Paris. Die Polizei hat nach dem tödlichen Angriff in Nizza einen Verdächtigen festgenommen. Er soll Kontakt mit dem Angreifer gehabt haben.

Die Behörden in Frankreich haben einen 47-Jährigen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, mit dem Angreifer von Nizza am Vorabend des Attentats Kontakt gehabt zu haben. Dies bestätigte die französische Justiz gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur am Freitag in Paris.

Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard hatte am Donnerstagabend angekündigt, dass Ermittlungen zu etwaigen Unterstützern des Angreifers laufen. Der von Polizisten schwer verletzte Angreifer kam in ein Krankenhaus und schwebt in Lebensgefahr.

Messerattacke in Nizza: Angreifer tötet drei Menschen

Dem Mann wird ein schweres Attentat mit drei Toten vorgeworfen. Die Tat am Donnerstag hatte Fassungslosigkeit und Entsetzen ausgelöst. Um 9 Uhr am Donnerstagmorgen hatte ein Mann in der Basilika Notre-Dame von Nizza die dort versammelten Gläubigen mit einem Messer angegriffen, dem Hausmeister der Kathedrale und einer 70-jährigen Frau die Kehle durchgeschnitten und mehreren weiteren Personen zum Teil schwere Stichwunden zugefügt.

Beim Verlassen der Kathedrale hatte er anschließend auf deren Vorplatz eine weitere Frau niedergestochen, die sich in ein gegenüberliegendes Café flüchten konnte, bevor sie vor den schreckgeweiteten Augen der Gäste verstarb. Der Täter konnte zehn Minuten später keine zweihundert Meter von der Basilika entfernt von der umgehend herbeigerufenen Polizei gestellt werden. Er soll versucht haben, sich auf die Ordnungshüter zu stürzen und wurde mit vier Schüssen niedergestreckt.

Bürgermeister von Nizza vermutet islamistisches Motiv

„Allahu Akbar“ (Allah ist groß) soll er mehrmals gerufen haben, als ihm vor Ort und vor seiner Einlieferung in ein Krankenhaus erste Hilfe geleistet wurde. Die Umstände der Bluttat haben dazu geführt, dass die für terroristische Anschläge landesweit zuständige Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen sofort an sich zog. Nizzas umgehend zur Basilika Notre-Dame geeilter Bürgermeisters Christian Estrosi hatte schwer erschüttert beklagt, dass „unsere Stadt“ erneut zur Zielscheibe des „Islamo-Faschismus“ geworden ist.

Nach dpa-Informationen handelt es sich bei dem mutmaßlichen Angreifer um einen Mann, der 1999 in Tunesien geboren ist. Der konservative französische Abgeordnete aus dem Département Alpes-Maritimes, in dem auch Nizza liegt, Éric Ciotti, machte am Donnerstag weitere Angaben: So sei der mutmaßliche Täter über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa eingereist, schrieb er bei Twitter. Auch die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass der Mann auf Lampedusa mit anderen Migranten in die EU eingereist und auf der Insel registriert worden sei. Laut Anti-Terror-Staatsanwalt Ricard wird aktuell ermittelt wie der Mann nach Südfrankreich kam.

Zudem haben auch die tunesischen Behörden Ermittlungen aufgenommen. Gemäß dem Recht des Landes werde jeder Tunesier strafrechtlich verfolgt, der in Terrorakte verstrickt sei, egal ob im Inland oder Ausland, sagte ein tunesischer Justizsprecher am Donnerstagabend. Die tunesischen Ermittler untersuchen nun ob der Täter Komplizen in seinem mutmaßlichen Heimatland hatte.

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Angriff in Nizza weckt Erinnerungen an Anschlag von 2016

Die Messerattacke weckte sofort schlimmste Erinnerungen an jenen fürchterlichen Anschlag vom 14. Juli 2016 wachgerufen, als ein Islamist mit einem schweren Lastwagen durch die Menge auf der Uferpromenade der südfranzösischen Küstenstadt pflügte, 84 Menschen tötete und Hunderte verletzte. In Paris verlässt Regierungschef Jean Castex eine Parlamentsdebatte über den heute um Mitternacht beginnenden Lockdown, um an einer Krisensitzung mit Staatspräsident Emmanuel Macron im Innenministerium teilzunehmen.

Macron machte sich nach der Sitzung, bei der die Anhebung des wegen der Terrorbedrohung bereits landesweit geltenden Alarmzustands auf die höchste Stufe angeordnet wurde, auf den Weg nach Nizza. Dort dankte das Staatsoberhaupt Polizisten und Rettungskräften für ihren „raschen, umsichtigen und entschlossen Einsatz“.

Nach einem Messerangriff in der südfranzösischen Küstenstadt Nizza ist die Gegend um die Kirche Notre-Dame (hinten) weiträumig abgesperrt.
Nach einem Messerangriff in der südfranzösischen Küstenstadt Nizza ist die Gegend um die Kirche Notre-Dame (hinten) weiträumig abgesperrt. © dpa | Tom Vannier

Schon anlässlich der Ermordung von Samuel Paty, der seinen Schülern Mohammed-Karikaturen in einer Unterrichtsstunde über die Meinungsfreiheit gezeigt hatte, rief Innenminister Gérard Darmanin den Franzosen in Erinnerung, dass die Bedrohungslage nach wie vor „erheblich“ sei und dass seine Dienste seit dem Beginn des Jahres rund acht Anschläge vereitelt haben.

Doch seit Macrons Äußerungen bei der Trauerfeier für den getöteten Lehrer ist das Klima noch angespannter. Der Präsident nämlich hatte betont, dass Frankreich die Meinungsfreiheit weiter hochzuhalten gedenke und dies die Veröffentlichung oder das Zeigen von Mohammed-Karikaturen einschließe. In einer ganzen Reihe von muslimischen Ländern kam es daraufhin zu Boykottaufrufen und zu Drohungen gegen Frankreich.

Türkischer Präsident Erdogan bezeichnet Macron als Feind des Islams

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Macron sogar als einen Feind des Islams und zog dessen geistige Zurechnungsfähigkeit in Zweifel. Es kommt hinzu, dass Paris durchgreift. Einer Verhaftungswelle im Milieu der Salafisten folgte die Einleitung von rund 80 Ermittlungsverfahren gegen Hetzer im Internet.

Außerdem wurde eine Moschee bei Paris für sechs Monate geschlossen, weil deren Imam ein Paty als „Schuft“ und „Frevler“ beleidigendes Video weitergeleitet hatte, und zwei muslimische Vereinigungen aufgelöst, der die Nähe zu islamistischen Kreisen vorgeworfen wird. Noch bevor die Regierung gestern den Terroralarm erhöhte, kam es zu zwei weiteren Attacken. In dem Ort Montfavet unweit von Avignon bedrohte ein mit einem Metzgermesser bewaffneter Mann mehrere Passanten, bevor er von der Polizei erschossen wurde.

Entsetzen und Wut über Mord an Lehrer bei Paris

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    Beinahe zeitgleich wird im saudi-arabischen Dschidda ein Wachtposten vor dem französischen Generalkonsulat durch eine Messerattacke schwer verletzt. Der Täter, ein Saudi, wurde festgenommen, während sein Opfer mittlerweile nicht mehr in Lebensgefahr schweben soll. Der Rektor der Moschee von Paris und der muslimische Dachverband CFCM haben genauso wie ein Dutzend Imame in Frankreich sowohl den Mord an Samuel Paty als auch den Anschlag in Nizza aufs Schärfste verurteilt.

    Doch „auf die gemäßigten Stimmen ihrer Glaubensgemeinschaft“, so erklärte gestern ein hoher Beamter im Innenministerium gegenüber unserer Zeitung, „hören die radikalsten Moslems ohnehin nicht, ja sie sehen sie als Verräter an“. (mit dpa)