Washington. Eine einmalige Frau des Showbusiness feiert Geburtstag: Cher wird 75. Ans Aufhören denkt sie aber noch lange nicht – im Gegenteil.

Cher, die ewig Jungerhaltene, dachte früh an später. Schon mit Anfang 50 sicherte sich die Frau, die auf die Frage, wer den nächsten Atomkrieg überlebt, einmal antwortete: „Insekten - und ich”, auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise eine Grabstelle.

Nahe bei Chopin, Bizet, Oscar Wilde und Jim Morrison zu liegen zu kommen, schien der Tochter einer Cherokee-Indianerin und eines armenischen Lkw-Fahrers, der die Welt Hits wie „Gypsies, Tramps and Thieves“ und „If I Could Turn Back Time” verdankt, fürs Jenseits die inspirierendste Perspektive zu sein.

Cher: Oscar-Preisträgerin wird 75

Aber Cherilyn Sarkasian LaPierre denkt nur ans Hier und Jetzt. Die Unverwüstliche, die mit weit über 200 Millionen verkauften Tonträgern, einem Oscar, einem Grammy, einem Emmy, drei Golden Globes und unzähligen weiteren Preisen zu den erfolgreichsten interdisziplinären Entertainerinnen mit Weltgeltung zählt, ist vor ihrem 75. Geburtstag an diesem Donnerstag (20.5.) agiler denn je.

Wer sich davon überzeugen will, tue es den vier Millionen anderen Menschen gleich, die ihr auf Twitter folgen. Dort drückt sich fast täglich eine Frau aus, die hoch engagiert (kontra: Donald Trump und selig über den Wahlsieg Joe Bidens) die politische Tagesordnung von Flüchtlings-Elend an der mexikanischen Grenze bis Polizeibrutalität kommentiert. Die es nicht erwarten kann, in der Post-Corona-Zeit weiter mit ihrem 26. Studio-Album ( „Dancing Queen”) auf Tournee zu gehen und so den schwedischen Pop-Göttern von Abba zu huldigen.

Und die sich auf die Veröffentlichung eines Dokumentarfilms freut, in dem ihr vierjähriges Engagement für die vor wenigen Monaten erfolgte Freilassung des 36 Jahre alten und bis dato sehr einsamen Elefanten „Kaavan” aus einem Zoo im pakistanischen Islamabad festgehalten ist.

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Mit "I Got You, Babe" wurde Cher berühmt – mit Sonny unglücklich

Alles fing an 1965. Da sang sie gemeinsam mit dem aufbrausenden Hilfsarbeiter Salvatore Bono „I Got You, Babe“. Das unschuldige Hippie-Lied katapultierte das Duo „Sonny and Cher“ in den Olymp. Dass dem späteren Gatten oft die Hand ausrutschte, wenn das Scheinwerferlicht abgeschaltet war, wusste lange Zeit niemand. 1974 ging die Ehe auseinander. Ebenso danach der Lebensbund mit dem Rockmusiker Gregg Allman. Geblieben sind zwei Kinder. Tochter Chastity lebt nach einer Geschlechtsumwandlung als Chaz. Elijah Blue, aus der Verbindung mit Allman, ist Musiker geworden.

Cher zog aus diesen Schiffbrüchen die Lehre, dass Frauen sich am besten einfach nehmen, was sie wollen. Und Cher nahm sich vieles. Warren Beatty, Eric Clapton, David Geffen, Richie Sambora und Tom Cruise zum Beispiel. Ihr ganz eigener Feminismus ließ sich in dem Satz bündeln, den Cher ihrer Entourage auf den Weg gegeben haben soll, wenn sie früher bei Konzerten vor der Bühne einen ansehnlichen Jüngling erspähte: „Wascht ihn und bringt ihn in mein Zelt!“.

Cher schert sich nicht um Kritik an ihren Schöhnheitsoperationen

Ihre Selbständigkeit ging ins Körperliche. Cher verfügte nach eigenen Maßstäben früh über ihre Schönheit. Seit Jahrzehnten lässt sie nacharbeiten, was (ihr) zu faltig ist oder der Schwerkraft Tribut zollt. Die Korrekturen zwischen Hals und Hintern summieren sich zu einem Denkmal gegen die Vergänglichkeit. Wer die herbei operierte Makellosigkeit bespöttelte, bekam den schönen Satz ab: „Und wenn ich mir meine Brüste auf den Rücken machen lasse, so ist das meine Sache."

Dass sich Cher mit jeder Operation ein Stück der tief sitzenden Angst wegschneiden ließ, irgendwann in Armut und Beutungslosigkeit zu verschwinden, war ihr Geheimnis. Selbstoptimierung als Therapie.

In der 80er Jahren bewies Cher es ihren vielen Kritikern erneut. Ob als Kernkraftwerk-Arbeiterin in „Silkwood“ oder als Mutter in „Die Maske“ - die Film-Kamera liebte sie. 1988 hatte sie mit „Mondsüchtig“ eine Sternstunde. Wie sie als Buchhalterin Loretta Castorini den verknitterten Pizzabäcker Ronny Cammareri (Nicholas Cage) zum Leben und Lieben erweckte, das war große Kunst. Und einen Oscar wert.

Cher wird zur Ikone der LGBT-Bewegung

Dass Cher in den späten 90ern zur Musik zurückfand, ist ein Kapitel für sich. Hits wie „Believe“ und „Strong Enough“, die ihre Fan-Gemeinde von der Teenie-Fraktion bis zu Schwulen und Lesben erweiterte, lieferte sie im Alter von 50 und aufwärts ab. Seither haben Chronisten aufgehört zu zählen, wie viele Abschiedstourneen die eingefleischte Demokratin gegeben hat. Mit bald 75 plant Cher gerade ihre nächsten Konzerte.

Vor dem Tod hat sie wie ihre Großmutter keine Angst. Zwei Wochen vor Ableben bestand die alte Dame darauf, eine Pediküre zu bekommen. „Die Frauen in unserer Familie“, sagt Cher, „wollen eben mit schönen Füßen in den Himmel.“