Istanbul. 2019 reist Gönül Örs in die Türkei, um ihre inhaftierte Mutter im Gefängnis zu besuchen. Örs wird festgenommen, ihr wird unter anderem Terrorpropaganda vorgeworfen. Nun wird das Urteil erwartet.

Im Prozess gegen die in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagte Kölnerin Gönül Örs wird am Donnerstag ein Urteil erwartet.

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft fordert nach Angaben ihrer Anwältin bis zu zwölf Jahre Haft. Aufgrund einer Ausreisesperre darf Örs das Land zurzeit nicht verlassen. Ihr wird Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, Freiheitsberaubung unter Gewaltanwendung oder Täuschung sowie "Entführung oder Beschlagnahmung" von Beförderungsmitteln vorgeworfen.

Hintergrund der Anklage ist eine Protestaktion im Jahr 2012 auf einem Schiff in Köln. Örs wird laut Gerichtsakten vorgeworfen, mit neun weiteren Personen das Schiff besetzt, Banner aufgehangen und PKK-Slogans gerufen zu haben. Sie weist die Vorwürfe zurück. In Deutschland wurden Ermittlungen gegen Örs in dem Fall nach Angaben ihrer Anwältin eingestellt.

Die Kölnerin war im Mai 2019 in die Türkei gereist, um ihre damals inhaftierte Mutter - die Sängerin Hozan Cane (Künstlername) - im Gefängnis zu besuchen. Örs wurde dann selbst festgenommen. Sie saß drei Monate in der Türkei in Untersuchungshaft und stand sechs Monate unter Hausarrest - seit Juni vergangenen Jahres gilt die Ausreisesperre. Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, der das Verfahren seit langem beobachtet, bezeichnete die Anklage und die geforderte Strafe als "absurd". "Sie entbehren jeder Grundlage und sind rein politisch motiviert", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Gönül Örs wird schon zu lange ihrer Freiheit beraubt. Das muss jetzt endlich enden."

Hozan Cane ist ebenfalls in der Türkei unter Terrorvorwürfen angeklagt. Ihr Prozess wird im Juli fortgesetzt.

© dpa-infocom, dpa:210624-99-120981/3