Berlin. Bei Sandra Maischberger diskutierten die Gäste über das Flüchtlingscamp Moria. Dabei stand immer wieder Österreich im Mittelpunkt.

Für Ärger hatte Marcel Reif diese Woche keinen Platz. „Ich bin immer noch entsetzt über diese Bilder“, kommentierte der Grandseigneur der Fußballberichterstattung die Aufnahmen aus dem Flüchtlingslager in Moria. Und wollte nicht fassen, wie jemand das dokumentierte Elend überhaupt aushalten könne.

Moria: Marcel Reif sieht „zivilisatorisches Versagen“

„Das ist kein humanitäres Versagen mehr, das ist ein zivilisatorisches Versagen“, empörte er sich bei „Maischberger. Die Woche“. Und fragte rhetorisch zurück: „Soll ich ernsthaft eine Zahl von 150 Kindern als ausreichend akzeptieren?“Schriftstellerin Jagoda Marinić stimmte ihm zu. Das Ringen darum, ob es richtig sei oder nicht, dass nun 1.500 Flüchtlinge aus Lesbos nach Deutschland kommen dürften, erlebte sie als „Schachern um Menschenleben“.

Die kroatisch-deutsche Schriftstellerin aus Heidelberg wies auch den allgemeinen Vorwurf zurück, die „Flüchtlinge müssten ,nur‘ ein Lager anzünden und schon dürften sie nach Deutschland ausreisen“. Selbst wenn es Brandstiftung gewesen sei, wäre dies nur ein Akt der Verzweiflung. Und der Selbstverteidigung: „Ich stelle mir vor, ich müsste da leben“, führte sie aus, „mit einer Toilette für 60 Menschen. Und 35 Corona-Infizierten auf 12.000 Bewohner.“

Flüchtlingslager Moria: Barmherzigkeit nicht zur Staatsdoktrin erheben

Dass Sandra Maischberger die Lage der Flüchtlinge in Moria implizit anders einschätzte als ihre beiden Kommentatoren-Gäste, war an der Art ihrer Fragestellung zu erkennen. Natürlich mochte die Moderatorin, die sich eher als objektive Spielleiterin verstand, ihre persönliche Haltung nicht offenbaren.

Aber die Erleichterung war ihr deutlich anzumerken, als „Cicero“-Chefredakteur Christoph Schwennicke als dritter im Kommentatoren-Team von „Maischberger. Die Woche“ endlich die erwarteten Stichworte fallen ließ: „Pull-Effekt“, „Deutscher Alleingang“ und „Außengrenzen schützen“. Zum Thema: Fotoreportage aus Moria – Leben zwischen Heimat und Hölle

Man dürfe Barmherzigkeit nicht zur Staatsdoktrin erheben, erklärte der „Cicero“-Chefredakteur. Und ärgerte sich bloß darüber, dass „Frau Göring-Eckardt gleich am nächsten Tag im Flüchtlingslager auftauchte, der THW mit seinen Hilfslieferungen aber erst Tage später.“ Die Nothilfe müsse massiv und sofort stattfinden. Ansonsten aber, so beharrte er, dürfe sich „2015 nicht wiederholen“.

Brand in Moria – Jean Asselborn sieht Schuld bei Sebastian Kurz

So erstaunlich es auch scheinen mochte, dass sich angesichts der Elendsbilder aus einem Flüchtlingscamp auf europäischen Boden Medienmenschen über akzeptable Zahlen und Hilfen stritten – so sorgte der leidenschaftliche Werte-Disput doch für eine lebendige und kontroverse Sendung. Dazu trug insbesondere auch Jean Asselborn bei, der an diesem Mittwoch Maischbergers erster Gast im Doppelinterview war und äußerst klare Worte fand.

Maischberger: Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, polemisiert gegen Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Maischberger: Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, polemisiert gegen Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. © WDR/Max Kohr

Dabei hatte Luxemburgs Außenminister schon bei den ersten Moria-Bildern vor einer Woche heftig gegen den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz polemisiert: Der sei der Missetäter und verantwortlich für die aktuelle Situation auf Lesbos.

Weil er 2018 – während der österreichischen Ratspräsidentschaft – dafür gesorgt habe, dass sich die europäischen Staaten lediglich einigen konnten, Geflüchtete „freiwillig“ aufzunehmen. Das sei ein „Bruch der Solidarität“, wetterte er nun auch bei „Maischberger. Die Woche“ gegen das Verhalten der osteuropäischen Länder.

Flüchtlinge: Luxemburgs Außenminister appelliert an seine Amtskollegen

„Die Misere ist da und wir müssen sie lösen. Wir können nicht länger vorbeischauen“, appellierte Jean Asselborn an seine Amtskollegen, Solidarität und Verantwortung zu übernehmen. Schließlich ginge es „um ein paar Tausend Menschen – für eine Gemeinschaft von 450 Millionen“.

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Lukas Mandl, EU-Parlamentarier der ÖVP, der offenbar recht kurzfristig per Video zugeschaltet wurde, mochte seinen Argumenten in keiner Weise folgen. Der Österreicher fühlte sich und seine Landsleute verunglimpft. Nur wollte er – trotz mehrmaliger Aufforderung – auch nicht erläutern, warum Österreich nicht zu den fünf, sechs europäischen Ländern gehörte, die in der aktuellen Krise Geflüchtete aus Lesbos aufnehmen wollen.

Es müsse zu langfristigen Lösungen in der europäischen Migrationspolitik kommen, so sein unbestimmter Appell. Dann verwies er gleich mehrfach auf Ursula von der Leyen, die als Präsidentin der Europäischen Kommission in ihrer Rede „Zur Lage der EU“ nur Stunden zuvor angekündigt hatte, kommende Woche neue Vorschläge zur europäischen Migrationspolitik vorzulegen. Lesen Sie dazu: Kommentar – Von der Leyens EU-Rede war mutig, aber nur ein Anfang

Maischberger: Flüchtlinge, Klimawandel, CDU-Vorsitz

So emotionslos repetierend, wie der ÖVP-Mann argumentierte, klang das freilich mehr danach, dass es noch lange, lange dauern sollte, bis konkrete Lösungen auf EU-Ebene gefunden würden. Damit war aber auch die erste große Leitfrage von „Maischberger. Die Woche“ schon mal auf mindestens kommende Woche vertagt: „Versagt Europa?“.

Glücklicherweise blieben für die Sendung noch genug andere Mega-Fragen, deren erschöpfende Antworten niemand sofort erwartete: Wie kann der Klimawandel gestoppt werden und zu welchem Preis? Oder auch: Wird Armin Laschet beim Parteitag im Dezember CDU-Vorsitzender?

„Cicero“-Chefredakteur sieht gute Chancen für Armin Laschet als Kanzlerkandidat

Christoph Schwennicke brachte immerhin einen interessanten Aspekt in die Stammtisch-Zwischenrunde, warum der NRW-Ministerpräsident sich auch als Kanzlerkandidat empfehlen dürfte, falls er das Rennen zum CDU-Vorsitz gewinnen sollte: „Er ist der einzige der drei Kandidaten, der ein Exekutivamt ausübt“, analysierte der „Cicero“-Chefredakteur, und somit der einzige, der Erfahrung auf diesem Gebiet belegen könne.

Schon um ihn als Ministerpräsident nicht zu beschädigen, dürfte ihm beim Parteitag also „niemand ernsthaft ins Knie schießen“. Und weiter: „Wenn er dann als erste Amtshandlung die Kanzlerkandidatur weiterreicht, hätte das auch Auswirkungen auf sein Ministerpräsidentenamt.“ So weit, so einleuchtend.

Kurz noch die Bundesliga gestreift, die nun mit Zuschauern im Stadion in die Saison starten darf: Naturgemäß befand Fachmann Marcel Reif, dass dies eine gute Nachricht sei. „Wenn das aber schief geht, dann gibt es keinen Spielraum mehr“, warnte er die Fans indirekt, die Abstandsregeln zu befolgen. Dann ging es flugs weiter zum nächsten Doppelinterview, das eine kontroverse Diskussion zum Klimawandel zu werden versprach, mangels echter Kontroversen aber doch ziemlich verpuffte.

Klimawandel: Junge Unternehmerin empfindet „Fridays For Future“ als zu radikal

Die beiden jungen Gäste waren sich lediglich in Details uneins, wie die Ankündigung von Ursula von der Leyen umgesetzt werden sollte, den CO-2-Ausstoßes nun gleich um 55 Prozent, statt wie bisher geplant um 40 Prozent zu reduzieren. Beide sorgten sich um das Weltklima, selbstverständlich.

Wie kann der Klimawandel gestoppt werden? Darüber diskutierten Jakob Blasel und Sarna Röser bei Maischberger.
Wie kann der Klimawandel gestoppt werden? Darüber diskutierten Jakob Blasel und Sarna Röser bei Maischberger. © WDR/Max Kohr

Sarna Röser, Bundesvorsitzende der „Jungen Unternehmer“ und jüngster Spross eines 97 Jahre alten Familienunternehmens in der Betonbau-Branche, glaubte, der Emissionshandel könnte es auf Dauer richten, zu moderaten, marktorientierten Preisen. Die Forderungen der „Fridays for Future“-Aktivistinnen und Aktivisten mit „ihren Protesten und Straßenblockaden“ empfand sie als zu radikal.

„Fridays For Future“-Aktivist fordert „grundsätzliche Veränderungen“

Ein Vertreter dieser Klimaaktivisten, Jakob Blasel aus Kiel, nahm es gelassen: „Ohne die radikalen Aktionen wäre ich nicht hier“, erklärte er lakonisch. Und führte dann aus, dass die Unternehmen nur mit fester CO-2-Bepreisung Planungssicherheit hätten. Und: „Um eine Lenkungswirkung zu erreichen“, müsste die Bepreisung langfristig kostendeckend sein. Das wären statt wie heute 25 Euro, dann etwa 180 Euro pro Tonne.

Dann präsentierte er sich wieder überraschend kompromissfähig, gar freundlich: Er wollte niemanden etwas verbieten, weder Kreuzfahrten noch Autofahren oder Fleischessen. „Es geht um grundsätzliche Veränderungen“, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Nun kandidiere er für den Bundestag, bei den Grünen, die die Klimakrise als erste erkannt und benannt hätten: „Ich will Teil der Regierung sein, die das Pariser Klimaabkommen konsequent umsetzt.“

In den letzten Wochen bei Maischberger:

Atemnot, Haarausfall und neurologische Probleme: Eine Corona-Patientin sprach in der vorigen Folge „Maischberger“ über beängstigende Langzeitfolgen: „Maischberger“: Corona-Patientin hat wochenlang Haarausfall. In der Woche vorher erklärte Sahra Wagenknecht, warum sie der Corona-Warn-App nicht traut. Dafür erntete sie Kritik von Frank Thelen.