Berlin/Los Angeles. “Ich bin so wütend“: Britney Spears steht immer noch unter der Vormundschaft ihres Vaters. Vor Gericht wehrt sie sich nun dagegen.

In einer 23 Minuten langen, sehr bewegenden Rede hat Britney Spears schwere Vorwürfe gegen ihre Familie und Betreuer erhoben. Der Popstar forderte in einem Gerichtssaal in Los Angeles per Telefon zugeschaltet die Beendigung der vor 13 Jahren eingesetzten Vormundschaft durch ihren Vater Jamie Spears. Er regelt weite Teile ihres Lebens und ihres Vermögens von rund 60 Millionen Dollar.

Die "conservatorship" war 2008 angeordnet worden, weil Spears ("Baby One More Time", "Oops!... I Did It Again" , "Toxic") damals einen Zusammenbruch hatte und an massiven psychischen Problemen litt. Vor Kurzem war bekannt geworden, dass die 39-Jährige hinter den Kulissen bereits mehrfach den Wunsch geäußert hatte, ihr Leben wieder komplett in die eigenen Hände zu nehmen; schließlich trete sie ja als Künstlerin auf.

So persönlich und zutiefst verletzt wie am Mittwoch hatte sich die Sängerin dazu aber in der Öffentlichkeit bisher nie eingelassen. Sie räumte ein, in Mitteilungen in sozialen Medien zuletzt fälschlicherweise gesagt zu habe, es gehe ihr gut. "Das war eine Lüge."

Sängerin will ihr Leben zurück

Spears nahm vor Richterin Brenda Penny im Stanley Mosk-Gerichtsgebäude kein Blatt vor den Mund. Sie bezeichnete die Vormundschaft als missbräuchlich: "Ich will sie beenden, ohne beurteilt zu werden. Ich will ein Leben haben." Spears' Stimme überschlug sich mehrfach, als sie ihr Statement vom Blatt ablas. "Ich bin traumatisiert. Ich bin nicht glücklich, ich kann nicht schlafen. Ich weine jeden Tag. Ich bin so wütend, es ist wahnsinnig." Lesen Sie dazu: Vor Gericht – So kämpft Britney Spears um ihre Freiheit

Spears macht unmissverständlich klar, dass sie sich von ihrer Familie und ihrem Management ausgenutzt und kontrolliert fühle. Der wohl emotionalste Moment: Spears, Mutter zweier Kinder aus der Ehe mit Kevin Federline schilderte, dass sie ihren Freund Sam Asgari heiraten und ein weiteres Kind haben wolle.

Die Vormundschaftsverantwortlichen hätten sich jedoch geweigert, sie zum Arzt gehen zu lassen und die zur Verhütung eingesetzte Spirale zu entfernen. "Mir wurde gesagt, ich kann nicht heiraten oder ein Kind kriegen."

Unter den Ohren ihrer zugeschalteten geschiedenen Eltern, Jamie und Lynne Spears, sowie ihres Anwalts ging der Popstar besonders ihren Vater frontal an, den sie in früheren Jahren noch als Schutzpatron und Garant ihrer künstlerischen und finanziellen Entwicklung bezeichnet hatte. "Nicht nur, dass meine Familie keinen verdammten Handschlag für mich gemacht hat, mein Vater hat alles mitgetragen. Alles, was mit mir passiert ist, musste von meinem Vater abgesegnet werden. Mein Vater hat die Kontrolle, die er über mich hatte, geliebt. Er liebte sie."

Spears kannte ihre Rechte nicht

Vater Spears war in der jüngeren Vergangenheit wegen gesundheitlicher Probleme bereits von gewissen Zuständigkeiten befreit worden. 2019 kam die professionelle Treuhänderin Jodi Montgomery ins Spiel. Ebenso die Firma "Bessemer Trust Co." für den Immobilienbesitz der Multimillionärin. Vivian Lee Thoreen, die Anwältin von Vater Spears, verlas für ihren Mandanten nach der Rede der Hauptperson eine Erklärung. "Es tut ihm leid, seine Tochter leiden zu sehen und so unter Schmerzen. Er liebt seine Tochter und vermisst sie sehr."

Der von 100 Fans aus allen Teilen der USA vor dem Gerichtsgebäude begleitete Termin war zustandegekommen, weil ihr Anwalt Samuel D. Ingham im Frühjahr darum gebeten hatte, dass Spears sich persönlich an das Gericht wenden kann.

Warum dies nicht viel früher geschehen ist, zumal die "New York Times" am Vorabend der Verhandlung meldete, dass Spears sich bereits vor sieben Jahren unzufrieden über ihre Vormundschaftsregelung geäußert hatte, blieb aus Sicht juristischer Beobachter vor Ort teilweise ein Rätsel.

Spears selbst sagte wörtlich, sie habe nicht gewusst, dass sie das Ende ihrer Vormundschaft beantragen kann. "Ich entschuldige mich für meine Unwissenheit, aber ich wusste das nicht." Was sie durchlebt habe, sei "beschämend" und "demoralisierend". Vor allem aus diesem Grund habe sie öffentlich darüber nicht gesprochen. "Ich dachte, mir würde niemand glauben."

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