Delhi. 250 Millionen Menschen beteiligten sich in Indien am wohl größten Streik aller Zeiten. Zehn Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen.

Es ist vermutlich der größte Streik der Menschheitsgeschichte. Letzte Woche gingen in Indien nach Angaben des indischen Nachrichtenportals Newsclick.in mehr als 250 Millionen Menschen auf die Straßen, um sich gegen Gesetzesinitiativen der hindu-nationalistischen Regierung des Ministerpräsidenten Narendra Modi zu wehren.

Demonstrationen für höheren Mindestlohn und Arbeitnehmerrechte

In ihrem 12-Punkte-Programm fordern die Demonstrierenden einen Mindestlohn von 15.000 Rupien (168 Euro) pro Monat, sowie die strikte Einhaltung aller Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Zur Unterstützung der Ärmsten fordern die Streikenden außerdem eine Grundzahlung von 7.500 Rupien (ca. 84 Euro) für Arbeitslose, eine allgemeine Sozialversicherung und die Rücknahme von Gesetzen, die sowohl die Rechte von Bäuerinnen und Bauern, aber auch die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschneiden.

Indien: Kommunistische Parteien riefen zu Generalstreik auf

Zehn Gewerkschaftsverbände hatten zu dem landesweiten Streik aufgerufen – die aufrufenden Organisationen sind eng mit den beiden größten marxistischen bzw. kommunistischen Parteien in Indien verbandelt, die traditionell in den südlichen Bundesstaaten des Subkontinents eine breite Basis an Wählerinnen und Wählern hinter sich versammeln.

Dort lag auch das Epizentrum des Streiks. In Telangana und Puducherry stand das öffentliche Leben für einen Tag komplett still, im kommunistisch regierten Kerala fuhren noch nicht einmal öffentliche Verkehrsmittel. Dort regiert die stalinistische Partei BPM, die ebenfalls zum Generalstreik aufgerufen hatte. Das zeigte Wirkung: Von den 4.500 Angestellten der regionalen Verwaltung Keralas seien am Streiktag nur 17 zur Arbeit erschienen, berichtet die Tageszeitung „The New Indian Express“ .

In Kalkutta blockierten die Streikenden das gesamte öffentliche Leben – und machten auch vor Bahnschienen nicht halt.
In Kalkutta blockierten die Streikenden das gesamte öffentliche Leben – und machten auch vor Bahnschienen nicht halt. © dpa | Bikas Das

Streikenden in Delhi drängen Polizei zurück

Auch in der Hauptstadt Delhi versammelten sich zahlreiche Menschen. Zwischen 250 und 300 Kleinbauernverbände hatten laut Berichten des indischen Nachrichtensenders „New Delhi Television“ (NDTV) zu einem „Bauernmarsch“ auf die Hauptstadt aufgerufen. Die indische Regierung reagierte in aller Härte auf die Ankündigung: Alle Autobahnen, die nach Delhi hinführen, sollten polizeilich abgeriegelt werden.

Davon ließen sich die Streikenden jedoch nicht abbringen – alle acht Autobahnen um Delhi wurden im Laufe des Streiks besetzt. Die Polizei versuchte mit Wasserwerfern und Tränengas die Demonstrationen zurückzudrängen. Gegen die schiere Maße an Menschen war sie jedoch machtlos und musste schließlich den Weg ins Stadtzentrum freigeben, berichtet der Fernsehsender NDTV.

Seit Jahren gibt es Streiks gegen die Regierung

In Indien protestieren viele Menschen seit Jahren gegen die wirtschaftsliberale, hindu-nationalistische Regierung von Premierminister Narendra Modi. Schon im Januar 2020 gingen nach Medienangaben der „Economic Times“ etwa 200 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter gegen die Einsparungen der Regierung auf die Straße oder blockierten das öffentliche Leben.

Die hohen Teilnehmendenzahlen bei den Generalstreiks erklären sich unter anderem durch die schwache parlamentarische Opposition . Die Regierung kann nahezu ungehindert durchregieren. Somit scheinen auch in Zukunft Berichte über gigantische Massen von Streikenden wahrscheinlich. Dazu kommt, dass Indien in diesem Jahr sowohl von der Corona-Pandemie, als auch von Naturkatastrophen getroffen wurde, wodurch sich die Lebensumstände der Menschen weiter verschlechtert haben.