Berlin. Laut Drosten reicht die Notbremse nicht aus, um die Corona-Zahlen zu senken. Zu Schnelltests und Astrazeneca hat er eine klare Meinung.

  • Christian Drosten hat in seinem neuen Corona-Podcast die Schnelltests als zu unsicher bezeichnet
  • Nach Einschätzung des Virologen erkennen die Tests viel zu häufig keine Corona-Infektion
  • Zudem sprach der Virologe über die Astrazeneca-Impfung

Die Bundesregierung will wegen der sich zuspitzenden Corona-Lage die Notbremse ziehen. Allerdings nur in Kreisen und kreisfreien Städten, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz bei mindestens 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liegt. Davon hält der Virologe und Corona-Experte Christian Drosten nicht viel.

Christian Drosten: Zweifel an Wirksamkeit der Notbremse

Die bundeseinheitliche Notbremse sei nicht ausreichend, um die angespannte Lage in den Kliniken zu entschärfen, erklärte Drosten in seinem NDR-Podcast "Coronavirus-Update". "Ich erwarte nicht, dass man damit die Situation in der Intensivmedizin kontrollieren kann", so der Virologe. Drosten befürchtet, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen bald stetig zwischen 20.000 und 30.000 liegen wird.

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    Ein verschärftes Infektionsschutzgesetz würde die Ausbreitung des Coronavirus nicht so eindämmen, wie es derzeit nötig wäre: "Ich denke, dass man da in allernächster Zeit nochmal anders reagieren muss." Die Situation in den Krankenhäusern, gerade auf den Intensivstationen, sei derzeit besonders schwierig. Das liege auch an einem "massiven Mangel an Pflegepersonal".

    Corona-Schnelltests haben laut Drosten eine deutliche Schwäche

    Immerhin: Dass Unternehmen künftig ihre Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice arbeiten könnten, verpflichtend testen müssten, sei ein Fortschritt. Nur eine Testung pro Woche sei aber fast zu wenig, meint der Virologe. Es sei aber wichtig, dass sich hier überhaupt etwas tue. Lesen Sie auch: US-Behörden raten zu Stopp bei Impfung mit Johnson & Johnson

    Problematisch sei es allerdings, die Schnelltests als komplette Absicherung für Öffnungen zu sehen. Denn die relativ unkomplizierten Antigen-Schnelltests haben laut Drosten eine deutliche Schwäche: Anders als PCR-Tests könnten sie eine Corona-Infektion zu oft selbst in der hochansteckenden Phase zu Beginn einer Erkrankung nicht nachweisen. Hierzu gebe es immer mehr Berichte aus Diagnose-Laboren.

    Drosten warnt vor trügerischer Sicherheit durch Schnelltests

    "Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Beginn der Symptome an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös", erklärt Drosten. Gehe man, wie aktuelle Untersuchungen nahelegen, davon aus, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist würde das bedeuten: "An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Schnelltest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen." Studien zu diesen Beobachtungen seien in den kommenden Monaten zu erwarten. Auch interessant: Corona-Impfung: Das müssen Arbeitnehmer jetzt wissen

    Wegen dieses Effekts sei es geradezu gefährlich, den Einlass zu Theaterdarbietungen, Restaurants oder Konzerten an das Ergebnis eines Schnelltests zu koppeln. Wenn der Test trotz Infektion nicht anschlägt, könnten sich Menschen zu unrecht in Sicherheit wähnen – und sich so auch verhalten. "Es ist nicht so simpel, wie es in der Politik dargestellt wird, nach dem Motto: Jetzt kann alles öffnen, weil wir ja die Schnelltests haben“, so Drosten.

    Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, schaut sich im Labor Proben an.
    Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, schaut sich im Labor Proben an. © Christophe Gateau/dpa | Christophe Gateau/dpa

    Corona-Tests in Schulen trotzdem sinnvoll – wenn oft genug durchgeführt

    Weil bei Schnelltests zwischen 40 und 60 Prozent der Infektionen übersehen werden, entstehe laut Christian Drosten eine "Lücke" durch die sich das Coronavirus trotz breiter Teststrategie weiter verbreiten könne. Lesen Sie auch: Drosten und andere Forscher schlagen wegen Corona Alarm.

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      Am Mittwoch nahm Drosten auf Twitter zur Frage eines Nutzers noch einmal Stellung. Der Nutzer zeigte sich geschockt über die Podcast-Äußerungen des Virologen zu den Schnelltests. "Wenn wir wissen, dass 40-50 Prozent der Infektionen durch Pre- und Asymptomatische verursacht werden und diese gleichzeitig aber nicht durch Schnelltests erkannt werden, dann sind die Tests für die jetzige Nutzung der Öffnungskonzepte doch völlig ungeeignet." Er frage sich, ob die Tests in der jetzigen Anwendung dann nicht mehr schaden als nützen würden.

      Drosten: "Perfekte Kontrolle" nicht möglich

      Drosten schrieb dazu, dass eine "perfekte Kontrolle" weder möglich noch nötig sei. "Wenn die Hälfte der 40 Prozent präsymptomatischen Übertragungen verhindert wird, aber alle symptomatischen, hat man immer noch den größten Teil verhindert", schrieb er.

      Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité macht in seinem Podcast aber auch klar: In Schulen sei der Einsatz von Antigen-Schnelltests trotz dieser Vorbehalte angebracht – wenn die Schülerinnen und Schüler mindestens zweimal in der Woche getestet werden. "Selbst wenn bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen werden die Infektionen dann nachgewiesen", meint der Virologe. Durch dieses engmaschige Vorgehen beim Testen in Schulen könne die "Lücke" wohl möglichst klein gehalten werden.

      Bei Astrazeneca wird Drosten deutlich

      Als "ganz schlechte Entwicklung" bezeichnete Drosten wählerisches Verhalten von über 60-Jährigen in Bundesländern, in denen man sich den Corona-Impfstoff aussuchen kann. Manche dieser älteren Menschen wollten nun nicht mit Astrazeneca geimpft werden und warteten lieber ab, bis sie das Präparat von Biontech/Pfizer bekommen könnten.

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        "Da muss man wirklich sagen, dann nimmt man im Juni einem Jüngeren die Impfung weg. Und das ist wirklich nicht in Ordnung", sagte der Virologe. "Ich finde es nicht gut, wenn Ältere jetzt an dieser Stelle wählerisch sind." Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Astrazeneca mittlerweile für Menschen ab 60. Hintergrund sind seltene Fälle von Blutgerinnseln in Hirnvenen jüngerer Menschen.

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        (bml/dpa)