Neue Biografie gibt Einblicke ins Liebesleben von Lagerfeld
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Von Oliver Stöwing
Berlin. Die neue Lagerfeld-Biografie zeigt den Modemacher mit seinen Musen und Liebhabern. Auch Claudia Schiffer äußert sich darin über ihn.
Im Februar 2019 ist Karl Lagerfeld gestorben: Der Modedesigner galt als Multitalent
Eine neue Biografie gibt nun neue Einblicke in das Leben von Lagerfeld und zeigt ihn mit Musen und Liebhabern
In dem Buch geht es auch um die Schattenseiten der Modewelt, um Drogen, Exzesse
Dass ein dekadenter Lebensstil einen Menschen zerstören kann, hatte Lagerfeld an Jacques de Bascher erlebt
Er sprach Französisch, Englisch und Italienisch, auf demselben Niveau und in demselben ungeduldigen Tempo wie seine Muttersprache. Er besaß Wohnsitze in Frankreich, Monaco, Italien und in den USA. Aber Karl Lagerfeld blieb – „ein Deutscher in Paris“.
Das ist der Titel einer neuen Biografie von Alfons Kaiser, Moderedakteur bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der dem im Februar 2019 gestorbenen Designer über Jahre hinweg begegnet war.
Als ewiger Fremder schätzte Lagerfeld sich glücklich, nachdem er Ende der 80er-Jahre – eine Zeit des sorglosen Umgangs mit Kokain, Nikotin und Alkohol in der Branche – Claudia Schiffer für sich entdeckt hatte. In der Rheinbergerin erkannte er sein eigenes preußisches Arbeitsethos. Wenn die anderen am Set müde wurden, schreibt Kaiser, machten die beiden einfach weiter.
Karl Lagerfeld und Claudia Schiffer: Disziplin und gesundes Leben
„Wir sind eben die Einzigen, die diszipliniert sind, gesund leben und nicht trinken“, sagte er dann. Bei Shootings in Berlin, München und Wien habe man Knödel oder Kaiserschmarrn zusammen gegessen, erinnert sich das Model. „Der Rest des Teams war davon nicht unbedingt beeindruckt.“ Und sie warfen sich Sprichwörter wie „Morgenstund hat Gold im Mund“ zu. Lesen Sie hier: Claudia Schiffer wird 50 und schwört dem wilden Leben ab
Wie produktiv man frühmorgens sein kann, wurde gleich ausgetestet: „Als Fotograf hatte er so viele Ideen, dass manche Fotoshootings bis zum Sonnenaufgang dauerten“, sagt Schiffer. Lagerfeld habe sie die Verwandlung „von einem schüchternen deutschen Mädchen in ein Supermodel“ zu verdanken.
Auch dass er sich Ende der 90er-Jahre von ihr abwandte, nahm sie ihm nicht übel: „In der Mode muss immer alles neu erfunden werden. Deshalb habe ich das verstanden.“
Jacques de Bascher: „Haschisch ist für Arme“
Dass ein dekadenter Lebensstil einen Menschen zerstören kann, hatte Lagerfeld an Jacques de Bascher erlebt. 1972 hatten sich der Modeschöpfer und der 28 Jahre jüngere Lebemann aus französischem Adel kennengelernt. De Bascher wurde Lagerfelds große Liebe. Sein fatales Lebensmotto lautete: „Haschisch ist für Arme.“ Lesen Sie hier:Das waren Lagerfelds Musen und Liebhaber.
Es lebte sich angenehm auf Lagerfelds Kosten. Schon vor Mittag gönnte er sich zuweilen eine Linie Kokain und einen doppelten Scotch. Einmal schenkte Lagerfeld ihm eine Harley, verbot ihm aber nach einem Unfall, weiter damit zu fahren.
Verwendung hatte de Bascher trotzdem für die Maschine: Er stellte sie für eine Party in sein Apartment, drehte die Seitenspiegel nach oben, häufte Koks darauf an und legte benutzerfreundlich Rasierklinge und Röhrchen daneben.
Lagerfeld ließ ihm alles durchgehen – fast alles. Erst als de Bascher mit einer Freundin im Rolls-Royce an Schulen vorfuhr und sich Jungen in den Fond des Wagens holte, soll Lagerfeld gesagt haben: „Ich höre auf zu zahlen.“
Vielleicht reagierte der Modemacher angesichts dieser Vorgeschichte so gereizt, als ihm zu Ohren kam, seine letzte männliche Muse, das Model Baptiste Giabiconi, hätte Kokain geschnupft. Er herrschte den jungen Franzosen am Telefon an: „Man hat’s mir erzählt.“ Giabiconi bestreitet jedoch, die Droge je konsumiert zu haben.
Von plötzlicher Zärtlichkeit überwältigt
Der Modemacher sei immer kontrollierender geworden, berichtet er. Lagerfeld-Mitarbeiter seien wie zufällig mit dem Fahrrad am Fenster seiner Wohnung entlanggefahren. „Ihr schlaft zu fünft oder sechst in der Wohnung?“, empörte sich Lagerfeld dann, „hast du sie aufgenommen? Wen lässt du bei dir wohnen? Lesen Sie hier:Was passiert mit dem Millionenerbe von Karl Lagerfeld?
Schließlich bestellte er ihn ins Chanel-Studio und warf ihm seine „Launen“ vor, „einen unmöglichen Charakter“ und „schlechten Umgang“. Viel lieber erinnert sich Giabiconi an einen bewegenden Moment: Einmal umarmte er seinen väterlichen Freund aus Dankbarkeit lange – und wunderte sich über dessen Reaktion: „Er war ergriffen, er zitterte, ich sehe ihn immer noch vor mir, unfähig zu sprechen, als hätte er solche Gefühle seit Jahren nicht gespürt. Die Zeit blieb stehen.“
Es war vermutlich seit langer Zeit das erste Mal, dass Karl Lagerfeld Zärtlichkeit erfuhr, glaubt Biograf Kaiser. Vielleicht war es auch das letzte Mal.