Berlin. In Deutschland bleibt immer mehr Impfstoff ungenutzt. Die Astrazeneca-Dosen sollen nun gespendet werden. Doch einfach ist das nicht.

Es klingt nach einer guten Idee: Alle Impfdosen, die in Deutschland zum Ladenhüter geworden sind, werden gesammelt und verteilt an Menschen in aller Welt, die darauf warten. Vor allem in Afrika herrscht Impfnotstand. Es sind knapp zwei Prozent der Bevölkerung komplett geimpft, während in wohlhabenden Ländern bereits die dritte Auffrischungsimpfung gespritzt wird. Doch so einfach ist das nicht.

Der Weg des Astrazeneca-Vakzins aus einem Impfstofflager der Bundesregierung zu einer Impfstation – beispielsweise im Sudan – ist lang. Anfang vergangener Woche hat Deutschland die ersten Dosen von Astrazeneca an fünf Länder abgegeben. 213.000 Dosen sollten nach Afghanistan gehen, 100.800 nach Tadschikistan, 355.200 nach Usbekistan, 357.600 in den Sudan und 271.200 nach Äthiopien.

Die Impfstoffe werden verteilt über die internationale Hilfsinitiative Covax, auf der große Hoffnungen ruhen. Covax, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegründet, will mit Unterstützung fast aller Staaten bis Ende des Jahres mindestens zwei Milliarden Impfdosen an ärmere Länder liefern.

Neue Astrazeneca-Lieferungen sollen direkt umgeleitet werden

Aus der Europäischen Union kommen insgesamt 100 Millionen Einheiten bis Jahresende. Deutschland hat zwei Milliarden Euro dafür zugesagt und 30 Millionen Impfdosen, 20 Prozent davon spendet die Bundesregierung bilateral – an Namibia, die Ukraine oder Länder des Westbalkan. 80 Prozent bekommt Covax – die ersten 1,3 Millionen sind nun auf dem Weg, in dieser Woche sollten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums weitere zwei Millionen Dosen Astrazeneca weitergeleitet werden.

Weil sich die deutsche Impfkampagne mittlerweile auf das Vakzin von Biontech konzentriert, werden neue Astrazeneca-Lieferungen, die Deutschland bestellt hatte, nun direkt umgeleitet.

Für die Verteilung in den Entwicklungsländern eignen sich die Vakzine am besten, die unmittelbar vom Hersteller kommen. „Diese Stoffe sind dann am längsten haltbar“, sagt Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen kann sich bei der Logistik auf die Erfahrung stützen, die es bei früheren Impfkampagnen gesammelt hat.

Darum kann der Impfstoff aus den Bundesländern nur schwer weiterverteilt werden

Die Aufgabe sei schwierig, sagt Tar­neden. Das Vakzin sei sehr empfindlich, müsse rasch verimpft werden und die Kühlkette dürfe nicht unterbrochen werden. „Es gibt aber Gegenden auf dieser Welt, wo die Impfstoffe mit Eseln und in Kühlboxen zu den Menschen kommen“, dafür sei die möglichst lange Haltbarkeit der Impfstoffe wichtig, so der Unicef-Sprecher. Auch deshalb nehme Covax nur Vakzine an, die direkt aus dem zen­tralen Impfstofflager des Bundes kommen oder unmittelbar vom Hersteller.

Die Einheiten, die die Bundesländer übrig haben, können deswegen nicht an Covax gehen. Sie gaben gerade erst rund 2,3 Millionen Impfdosen an den Bund zurück. Ist die Kühlkette sichergestellt, werden sie an Drittländer verteilt. Dazu müssen die Stoffe noch mindestens zwei Monate nutzbar sein. Impfzentren in Bayern mussten bereits 53.000 Dosen entsorgen, in anderen Bundesländern liegt die Wegwerfquote unter einem Prozent.

In Oberhausen musste Impfstoff weggeschmissen werden, weil der Bund die Spende der Dosen untersagte. (Symbolfoto)
In Oberhausen musste Impfstoff weggeschmissen werden, weil der Bund die Spende der Dosen untersagte. (Symbolfoto) © imago images/Joerg Boethling | imago stock

Hausarzt ist fassungslos: Bund verbietet Impfstoff-Spende

Auch Impfstoff, der in Arztpraxen übrig bleibt, darf nicht mehr andernorts verwendet werden. Diese Erfahrung machten kürzlich Hausärzte in Oberhausen. Sie warfen enttäuscht die ersten Chargen in den Müll, weil das Haltbarkeitsdatum der Impfstoffe Astrazeneca und Johnson & Johnson abgelaufen war. Eigentlich wollten sie die Dosen einer Partnerklinik im afrikanischen Tansania spenden. Doch sie gehören dem Bund, der das nicht erlaubte.

Der Oberhausener Hausarzt Peter Kaup fasste sich an den Kopf: „In Tansania sterben täglich Menschen an Covid-19, dort gibt es weiterhin keinen einzigen Impfstoff. Und wir werfen Impfstoffe weg, die Menschenleben retten“, sagte er dem Westdeutschen Rundfunk. Rudi Tarneden kennt die Probleme: „Wer haftet, wenn es nach einer Impfung zu Auffälligkeiten kommt?“ Deshalb wollte man sich bei Covax sicher sein, dass die Kühlketten und damit die Kühlung garantiert sind.

Wichtig ist zudem, dass die Vakzine rechtzeitig dorthin kommen, wo die Menschen leben, auch in die abgelegensten Orte. Im Kongo wurden 300.000 Dosen weggeworfen, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten war – es konnte nicht schnell genug geimpft werden.