Berlin. Roland Kaiser schildert in seiner Autobiografie die Höhen und Tiefen seines Lebens und berichtet ausführlich vom Tod seiner Ziehmutter.

Herr Keiler aus Berlin, angehender Berufsinterpret im Schlagergenre, wollte nicht so heißen wie, nun ja – ein Wildschwein. Also suchte er sich einen anderen, royal klingenden Nachnamen aus. Es war der eigentliche Beginn von Roland Kaisers seit fast fünf Jahrzehnten andauernder Karriere.

Der stets elegante Dreiteiler oder Smokings tragende Sänger mit zahlreichen Hits wie „Santa Maria“ oder „Joana“ steht auf der „Sonnenseite“ des Lebens. Das jedenfalls ist der Titel seiner neuen Autobiografie (Heyne), in der er auf knapp 380 Seiten beschreibt, wie er immer wieder auf die Füße fiel.

Dabei hatte er es in der Kindheit schwer. Der 69-Jährige erzählt erstmals ausführlich vom Tod seiner Pflegemutter. Sie hatte ihn wie einen eigenen Sohn aufgenommen, nachdem seine leibliche Mutter das Kind kurz nach der Geburt abgegeben hatte. Als Kaiser 15 Jahre alt war, fiel die Ziehmama beim Aufhängen der Gardinen von der Leiter – Schlaganfall. Auch interessant:Wolfgang Petry heißt jetzt Pete Wolf – und kehrt zurück

Roland Kaiser und der Tod seiner Pflegemutter

„Reglos lag meine Mutter auf dem Linoleumboden“, beschreibt Kaiser den dramatischen Moment. „Sie sah mich aus weit aufgerissenen Augen an und versuchte, den Mund zu öffnen, versuchte, etwas zu sagen. Doch alles, was sie hervorbrachte, war ein seltsam verwaschener Laut. Im nächsten Moment verdrehte sie die Augen und verlor das Bewusstsein.“ Drei Wochen später starb sie, Kaiser zog zu einer Tante.

Immer im Anzug: Roland Kaiser steht seit den 70er-Jahren auf der Bühne – wie hier vor wenigen Wochen in Oberhausen.
Immer im Anzug: Roland Kaiser steht seit den 70er-Jahren auf der Bühne – wie hier vor wenigen Wochen in Oberhausen. © picture alliance | Marco Steinbrenner / Kirchner-Media

Er habe darüber geschrieben, weil der Tod der Frau zu seinem Leben gehöre, sagt der seit Jahren in Münster lebende gebürtige Berliner. „Es war eine schwierige Zeit, ein besonderer Einschnitt in meinem Leben.“ Nach einem halben Jahr habe die Trauer etwas nachgelassen. „Es ist, wie es ist.“ Auch interessant:Nena-Konzert – Veranstalter macht klare Corona-Ansage

Damals ahnte niemand, dass der Junge aus dem Wedding eines Tages die deutsche Popkultur beeinflussen sollte. Erst als Musiker, in den 90er-Jahren auch als TV-Produzent, der für Gassenfeger wie „RTL Samstag Nacht“ und „Schreinemakers Live“ verantwortlich war.

Roland Kaiser lernte als Autoverkäufer eine neue Welt kennen

Bevor es so kam, wurde Kaiser Verkäufer. Machte eine Lehre bei einer Supermarkt-Kette, arbeitete bei der Post, später in einem Autohaus. Für ihn eine neue Welt, wie er im Buch beschreibt: „Ich lernte viel über Autos, lernte Einkauf, Lagerhaltung, Verkauf. Ich lernte, dass gute Autoverkäufer 6000, 7000 D-Mark im Monat verdienten.“ Seine Onkel hingegen, die in grauen Mietshäusern lebten, hätten kaum mehr als 1500 Mark Gehalt bekommen.

„Meine neuen Kollegen trugen teure Anzüge, machten Urlaub am Mittelmeer und zündeten ihre Zigaretten mit goldenen Dupont-Feuerzeugen an, und selbstverständlich fuhren sie immer die neuesten Ford-Modelle.“ Das wollte Kaiser sich auch leisten können.

In den 80ern war Roland Kaiser Dauergast der ZDF-„Hitparade“.
In den 80ern war Roland Kaiser Dauergast der ZDF-„Hitparade“. © picture alliance / united archives | kpa / Grimm

Kaiser begeisterte sich früh für Politik. Als John F. Kennedy während eines Deutschland-Besuchs seine berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede hielt, stand der kleine Roland in der Menge, hielt ein „Willkommen, Mister President“-Schild hoch und wurde Augenzeuge dieses historischen Augenblicks. Kennedy sei ein ein „vor Charisma und Vitalität leuchtender Mann“ gewesen, schreibt der bekennende Sozialdemokrat – „eine Lichtgestalt“.

Einmal legte er sich per Brief mit Erich Honecker an. Die DDR wollte Kaisers Keyboard-Spieler bei Konzerten in Ost-Berlin nicht auftreten lassen: Der SED war ein Dorn im Auge, dass der Musiker 1980 aus der DDR geflohen war. Kaiser drohte damit, die Auftritte ausfallen zu lassen. Am Ende setzte er sich durch, der Keyboarder durfte mitkommen. In dem Buch sind die Original-Dokumente abgedruckt.

Als Roland Kaiser berühmt wurde, ging die Familie auf Distanz

Kaiser beschreibt auch die Tiefpunkte seines Lebens, die herben Rückschläge, Zweifel und Fehler. Etwa den Moment, als ein Arzt die chronische Atemwegskrankheit COPD diagnostizierte. Eine Lungentransplantation im Februar 2010 verhalf ihm zu einem zweiten Leben, nachdem er zuvor ein Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle hatte abbrechen müssen. Lesen Sie hier:Album, Doku, TV-Shows – Helene Fischers Festspiele beginnen

Ebenso wenig verschweigt Kaiser, dass er für seinen Ruhm einen Preis zahlen musste. Onkels, Tanten, die Schulkumpel von früher: Je erfolgreicher er wurde, desto fremder wurden ihm die Menschen seiner Kindheit. „Für sie war ich jetzt ,der Typ aus dem Fernsehen‘.“ Die Anrufe seien immer seltener geworden. „Und irgendwann hörten sie auf.“