Berlin. Die Corona-Fallzahlen steigen in Deutschland dramatisch an. Die Impfungen nehmen nur schleppend zu. Die aktuelle Lage im Überblick.

Während die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer über den weiteren Umgang mit der Corona-Krise berieten sowie auch ein mögliches Ende der epidemischen Notlage debattierten, nimmt die vierte Welle der Pandemie deutschlandweit besorgniserregend an Fahrt auf. Das Virus breitet sich derzeit wieder mit hohem Tempo aus. Die Corona-Fallzahlen in Deutschland könnten nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) in der kommenden Zeit dynamisch anwachsen.

Bereits in der letzten Woche sei ein Anstieg „in fast allen Altersgruppen sichtbar“, schreibt das Institut in seinem neuen Wochenbericht zur Pandemie. Die diesjährigen Fallzahlen seien zudem „deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres“. Weiter betont das RKI: „Es ist damit zu rechnen, dass sich im weiteren Verlauf des Herbstes und Winters der Anstieg der Fallzahlen noch beschleunigen wird.“

Corona-Lage in Deutschland – Aktuelle Entwicklung

Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg nach RKI-Angaben von Freitagfrüh auf 91,5. Damit wurde erstmals seit Mitte Mai die Marke von 90 überschritten. Binnen eines Tages wurden 19.572 Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert. Deutschlandweit wurden nach den neuen Angaben binnen 24 Stunden 116 neue Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-Erkrankung verzeichnet. Vor einer Woche waren es 65 Todesfälle gewesen.

Corona-Patienten: Das zeigt die Hospitalisierungs-Statistik

Auch die Hospitalisierungsinzidenz steigt beständig an. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Donnerstag mit 2,45 an (Mittwoch 2,34). Vor einem Monat betrug der Wert 1,65. Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit bei rund 15,5. Nach Zahlen des Zentralregisters der deutschen Notfallmedizin wurden zuletzt 1528 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt, 861 davon mussten beatmet werden.

Die größte Gruppe der Covid-Intensivpatienten bilden derzeit die 60- bis 69-Jährigen mit 26 Prozent, gefolgt von den 50- bis 59-Jährigen (21,8 Prozent). 18,1 Prozent der schwersterkrankten Corona-Patienten sind zwischen 70- und 79 Jahre alt, 11,7 Prozent älter als 80.

Vor Herbst und Winter: Ältere wieder stärker gefährdet

Laut RKI-Bericht sind wieder vermehrt Ausbrüche in medizinischen Einrichtungen sowie in Alten- und Pflegeheimen bekannt geworden. Erstmals seit der Woche vom 3. bis 9. Mai sei die Sieben-Tage-Inzidenz bei Menschen über 90 Jahren vergangene Woche deutlich angestiegen. Sie lag in dieser Altersgruppe laut RKI bei 64, in der Vorwoche betrug der Wert hingegen noch 48. Hochaltrige sind besonders gefährdet, bei einer Corona-Infektion schwere und tödliche Verläufe zu erleiden. Die Mehrzahl ist geimpft, jedoch lässt die Impfwirkung bei vielen nach.

Allgemein schreibt das RKI, es sei „erwartbar“, dass mit der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden.

Deutlich höhere Inzidenzen als unter Senioren verzeichnen laut RKI-Bericht wie bereits in den Vorwochen jüngere Altersgruppen, in denen die Impfquoten niedriger sind. Unter Kindern und Jugendlichen von 10 bis 14 Jahren waren es vorige Woche 182 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner – der höchste Wert aller Altersstufen. Auch zwischen 5 und 24 Jahren lagen die Inzidenzen deutlich über 100, ebenso wie bei Menschen im mittleren Alter (35 bis 44).

Corona: Wieder deutliche regionale Unterschiede in Deutschland

Die Werte weichen in den einzelnen Bundesländern teils deutlich voneinander ab. Vier Länder haben Sieben-Tage-Inzidenzen von über 100, angeführt von Thüringen hat mit 172,2 Fällen pro 100.000 Einwohnern, gefolgt von Bayern (141), Sachsen (128,9) und Berlin (108,6). Das einzige Land mit einer Inzidenz von unter 50 ist Schleswig-Holstein (44,9). Die elf am stärksten betroffenen Landkreise bundesweit liegen allesamt in Bayern. Besonders drei von ihnen weisen sehr hohe Inzidenzen von weit über 400 auf, angeführt vom Kreis Mühldorf am Inn mit einem Wert von 453,3.

Problem in Krankenhäusern: Mangel an Pflegepersonal so schlimm wie nie zuvor?

Intensivmediziner schlagen bereits Alarm, weil mangels Pflegepersonals viele Intensivbetten nicht mehr betrieben werden könnten. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) betont, es sei in der kommenden Zeit „mit einer spürbaren Einschränkung in der Versorgung der Bevölkerung zu rechnen“. Die vergangenen Monate hätten zu einer Verschlechterung der Stimmung und zu weiteren Kündigungen von Stammpflegekräften geführt, so die Divi. „Eine absehbar schwere Herbst- und Winterwelle“ mit vielen Covid-19-Patienten, aber auch Erkrankten mit anderen Atemwegsinfektionen wie Grippe könne die Intensivmedizin in Deutschland „erneut an und über ihre Grenzen bringen“.