Tende/Imperia. Überschwemmungen haben Häuser zerstört und Brücken weggerissen. Staatschef Macron und die Pariser Regierung wollen helfen. In der Not gibt es in den Bergen Solidarität - aber auch Kritik.

Fünf Tage nach verheerenden Regenfällen und Überschwemmungen im Südosten Frankreichs hat Präsident Emmanuel Macron den betroffenen Menschen rasche Hilfe zugesagt. Der 42-Jährige besuchte die schwer getroffene Bergregion oberhalb der Küstenmetropole Nizza.

"Ein Sturm von beispiellosem Ausmaß hat viele Ihrer Dörfer verwüstet und Leben gekostet", teilte Macron via Facebook mit. Macron sagte im Krisengebiet, fünf Menschen seien gestorben, bisher hatten die Behörden von vier Toten gesprochen. Sieben weitere Menschen werden vermisst; von 13 Menschen gibt es keine Nachrichten, sie könnten also vermisst sein. Die Opferbilanz wiege schwer, sagte Macron.

Die Regierung in Paris rief den Katastrophenzustand aus. Der konservative Senatspräsident Gérard Larcher forderte von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen europäische Hilfe für die Krisenregion. Der Senat ist das Oberhaus des französischen Parlaments.

"Wir waren über 48 Stunden hinweg wirklich in bitterer Not", sagte der Bürgermeister des Ortes Tende, Jean-Pierre Vassallo, dem Staatsoberhaupt. Es sei keine Kommunikation mit der Außenwelt möglich gewesen, "in unserem Zeitalter erscheint das unmöglich", fuhr Vassallo fort.

Im Radiosender Europe 1 sagte der Bürgermeister, beim Anlaufen der Hilfe hätten Menschen dann den Eindruck gehabt, dass Rettungshubschrauber vor allem in andere Bergtäler geflogen seien. "Es gab das Gefühl unglaublicher Empörung." Macron kam laut Medien mit dem Hubschrauber, da Straßen unpassierbar waren. Ein Teil der rund 2000 Bewohner hat demnach weiter keinen Strom.

Wassermassen waren am vergangenen Freitag in der Region nahe der Grenze zu Italien niedergegangen. Straßen wurden weggerissen, Häuser zerstört und Brücken unbrauchbar. Rund 55 Gemeinden der Region sind nach Regierungsangaben betroffen. "Es gab Tote, mehrere Menschen, darunter Feuerwehrleute, werden vermisst, und Hunderte Einwohner wurden in Sicherheit gebracht", resümierte Regierungssprecher Gabriel Attal in Paris. Der konservative Abgeordnete Éric Ciotti schätzt den Schaden auf mindestens 1,5 Milliarden Euro.

"Ich möchte, dass das Leben weitergeht und dass die Menschen in ihren Dörfern bleiben können", erklärte Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi. Tonnen von Abfall, Plastik und Holz seien weggespült worden, die nun langsam an der Küste ankämen.

In der italienischen Region Ligurien liefen unterdessen die Bemühungen der Behörden weiter, zehn im Meer und an einem Fluss geborgene Leichen zu identifizieren. Viele davon könnten aus Frankreich stammen. Entweder seien sie Vermisste des aktuellen Unwetters oder Friedhofsleichen, die schon 2019 bei einer früheren Überschwemmung vom Wasser fortgetragen worden waren. Einer der Toten war schon am Dienstag als ein Vermisster aus den italienischen Alpen identifiziert worden. Am Mittwoch zogen nach Angaben des Wetterdienstes neue Regenfronten über die Mitte und den Süden Italiens.

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