Berlin. Eigentlich sieht alles ja ganz einfach aus: In wenigen Minuten wird mit dem richtigen Tutorial aus einem Haufen Holz ein “Do-it-yourself“-Traum. Doch allzu übermütige Neulinge sollten aufpassen.

In zwölf Minuten verschwinden Dübel in vorgebohrten Wandlöchern, Bretter werden geschliffen, gestrichen und reihen sich dann magisch an der Wand aneinander: Fertig ist das Headboard der Marke Eigenbau.

So oder so ähnlich sehen viele der Heimwerker-Videos aus, die Youtuberinnen wie Jelena Weber, Elisa Kopp alias "Die Frickelbude" oder Sari Hansen von "Saris Garage" unter dem Banner des "DIY" ("Do it yourself") ins Netz stellen. Zusätzlich gibt es meist noch Design-Ideen und Umsetzungstipps. Dass die in den kurzen Videos gezeigte Arbeit auch die Profis wohl in der Realität einen Tag beschäftigt haben dürfte, sollte allen Zuschauerinnen und Zuschauern dabei klar sein.

Davon ließen sich viele Deutsche im vergangenen Jahr jedoch nicht abschrecken. Da sie trotz Corona-Beschränkungen in der ersten Welle öffnen durften, stiegen die Umsätze der Baumärkte laut Branchenangaben um satte 14 Prozent. Laut Obi-Geschäftsführer Franz-Peter Tepaß wurden nicht nur kleine Verschönerungen durchgeführt. Ob ein eigenes Fitnessstudio, ein privates Spa oder eine Outdoor-Küche: Der während der Pandemie stark verkleinerte Freizeit-Radius wurde so gut es ging aufgehübscht.

Doch auch wenn Frickelbude & Co das eine oder andere warnende Wort einflechten, falls DIY-Videos der erste Kontakt zum Handwerk sind, kann auch schnell mal was daneben gehen. Statt in der heimischen Sauna landet man dann unter Umständen in der Notaufnahme. Das legt zumindest der Unfallmediziner Michael J. Raschke nahe. "Viele informieren sich in Youtube-Videos. Diese erzeugen den Eindruck, dass Handwerken ohne Vorwissen für jeden machbar ist, doch die Umsetzung endet oft mit Verletzungen. Wir sehen jetzt etwa ein Drittel mehr Handwerkerverletzungen in der Notaufnahme", berichtet der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie aus den Erfahrungen der vergangenen Monate in seiner Klinik in Münster.

Am Klinikum rechts der Isar in München bestätigt man den Eindruck, dass die Zahl der verletzten Heimwerker, die in der Notaufnahme ankommen, zugenommen hat. Verallgemeinern sollte man die Situation der Kliniken dennoch nicht. Dazu das Kölner Uniklinikum: "Wir können nicht bestätigen, dass es mehr Heimwerker-Unfälle gibt."

Aus der DIY-Szene will sich auf Anhieb niemand zu dem Thema äußern. Am Ende muss jeder selbst wissen, ob man sich die Herausforderung zutraut, oder ob man doch lieber eine Fachfrau oder einen Fachmann ranlässt und dafür ein paar Euro draufzahlt. Handelt es sich um ein größeres Projekt, könnte sich die Investition lohnen.

Angesägte Finger, Quetschungen mit dem Hammer, ein mit der Bohrmaschine verdrehtes Handgelenk - beim Heimwerken könne man sich auf unterschiedlichste Weise verletzten, sagt Unfallchirurg Thomas Brockamp. Vor allem wenn Nerven in Mitleidenschaft gezogen werden, unbehandelte Wunden sich infizieren oder tieferliegende Verletzungen länger unerkannt bleiben, wird es laut dem Leiter einer Münsteraner Praxis für Handchirurgie kritisch.

Dabei muss es auch gar nicht am Können der Hobby-Handwerkerinnen und Handwerker liegen, dass es zu Unfällen kommt. Blickt man in die Statistik, so gehört laut Hochrechnungen des Statistischen Bundesamts ein Viertel der Wohnimmobilien in Deutschland zum Altbau, sind also vor 1949 gebaut worden. Weitere 40 Prozent wurden laut den vom Bundesamt im Jahr 2018 gesammelten Selbstauskünften im Bauboom der Nachkriegszeit errichtet. Hier waren die Materialien oft knapp und mancher Standard noch nicht gesetzt.

Wer in solch einer Immobilie lebt, auf den können allerlei Überraschungen lauern: Damit aus dem Bohrloch für den Bilderrahmen nicht plötzlich das Wasser strömt oder gar Strom fließt, lohnt sich der Griff zu Stromprüfern und anderen Messgeräten.

Besonders beim Sägen empfiehlt Präventionsexperte Brockamp spezielle Schutzhandschuhe, da handelsübliche Modelle schnell auch mal ins Kettenblatt gezogen werden. Besondere Vorsicht gelte, wenn man eine Maschine nicht gut kennt, sie vom Nachbarn oder im Baumarkt geliehen hat. Und passiert doch etwas, dann empfiehlt der Mediziner auch vermeintlich harmlose Unfälle vorsorglich abklären zu lassen.

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