Berlin. Neue Daten zeigen, dass das Herzmuskelentzündungs-Risiko nach der Corona-Impfung bisher unterschätzt wurde. Das muss man wissen.

  • Mögliche seltene Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung sorgen in einigen Ländern für einen drastischen Schritt
  • Grund dafür ist eine gehäufte Anzahl von Herzmuskelentzündungen
  • Einige Länder hatten bereits reagiert und die Impfung mit Moderna teilweise ausgesetzt - Island geht sogar noch weiter

Der Corona-Impfstoff von Moderna machte in der letzten Woche Negativ-Schlagzeilen: In Schweden und Finnland wird das Vakzin vorerst keinen Menschen unter 30 Jahren mehr verabreicht, in Dänemark und Norwegen zumindest niemandem unter 18. Als Begründung gaben die Staaten an, dass es bei jüngeren Menschen wohl nun doch Anzeichen eines erhöhten Risikos für Nebenwirkungen wie einer Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) oder des Herzbeutels (Perikarditis) gebe. In Island kommt der Impfstoff gar nicht mehr zum Einsatz.

Die Problematik betrifft aber nicht nur „Spikevax“, wie der Handelsname des Moderna-Vakzins lautet, sondern auch den zweiten Corona-Impfstoff der auf der neuartigen mRNA-Technologie beruht. In Großbritannien, Hongkong und Norwegen gibt es laut einem Bericht der „New York Times“ Überlegungen, auch das Vakzin von Biontech bei Jugendlichen nur eingeschränkt zu verabreichen und zwar als einfache Dosis.

Impfung mit Moderna und Biontech: Besonders jüngere Menschen von Nebenwirkung betroffen

Bisher ist noch nicht geklärt, warum es gerade bei jüngeren Menschen nach der Impfung zu Störungen der Herzfunktion kommen kann. Zuerst war die Häufung der Komplikation in dieser Gruppe in Israel beobachtet worden, wo schon vergleichsweise früh auch Menschen jüngeren Alters gegen Covid-19 geimpft wurden.

Dort waren unter 938.812 Geimpften insgesamt 21 Fälle von Myokarditis aufgetreten. Das waren 3,24 mal so viele Fälle wie in der Kontrollgruppe der nicht geimpften Personen. Insbesondere scheinen männliche Jugendliche und junge Männer betroffen zu sein. Das Risiko einer Herzmuskelentzündung nach einer mRNA-Impfung gegen das Coronavirus scheint insbesondere für sie höher als bislang angenommen. Auch wenn die Nebenwirkung bisher ein seltenes Ereignis bleibt. Zum Vergleich: Eine Infektion mit Covid-19 erhöht das Risiko für die Erkrankung am Herzen um den Faktor 18,28.

Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung selten, aber Risiko höher

Auch die Daten einer US-amerikanischen Krankenversicherung legen nun nahe, dass es nach der zweiten Dosis der mRNA-Impfstoffe in seltenen Fällen zu einer Myokarditis kommen kann. Die Erhebung, die im Fachmagazin JAMA Internal Medicine publiziert wurde, zeigt ebenfalls, dass vor allem jüngere Männer betroffen sind. Alle Patienten erholten sich aber innerhalb weniger Tage von der Nebenwirkung der Impfung.

Der Versicherer Kaiser Permanente Southern California stellte die Daten von 2.392.924 Versicherten für die Analyse zur Verfügung. Alle hatten mindestens eine Dosis von einem der mRNA-Impfstoffe verabreicht bekommen. In den ersten zehn Tagen nach der Impfung kam es den Daten nach in 15 Fällen zu einer Herzmuskelentzündung, wie ein Team um Ming-Sum Lee vom Los Angeles Medical Center feststellte.

Der Großteil der Komplikationen, 13 Fälle, war nach der vollständigen Immunisierung, also nach der zweiten Dosis aufgetreten. Die Forscher ermittelten eine relative Inzidenzrate (IRR) gegenüber Nicht-Geimpften von 2,7 (95-%-Konfidenzintervall 1,4 bis 4,8).

Die betroffenen Männer waren im Mittel 25 Jahre alt. Keiner der Patienten hatte eine vorbestehende Herzerkrankung. Alle wurden im Krankenhaus behandelt, nachdem sie ein bis sieben Tage nach der Impfung meist über Brustschmerzen geklagt hatten, und erholten sich unter einer konservativen Behandlung vollständig. Keiner der Patienten musste auf Intensivstation behandelt werden.

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Daten aus den USA untermauern Ergebnisse aus Israel und Kanada

Die Daten aus den USA untermauern bisherige Erkenntnisse aus einer im „New England Journal of Medicine“ publizierten Analyse aus Israel sowie Berichte der kanadischen Gesundheitsbehörde Public Health Ontario. Auch in den skandinavischen Ländern wurde zu der Impfkomplikation geforscht. Die Studie ist aber noch nicht veröffentlicht.

Die Berichte aus Israel und Kanada zeigen, analog zu den Daten aus den USA, dass eine Myokarditis nach einer Corona-Impfung mit einem mRNA-Vakzin zwar sehr selten auftritt, dass das Risiko aber deutlich höher ist als im Normalfall. Männliche Jugendliche und junge Männer machen etwa 80 Prozent der Fälle aus. Warum das so ist, ist noch unklar.

Offensichtlich tritt das Problem aber nicht nur bei Corona-Impfungen auf, wie eine Erhebung des „Vaccine Adverse Event Reporting System“ der FDA aus dem Jahr 2018 zeigt. Demnach trat die Komplikation auch nach Impfungen gegen humane Papillomviren, Influenza, Meningokokken, Typhus, die japanische Enzephalitis und Milzbrand auf.

(bml)