Berlin. Der Druck auf Menschen ohne Corona-Impfung in Deutschland wächst. Doch bei vielen Impfverweigerern dürfte auch das nur wenig helfen.

  • Es werden immer weniger Corona-Impfungen verabreicht
  • Die Politik hat reagiert und hat die 3G-Regel eingeführt
  • Doch wer sind die Ungeimpften?

Für Ungeimpfte brechen ungemütliche Zeiten an. Zuerst wird es lästig – wenn von diesem Montag an bundesweit in vielen Bereichen die Testpflicht für Menschen ohne Impfschutz greift. Ab Mitte Oktober wird es zudem teuer – wenn die Schnelltests kostenpflichtig werden. Und schließlich kann es gefährlich werden – wenn die Inzidenzen weiter steigen und damit das Infektionsrisiko für Ungeimpfte wächst.

Wer sind die Menschen, die das alles hinnehmen? Was wissen wir über die (freiwillig) Ungeimpften? Was ändert sich jetzt für Ungeimpfte?

Corona-Tests werden Pflicht für Ungeimpfte

In einigen Bundesländern gilt bereits die 3G-Regel – bundesweit soll sie an diesem Montag greifen: Ohne vollständigen Impfschutz braucht man künftig in Regionen mit einer Inzidenz über 35 einen frischen Corona-Test unter anderem für Bars und Restaurants, Kinos und Theater, Fitnessstudios und Friseurbesuche.

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Private Betreiber können diese Regeln individuell verschärfen – und mittels einer „2G“-Regel Angebote nur für Geimpfte und Genesene öffnen. In manchen Ländern, etwa Hamburg, gibt es bereits eine Diskussion darüber, ob in einem solchen Fall andere Hygieneauflagen wegfallen können. Für den Fall, dass sich die Infektionslage in den kommenden Wochen verschärfen sollte, ist auch eine bundesweite 2G-Regel nicht ausgeschlossen.

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Eine "Querdenken"-Demo in München. © IMAGO / Alexander Pohl

Corona: Was ist über die Ungeimpften bekannt?

Knapp 60 Prozent der Deutschen sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts vollständig gegen Corona geimpft, die Zahl der Menschen mit immerhin einer Impfung liegt demnach bei knapp 65 Prozent. Nachdem in Umfragen deutlich mehr Menschen angaben, bereits einmal geimpft zu sein, ist allerdings unklar, ob die tatsächliche Quote nicht bereits höher liegt. Mit anderen Worten: Sicher ist, dass höchstens 35 Prozent der Bevölkerung noch komplett ungeimpft sind.

Doch was heißt das für die Impfkampagne? Rund zehn Millionen Menschen in der Gruppe der Ungeimpften können gar nicht geimpft werden – weil sie jünger als zwölf Jahre sind und es noch keinen zugelassenen Impfstoff für sie gibt. Hinzu kommen diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Und die Übrigen? Wer ist Impfgegner, wer bloß Impfskeptiker oder allenfalls Impfmuffel? Wer ist noch erreichbar – und wenn ja, wie?

Fünf Gründe für die Corona-Impfung

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    Eine der wichtigsten Studien zu dieser Frage ist die Cosmo-Langzeitstudie der Universität Erfurt, die unter anderem vom RKI und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung getragen wird. Die jüngsten Daten sind bemerkenswert: Sollten sich alle, die dazu bereit sind, auch tatsächlich impfen lassen, so ergäbe sich aus den Geimpften und den Impfbereiten eine Impfquote unter Erwachsenen zwischen 18 und 74 Jahren von 83 Prozent. Heißt im Umkehrschluss: Knapp 20 Prozent in dieser Gruppe sind eher nicht bereit, sich impfen zu lassen.

    Die wichtigsten Gründe für die Impfverweigerer sind demnach erstens Zweifel an der Sicherheit der Corona-Impfung, zweitens die Annahme, man müsse sich nicht impfen lassen, wenn die anderen das tun, drittens die Annahme, dass Impfen überflüssig sei, und viertens der Eindruck, es gebe praktische Barrieren.

    Zehn Prozent aller Befragten wollen sich laut Studie auf keinen Fall impfen lassen, unter den Ungeimpften macht diese Gruppe in der jüngsten Befragungswelle 41 Prozent aus. Besonders in der Gruppe der älteren Befragten über 60 sind demnach fast alle Impfwilligen bereits geimpft; wer jetzt noch ungeimpft ist, wolle es auch eher nicht, schreiben die Studienautoren.

    Impfung: Bestimmte Bevölkerungsgruppen besser erreichen

    Sind also viele Ungeimpfte für das Projekt Herdenimmunität verloren? „Wir müssen in einer freien Gesellschaft damit leben, dass sich ein gewisser Prozentsatz der Bürgerinnen und Bürger freiwillig gegen eine Impfung entscheidet“, sagt Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.

    Um die Unentschlossenen zu erreichen, müsse jetzt vor allem die Impfkampagne neu aufgestellt werden, so Reinhardt. Gerade in der Altersgruppe der 20- bis 50-Jährigen seien immer noch viele ungeimpft. „Ihnen muss verdeutlicht werden, dass eine Impfung nicht nur für sie persönlich sinnvoll ist, sondern auch ein Zeichen der Solidarität mit denjenigen darstellt, die sich nicht impfen lassen können, wie zum Beispiel Kinder bis zwölf Jahre oder auch Menschen mit bestimmten Erkrankungen.“

    Die Forscher empfehlen, vor allem praktische Barrieren abzubauen und die Impfungen zu den Menschen zu bringen, statt umgekehrt darauf zu warten, dass sie von selbst kommen. Konkret heißt es in der Studie: „Die folgenden Gruppen empfinden besonders Barrieren und werden vom aufsuchenden Impfen profitieren: Jüngere, Männer, Menschen mit Kindern, niedrigerer Bildung, Migrationshintergrund, Menschen, in deren Haushalt eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, Menschen in Ostdeutschland.“

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      Corona: Gibt es im Osten mehr Ungeimpfte?

      Im Osten gibt es mehr Ungeimpfte. Vergleicht man die Impfquoten in den alten und den neuen Bundesländern, wird sichtbar: Der Osten liegt weit zurück. Während in Bremen Ende der Woche 68,7 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft waren, galt das in Sachsen nur für 50,4 Prozent.

      Experten sehen dafür mehrere Gründe: So gebe es etwa in den östlichen Bundesländern weniger Großbetriebe, die über Betriebsimpfungen Tausende Menschen erreichen könnten. Eine Rolle spielt aber auch die politische Stimmungsmache gegen die Impfungen: Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen niedrigen Impfquoten und dem hohen Zuspruch für die AfD in diesen Regionen. Viele AfD-Funktionäre rieten vom Impfen ab.

      Impfen: Wo lassen sich Unentschlossene am besten erreichen?

      Erst bekamen sie keinen Termin, dann kam der Sommerurlaub, jetzt sind sie wieder da: Bei denjenigen, die noch zögern oder das Impfen aus profanen Gründen aufgeschoben haben, können unkomplizierte Angebote helfen.

      „Wenn jetzt die meisten Impfzentren schließen, sollten als Ersatz mehr Pop-up-Impfstellen in den Fußgängerzonen, vor Kirchen und Moschen oder auch Freizeiteinrichtungen geschaffen werden“, so Ärztepräsident Reinhardt. „Wir sollten auch Sportvereine, Kulturvereine und die unterschiedlichen Glaubenseinrichtungen bei der Impfkampagne mit ins Boot holen.“