Santa Fe/Washington. Alec Baldwins Filmwaffe sollte eigentlich nicht geladen sein. Das war aber wohl nicht das einzige Sicherheitsproblem bei dem Dreh.

Könnte der Tod der Hollywood-Chef-Kamerafrau Halyna Hutchins bei Dreharbeiten für den Western "Rust" der traurige Höhepunkt einer Serie von Fahrlässigkeiten und Pfusch gewesen sein, die auf Sparzwänge zurückgeht?

Wie die "Los Angeles Times" und andere US-Medien herausfanden, hatten wenige Stunden vor der Tragödie auf der "Bonanza Creek Ranch" im Bundesstaat New Mexico, bei der der Schauspiel-Star Alec Baldwin die 42-Jährige mit einer Requisiten-Waffe tödlich verletzte, sechs gewerkschaftsorganisierte Mitglieder des Kamera-Teams von Hutchins die Arbeit aus Protest über miserable Arbeitsbedingungen niedergelegt.

Tödlicher Unfall bei Filmdreh mit Alec Baldwin: Massive Sicherheitsmängel?

Laut Santa Fe's Sheriff-Büro wusste Baldwin (63) nicht, dass der ihm für eine Szene gereichte Revolver gegen alle Vorschriften mit scharfer Munition bestückt war.

Neben verspäteten Gehaltszahlungen und nicht eingehaltenen Versprechen (die Leute musste jeden Tag aus dem 50 Kilometer entfernten Albuquerque anreisen, weil der Produktionsfirma offenbar die Hotels im nahe gelegenen Santa Fe zu teuer waren), machten die Streikenden bei dem Low-Budget-Film generell massive Sicherheitsmängel geltend.

Waffe von Baldwin: Wohl schon mehrere Fehlzündungen an vorherigen Drehtagen

So habe es bei Baldwins Todeswaffe bereits Tage vorher mehrere "Fehlzündungen" gegeben, als sein Stunt-Double damit hantierte. Konsequenzen? Offenbar keine. "Es gab keine Besprechungen über Sicherheitsmaßnahmen. Oder Zusicherungen, dass sich das nicht wiederholt. Alles, was sie wollten von uns war: schnell, schnell, schnell", zitiert die L.A. Times einen der Streikenden. Ein Crew-Mitglied schrieb dem Drehort-Manager: "Das ist alles super unsicher hier."

Am Todestag von Hutchins setzte die Produktionsfirma "Rust Movie Productions" kurzerhand eine Ersatztruppe ein, die nicht der Gewerkschaft IATSE (International Alliance of Theatrical Stage Employees) angehört. Für deren Forderungen hatte sich Halyna Hutchins stark eingesetzt.

Die Polizei ermittelt auf dem Set des Western
Die Polizei ermittelt auf dem Set des Western "Rust" nach einem tödlichen Schuss mit einer Requisitenwaffe. © dpa

Tatwaffe: Alec Baldwin ging von einer "cold gun" aus

Von Bedeutung bei den Ermittlungen der Polizei, die mittels eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss seit Freitag jeden Stein auf der renommierten Film-Ranch umdreht, sind zwei Personen: Dave Halls - der Regie-Assistent, der bereits bei Filmen wie "Fargo" oder "Matrix Reloaded" beteiligt war, hatte Alec Baldwin die Tatwaffe übergeben. Mit dem lautstarken Hinweis: "cold gun". Was so viel wie unbedenklich bedeutet, nicht geladen. Wie kam er dazu? Hatte Halls sich persönlich davon überzeugt oder nur auf andere verlassen? Laut Polizei unklar.

Klar ist, Halls wählte aus drei zur Verfügung stehenden Waffen aus, die Hannah Gutierrez vorbereitet hatte. Sie war die Waffenmeisterin, die Hollywood auf solchen Film-Sets vorschreibt. Die Tochter des bekannten Film-Waffen-Experten Thell Reed war verantwortlich für den einwandfreien Zustand der Waffen. Die 24-Jährige hat nach eigenen Angaben in ihrer Funktion aber erst einen größeren Film (mit Superstar Nicolas Cage) begleitet. War sie versiert genug?

Alec Baldwin wirkt verzweifelt: Am Straßenrand hat er sich nach vorne gebeugt, als sei er erschöpft.
Alec Baldwin wirkt verzweifelt: Am Straßenrand hat er sich nach vorne gebeugt, als sei er erschöpft. © dpa

Wie konnte eine scharfe Patrone in die Waffe gelangen?

Dave Halls wusste laut Gerichtsunterlagen nicht, dass Baldwins Waffe, bei der es sich dem Vernehmen nach um einen "Vintage Colt Revolver" gehandelt haben könnte, scharfe Munition enthielt. Was aber wusste Gutierrez? Wie und wann hat sie die Waffen gecheckt? Hatte nach ihr womöglich ein Dritter Zugang zu den Waffen? Wie konnte eine - laut Polizei - scharfe Patrone in die Waffe gelangen? Ein Hollywood-Anwalt, der Opfer von Unfällen bei Dreharbeiten betreut, sagt: "Wären die strengen Sicherheits-Protokolle eingehalten worden, hätte dieses Unglück nicht passieren können."

Laut Polizeibericht wurde Hutchins Brust von einer einzelnen Kugel durchschlagen. Das Projektil traf danach den hinter ihr stehenden Regisseur Joel Souza (48) an der Schulter. Souza konnte nach kurzer Behandlung im Krankenhaus entladen werden. Hutchins, Mutter eines Kindes, erlag nach dem Transport mit dem Not-Hubschrauber im Spital ihren Verletzungen. Weil Alec Baldwin nicht nur Hauptdarsteller sondern Mit-Produzent des bis auf weiteres gestoppten Films "Rust" ist, könnten dem Schauspieler nach Einschätzung von Branchen-Anwälten hohe Regress-Forderungen drohen, wenn sich das Thema Sicherheitsmängel bestätigen sollte.

Alec Baldwin äußerte sich am Freitagmorgen (Ortszeit) erstmals selbst via Twitter zu dem Vorfall.

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Waffen-Spezialisten aus der Film-Szene forderten unterdessen, den Einsatz von realen Waffen selbst mit Platzpatronen bei Dreharbeiten einzustellen. Mit Hilfe von moderner Technik (CGI) könnten Effekte wie Mündungsfeuer etc. heute gefahrlos und wirkungsvoll nachgestellt werden.