Hamburg. Philip Oprong Spenner ist Lehrer in Hamburg – und wurde verdächtigt, in die Schule eingebrochen zu sein, in der er arbeitet.

Sonntagabend, 18.30 Uhr: Dass sich um diese Uhrzeit jemand in einem Schulgebäude aufhält, ist eher auffällig – zumal, wenn es, wie die 14 Jahre alte Anruferin es laut Polizei beschreibt, "eine schwarz maskierte Person" ist. Lehrer haben schließlich vormittags recht und nachmittags frei, oder?

Nicht immer. Die Person, die am 22. November 2020 in einem Klassenzimmer der Stadtteilschule am Heidberg in Hamburg steht, ist nicht schwarz maskiert – sie ist schwarz. Philip Oprong Spenner ist Lehrer an der Schule im Hamburger Stadtteil Langenhorn, wird später einen Brief an die Polizei schreiben – und sich schließlich, weil die nicht reagiert, an die Medien wenden. Verbittert sei er trotzdem nicht, das sei ihm wichtig, sagt Spenner: "Polizei heißt für mich: dein Freund und Helfer und nicht dein Feind und Peiniger."

Verdacht auf Einbruch: Polizei geht "taktisch" vor

Während Spenner am 22. November in seinem Klassenraum Arbeitsblätter für den kommenden Schultag verteilt, wartet die Anruferin auf das Eintreffen der Polizisten. Als die da sind, sind es nicht nur zwei oder drei Beamte, sondern gleich fünf Streifenwagenbesatzungen. Warum so viele? "Da der Verdacht bestand, dass sich ein oder mehrere Einbrecher in dem Schulgebäude befände(n), welches auf dem sehr großen und unübersichtlichen Komplex des Geländes der Stadtteilschule und des Gymnasiums steht", erklärt Polizeisprecher Holger Vehren. Lesen Sie auch: Rassismus in der Polizei: Studie liefert eindeutige Hinweise

Die Teenagerin schildert den Beamten erneut, dass sie eine "schwarz maskierte Person" in der Schule gesehen habe, sagt Vehren. "Ich hatte nicht einmal eine Maske auf", entgegnet Spenner. Er sei schließlich allein in dem Gebäude gewesen, da sei das trotz Corona wohl überflüssig. Die Beamten gehen von einem maskierten Einbrecher aus, als sie das Gebäude betreten und bewegen sich "entsprechend taktisch" auf ihrem Weg durch die Schule, wie Vehren erklärt.

Polizisten mit gezogenen Waffen und viele Fragen

Das heißt für den verdutzten Lehrer, dass er sich an seinem Arbeitsplatz auf einmal Polizisten gegenüber sieht, die mit gezogenen Waffen auf ihn zu kommen. Er behält trotzdem einen kühlen Kopf, sagt Spenner: "Ich habe ganz höflich mit ihnen geredet." Auch interessant: Rechtsextremes Netzwerk bei NRW-Polizei aufgedeckt

"Herr Spenner gab an, Lehrer an der Schule zu sein. Dies konnten wir über gezielte Nachfragen und das Einsehen seines Ausweises mit ihm klären", so Vehren weiter. Eine besonders für den Befragten unangenehme Situation: Spenner weiß schließlich, dass er dort sein darf, nichts falsch gemacht hat. Für die Polizisten normales Vorgehen: Sie müssen überprüfen, ob das, was der ihnen unbekannte Mensch erzählt, tatsächlich zutrifft.

"Ein kurzes 'Sorry' hätte schon gereicht"

Nachdem klar war, dass Philip Oprong Spenner tatsächlich ist, wer er nun einmal ist, war der Einsatz aus Sicht der Polizei beendet – aber nicht aus der Sicht des Lehrers, der an seinem Arbeitsplatz überprüft wurde, sich ausweisen musste, sogar unter Verdacht stand, ein Einbrecher zu sein. "Ein kurzes ‘Sorry’ hätte schon gereicht, das hätte alles anders gemacht", sagt Spenner. Das bleibt aus, also schreibt er einen Brief an die Beschwerdestelle der Polizei, "damit sie mir erklären, was sie dazu berechtigt hat, so zu handeln, wie sie gehandelt haben". Lesen Sie auch: Bericht: Hessische Polizeischüler unter Rassismus-Verdacht

Nach zwei Monaten, in denen er abgesehen von einem Schreiben, in dem er gebeten wird, sich "bis auf weiteres" zu gedulden, keine Reaktion bekommt, wendet er sich an die Medien. Nun geht auf einmal alles ganz schnell: "Sie glauben gar nicht, wie oft die Polizei bei mir angerufen hat. Sie hat sich mittlerweile entschuldigt, und ich nehme die Entschuldigung an." Dass Spenner zwei Monate auf eine Antwort warten musste, "bedauern wir, hängt aber auch ein bisschen damit zusammen, dass die Schule coronabedingt seitdem geschlossen war", sagt Vehren. Intern werde die "fehlende zeitnahe Kontaktaufnahme nachbereitet".

Polizei und Lehrer verteidigen 14-jährige Hinweisgeberin

Nachdem die "Hamburger Morgenpost" den Fall aus der Sicht Spenners berichtet hatte, verteilte sich der Artikel schnell bei Twitter und Facebook – der Tenor vielerorts: Der Einsatz sei ein Fall von "racial profiling", rassistisch motivierten Kontrollen durch die Polizei. Auch die Hinweisgeberin wird online beschimpft, als "Rassistin", weil im ursprünglichen Artikel von einem "schwarzen maskierten Mann" die Rede ist, was den Eindruck erweckt, sie habe die Polizei nur deshalb alarmiert, weil sie einen Schwarzen und nicht eine blonde Kollegin, die laut Spenner nur eine halbe Stunde vor ihm in der Schule gearbeitet habe, gesehen hat. Unbekannt ist aber, ob das Mädchen da überhaupt schon auf dem Schulhof war. Auch interessant: Rechte Propaganda in WhatsApp-Chats – Justizbeamte im Visier

Die Hamburger Polizei und Spenner stellen sich vor die 14-Jährige: Es sei "richtig und wichtig, dass verdächtige Beobachtungen von Zeugen sofort über den Notruf gemeldet werden. Die Zeugin hat aus unserer Sicht alles richtig gemacht", sagt Vehren. Und Spenner ergänzt: "Es kann nicht sein, dass das Mädchen so viel Hass dafür erntet, dass es versucht hat, Zivilcourage zu beweisen. Ich sehe die 14-Jährige als Opfer. Sie muss geschützt und gestärkt werden." Er habe nicht gewusst, dass ein Mädchen im Alter seiner Schüler den Einsatz ausgelöst hatte, sonst hätte er anders gehandelt.

Auch am Vorgehen der Einsatzkräfte gebe es "aus unserer Sicht nichts zu beanstanden", meint Polizeisprecher Vehren. Da gehen die Ansichten allerdings auseinander: Es sei "menschliches Versagen mit im Spiel gewesen", sagt Spenner, auch wenn er "Teile des Einsatzes nicht grundsätzlich in Frage stellen" will. Geärgert hat ihn, das kann man auch zwei Monate später noch hören, nicht nur die fehlende Entschuldigung, sondern auch mindestens eine der vielen Fragen: Die danach, wie lange er schon in Deutschland ist. Lesen Sie auch: NRW und Berlin: Rechtsextremismus-Verdacht in zwei Behörden

Lehrer Spenner: "Ich bin pro Polizei"

Am Ende bleibt ein Lehrer, der immer wieder Rassismus erfahren hat, immer wieder auch unangenehme Begegnungen mit der Polizei hatte. Und der trotzdem von sich sagt: "Ich bin pro Polizei." Es gehe ihm nicht um sich selbst: "Es geht um viel mehr. Es geht um Opfer alltäglicher Ungleichbehandlung", betont Spenner. Darum, Menschen für diese Ungerechtigkeiten zu sensibilisieren, sie zu diskutieren und schließlich zu beseitigen.

Spenner, der immer wieder für Ruhe und für Sachlichkeit in der Diskussion um eine vielfältige, gerechte Gesellschaft wirbt, wurde von der hochgradig emotionalen und teils irrationalen Welle, die seine Schilderung in sozialen Medien ausgelöst hat, nun überrascht. Auch interessant: Seehofer plant Studie zu Rassismus – ohne Fokus auf Polizei

Auf der anderen Seite steht die Hamburger Polizei, die zu einem vermeintlichen Einbruch gerufen wurde, ihren Dienst nach Vorschrift verrichtet hat – die aber den Hinweis darauf, dass sie nicht automatisch immer alles richtig macht, ihr Vorgehen manchmal für Außenstehende erklärungsbedürftig ist und für zu Unrecht Verdächtigte belastend, mindestens verschlampt hat.