Lüchow. Wer gegen Covid-19 geimpft ist, wird von diesen beiden Ärzten nicht behandelt: In Niedersachsen ist jetzt die Ärztekammer alarmiert.

  • Die "Querdenken"-Bewegung ist gegen Corona-Maßnahmen und gegen die Impfung
  • Einige Ärzte, die der Bewegung angehören, sorgen nun für Aufregung
  • Sie behandeln keine Geimpften mehr

Der Ausdruck ist mit Klebeband an der Eingangstür befestigt, die Nachricht brisant: Der Orthopäde erteilt einem Teil seiner Patienten Hausverbot. Wer gegen Corona geimpft sei, solle sich bitte einen anderen Arzt suchen, schreibt der Mediziner. „Ich trage die Verantwortung für die Gesundheit meiner Mitarbeiter, Familie und die Gesundheit meiner ungeimpften Patienten.“

Der Mann behauptet, von Geimpften gehe eine Gefahr aus, da sie nach der Impfung das sogenannte Spike-Protein ausstießen – etwa über Hautkontakt oder Husten. Es sorge dafür, dass Ungeimpfte krank oder unfruchtbar würden. Dass wissenschaftliche Institutionen wie das Paul-Ehrlich-Institut seiner Behauptung widersprechen, ist ihm egal.

Der Facharzt – ein Mann Mitte 50 – führt eine Praxis in der Innenstadt von Lüchow im Nordosten Niedersachsens. Und er ist nicht der einzige niedergelassene Mediziner mit heiklen Ansichten in dem 9000 Einwohner zählenden Fachwerkort. Auch ein Allgemeinarzt verweigert Geimpften den Einlass. Er hat ein Schild an die Tür seiner Praxis gehängt: „Nur für Ungeimpfte“. Mehr zum Thema:Corona-Pandemie: Wer sind eigentlich die Impfgegner?

Arzt lädt zum Querdenker-Treffen

Die beiden Ärzte gelten in der Region als Impfgegner. Der Allgemeinmediziner hat in Leserbriefen an die Lokalzeitung immer wieder vor Impfungen gewarnt und bezeichnet die Corona-Impfkampagne der Bundesregierung als „größten Menschenversuch in der Medizingeschichte“.

Erst vor wenigen Tagen organisierte er in einer Scheune ein Treffen von Querdenkern. Gut 300 Menschen seien gekommen, berichtet ein Reporter der„Elbe-Jeetzel-Zeitung“. Der Arzt und seine Anhänger wollen demnach „Aktionen“ planen: „Man will die anderen Menschen ,wach machen‘. Die Radikaleren unter den Anwesenden reden von Blockaden, die besonnenere Mehrheit von Info-Kampagnen.“

Die Mediziner aus Lüchow stehen der Querdenker-Bewegung nahe.
Die Mediziner aus Lüchow stehen der Querdenker-Bewegung nahe. © dpa | Sebastian Kahnert

Dass Ärzte die Behandlung geimpfter Patienten ablehnen, ist in der Pandemie eine neue Entwicklung. Bislang waren nur vereinzelte Fälle bekannt, in denen Ärzte auf die 2G-Regel pochen, also nur noch Patienten behandeln, die von Covid-19 genesen oder dagegen geimpft sind. Auch interessant:USA: Impfgegner werben nach Covid-Infektion für Impfung

Die beiden Lüchower Mediziner ließen Anfragen unserer Redaktion unbeantwortet. Gegenüber der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ sagte der Allgemeinarzt, er wolle mit seinem Aushang „zum Nachdenken anregen“ und der geimpften Bevölkerungsmehrheit „zeigen, wie es ist, wenn man ausgeschlossen wird“.

Patientenschützer fordert Versorgung aller Kranken

In Lüchow glauben viele, dass die beiden Ärzte mit ihren Thesen auf Resonanz stoßen könnten. Das durch Proteste gegen Atommülltransporte nach Gorleben bekannt gewordene Wendland gilt als Rückzugsort völkischer und rechtsextremistischer Gruppierungen.

Dutzende Familien sollen zu diesem Milieu gehören. Manche wohnen schon seit Generationen in der strukturschwachen Region, andere ziehen dorthin, weil leer stehende Höfe oft für wenig Geld verkauft werden.

Die Niedersächsische Ärztekammer prüft die beiden Fälle. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) weiß davon. „Die Ablehnung der Behandlung von Geimpften ist nicht gerechtfertigt“, erklärt ein Sprecher. Das Argument des Orthopäden, er müsse sein Personal schützen, lässt die KVN nicht gelten: Es bestehe „insgesamt kein unzumutbar hohes Risiko“. Lesen Sie hier:Corona: Impfung wird immer noch von jedem Zehnten abgelehnt

Der Patientenschützer Eugen Brysch fordert derweil ein „entschiedenes Einschreiten“ der KVN gegen Ärzte, „die selbstherrlich Regeln aufstellen“ – und kritisiert Mediziner, die Geimpften oder Ungeimpften den Zutritt verwehren. „Es geht allein um eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten.“

Damit sei klar, so Brysch, „dass niedergelassene Kassenärzte ihre Behandlung nicht vom Impfstatus der Patienten abhängig machen dürfen“.