Berlin. Schulen sollen im Herbst möglichst geöffnet bleiben. Doch welche Auswirkungen hat das auf die Corona-Infektionszahlen bei den Kindern?

Die Sommerferien sind in immer mehr Bundesländern zu Ende, in den Schulen beginnt der Präsenzunterricht wieder - trotz steigender Corona-Zahlen. Die meisten Kinder weisen keine Immunität auf. Deshalb sorgen sich Eltern besonders angesichts der ansteckenderen Delta-Variante um die Jüngsten.

An unserer Interaktiv-Grafik lässt sich ablesen, dass in Deutschland aktuell die Gruppe der 5- bis 14-Jährigen mit 125,2 die höchste Sieben-Tage-Inzidenz aufweist - gefolgt von den 15- bis 34-Jährigen mit einer Inzidenz von 99 (Stand: 24. August 2021).

NRW: Corona-Inzidenz bei Kindern bei mehr als 300

In Nordrhein-Westfalen hat die Schule am 18. August wieder begonnen. Knapp eine Woche nach Unterrichtsbeginn liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei den 5- bis 14-Jährigen dort nun sogar bei 304,4 (Stand: 24. August 2021).

In Nordrhein-Westfalen ist die Sieben-Tage-Inzidenz bei 5- bis 14-Jährigen rund eine Woche nach Schulbeginn erschreckend hoch.
In Nordrhein-Westfalen ist die Sieben-Tage-Inzidenz bei 5- bis 14-Jährigen rund eine Woche nach Schulbeginn erschreckend hoch. © FMG

Bei einem Blick auf die Deutschlandkarte wird ein ähnliches Muster deutlich: In vielen Bundesländern, in denen die Schule schon wieder begonnen hat, ist die Inzidenz bei der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen hoch - etwa in Hamburg, Saarland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg.

In den dunkellila gefärbten Regionen ist die Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen am stärksten von Corona betroffen.
In den dunkellila gefärbten Regionen ist die Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen am stärksten von Corona betroffen. © FMG

So schätzt Virologe Drosten die Corona-Lage an Schulen ein

Fraglich ist, wie sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt. Für die Einschätzung könne ein Blick nach England helfen, sagt der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Dort seien die Fallzahlen vor allem bei Schülerinnen und Schülern der 7. bis 11. Klassen nicht unter Kontrolle geblieben - trotz mehrfacher Tests pro Woche.

Ein zentraler Aspekt liegt darin, wie viele Kinder in Deutschland bereits mit dem Coronavirus infiziert waren. "Mehr als zehn Prozent sind es nicht", schätzt Drosten. Ein Grund für diese Annahme sei, dass an den Schulen bundesweit wesentlich stärker mit Maßnahmen und Tests auf mögliche Übertragungen kontrolliert wurde als etwa an vielen Arbeitsplätzen. Dadurch wurde die Ausbreitung von Sars-CoV-2 an den Schulen abgebremst.

Bei den Kindern müsse nun der Mittelweg zwischen rasanter Durchseuchung und strengsten Vermeidungsmaßnahmen gefunden werden, so der Virologe. "Ein kontrolliert schwelendes Geschehen muss man akzeptieren, wenn der Schulbetrieb laufen soll. Man wird nicht jegliche Verbreitung an Schulen unterbinden können, aber möglichst eine unkontrollierte Ausbreitung."

Eine zentrale Rolle spiele bei den Schulen das Erwachsenen-Umfeld. Lehrkräfte und Eltern sollten möglichst zu 100 Prozent geimpft sein, betont Drosten. Impfkampagnen für Eltern an den Schulen seien denkbar. "Natürlich dürfen die Schulen möglichst nicht noch einmal geschlossen werden", so der Virologe.

Ciesek: Schwere Covid-19-Verläufe auch bei Kindern denkbar

Auch Frankfurter Virologin Sandra Ciesek hält es für wichtig, dass sich so viele Erwachsene wie möglich impfen lassen. "Das ist wichtig für den Eigenschutz, aber eben auch, um diejenigen zu schützen, die sich nicht beziehungsweise noch nicht impfen lassen können. Dazu zählen insbesondere auch Kinder", sagt sie der DPA.

Die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt weist darauf hin, dass sich besonders bei der Delta-Variante rasch sehr viele Menschen infizieren können. "Es wird also bei einer tolerierten Ausbreitung des Virus an den Schulen durch die große Anzahl an nicht geimpften Schülerinnen und Schülern fast zwangsläufig auch in dieser Gruppe zu schweren Verläufen kommen."

Kindliches Immunsystem besser auf Sars-CoV-2 vorbereitet

Das kindliche Immunsystem scheint aber prinzipiell besser auf die Attacken von Sars-CoV-2 vorbereitet zu sein als das von Erwachsenen: Die Zellen der oberen Atemwege befinden sich einer Untersuchung zufolge bereits in erhöhter Alarmbereitschaft und können das Virus im Falle einer Infektion schnell bekämpfen, bevor es sich massiv vermehrt. Dies erklärt vermutlich, warum Kinder wesentlich seltener als Erwachsene schwer an Covid-19 erkranken, wie Forschende aus Berlin und Heidelberg jüngst im Fachmagazin "Nature Biotechnology" erklärten.

(raer/mit dpa)