deutschland existiert seit dem 14. November 2019 wieder eine bundesweite Impfpflicht gegen Masern für Kinder und Personal in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen wie beispielsweise Kindertagesstätten und Schulen eingeführt. Die Änderung trat am 1. März 2020 in Kraft.

Was könnte eine Impfpflicht in der Corona-Pandemie bringen?

Es wird gehofft, dass durch eine Impfpflicht die Verbreitung des Virus vor allem in besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen und in risikoreichen Umgebungen eingedämmt werden könnte. Wären beispielsweise sowohl Mitarbeiter als auch Bewohner eines Pflegeheims allesamt immunisiert, wäre das Risiko der Eintragung von Infektionen oder gar eines Corona-Ausbruchs deutlich geringer. Experten zufolge habe man auch in anderen europäischen Ländern gesehen, dass die Einführung einer 2G-Regel am Arbeitsplatz einen Effekt auf die Erst-Impfquote haben kann. Eine berufsbezogene Impfpflicht würde quasi einer 2G-Regelung für bestimmte Arbeitsbereiche gleichkommen.

Corona-Impfpflicht: Was ist rechtlich möglich?

Rechtsexperten halten eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen für unstrittig. Bei der Umsetzung geht es vor allem um die Rechtssicherheit der Regelung und darum, ob diese verhältnismäßig und staatlich durchsetzbar wäre. Mehr Informationen dazu, wie überhaupt eine Umsetzung und rechtliche Regelung aussehen könnte, lesen Sie in unserem Artikel zum Thema.

Wie ist das Meinungsbild zu einer Impfpflicht gegen das Coronavirus?

Im Kampf gegen Corona befürwortet eine knappe Mehrheit der Deutschen eine Impfpflicht. Das geht aus dem jüngsten „Trendbarometer“ von RTL und ntv hervor, für den das Meinungsforschungsinstitut Forsa rund 1000 Menschen befragt hatte. Dabei sprachen sich 53 Prozent für eine generelle Impfpflicht aus; 45 Prozent vertraten die Meinung, eine Impfung sollte weiterhin freiwillig sein. In Ostdeutschland wird allerdings eine Pflicht zur Impfung mehrheitlich abgelehnt. Sehr viel mehr Menschen befürworten eine berufsbezogene Impfpflicht, hier stimmen fast Dreiviertel der Befragten dafür.

Auch die niedergelassenen Ärzte in Deutschland sprechen sich mehrheitlich für eine berufsbezogene Impfpflicht aus. Dies hat eine aktuelle Umfrage des Ärztenachrichtendienstes (änd) ergeben, an der über 1.500 Haus- und Fachärzte teilgenommen habe. 79 Prozent der Ärzte wünschen sich eine Impfpflicht für Beschäftigte im medizinischen und pflegerischen Bereich. Auch interessant: Corona-Impfpflicht bei der Bundeswehr: Warum der Kampf so schwierig ist

Wie steht die mögliche Ampel-Koalition zu einer Impfpflicht?

In der Debatte über eine Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zeichnet sich eine bei den Ampel-Parteien mögliche Einigung ab. Gesundheitspolitiker von FDP und Grünen plädierten zuletzt für eine einrichtungsbezogene Verpflichtung. Eine solche Regelung kommt aber noch nicht in das neue Infektionsschutzgesetz. Dennoch sprechen die Ampel-Partner darüber. Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zeigte sich zuletzt aufgeschlossen gegenüber eine berufsbezogenen Regelung. Lesen Sie auch: Corona-Gipfel: Kommt jetzt die Impfpflicht? Was dafür spricht

(mit dpa)