Berlin. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verurteilt im ZDF die Ausschreitungen in Berlin – und wirbt um Verständnis für die Corona-Demos.

Als „verabscheuungswürdig“ und „Schande“ bezeichnete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bei „Markus Lanz“ die Ausschreitungen bei der Corona-Demo in Berlin. Nachdem das Verwaltungsgericht das Verbot der Demo gegen die Corona-Politik aufgehoben hatte, war es am Samstag zu tumultartigen Szenen in der Hauptstadt gekommen. Demonstranten überwanden unter anderem die Absperrgitter am Reichstagsgebäude und schwenkten die oft von Reichsbürgern und Rechten verwendeten schwarz-weiß-roten Reichsflaggen.

„Hätten Sie es genehmigt?“, fragte Markus Lanz seinen einzigen Gast am Mittwochabend. „Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut“, antwortete Schäuble. Ein Verbot wäre für den Politiker rechtlich nicht hinnehmbar gewesen.

Wolfgang Schäuble bei Markus Lanz: Demos müssen sich im Rahmen halten

„Ich empfinde diese Demonstration eher als ein Zeichen dafür, dass unsere Demokratie lebhaft ist und funktioniert“, zitierte Lanz eine Aussage von Schäuble im Mai dieses Jahres, als es auch schon Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Politik gab. Schäuble teilt diese Auffassung bis heute. „Andere Meinungen gibt es, die sind erlaubt“, erklärte er. „Die müssen auch ausgetragen werden, auch mit dem Mittel der Demonstration. Aber es muss sich alles im Rahmen halten.“ Am Samstag sei dieser Rahmen gesprengt worden.

Berlin beschließt Maskenpflicht bei Demos ab 100 Teilnehmern

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    Wie mit den Demonstranten umgehen? Wie soll verhindert werden, dass sich aggressive Szenen wie die am Samstag wiederholen? Ein eingeblendetes Video zeigt, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versucht, den Dialog mit den Demonstranten zu suchen. Pfiffe, Geschreie, Buh-Rufe – Spahn, der zuletzt vor allem wegen seiner Corona-Test-Strategie in der Kritik stand, hat keine Chance. „Jens Spahn muss sowas aushalten“, erklärte Schäuble. Sollte der Gesundheitsminister die Chance haben, ein Gespräch zu führen, sollte er sie wahrnehmen. „Man muss es immer wieder versuchen.“ Dies sei eine Pflicht jedes Politikers.

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    Wolfgang Schäuble: Seit 1972 ununterbrochen Mitglied im Bundestag

    Der Rest der Sendung lieferte einen tiefen Einblick in die umfangreiche politische Laufbahn von Wolfgang Schäuble. Seit 1972 ist der CDU-Politiker ununterbrochen Mitglied im Bundestag – so lange wie kein anderer Politiker zuvor. Lanz ging die wichtigsten Ereignisse in seiner bisherigen Karriere noch einmal durch.

    Da war der Besuch von DDR-Staatschef Erich Honecker in der Bundesrepublik Deutschland 1987. Wolfgang Schäuble, damals Chef des Bundeskanzleramtes, war maßgeblich an der Organisation beteiligt. Da war der Mauerfall am 9. November 1989 und das Wochenende danach. Für Schäuble, zu diesem Zeitpunkt Innenminister, eine besonders schöne Zeit. „Dieses Wochenende war ein Fest der Einheit“, sagte er schwärmend.

    Und da war der Tag, der das Leben des CDU-Politikers maßgeblich ändern sollte. Auf einer Wahlkampfveranstaltung schießt im Oktober 1990 ein psychisch kranker Attentäter dreimal mit seiner Waffe auf Schäuble – zwei Kugeln treffen ihn. „Fünf Tage lang setzen meine Erinnerungen aus“, erklärte Schäuble. Seit dem Attentat ist er an einen Rollstuhl gebunden. Gehindert, nach wie vor politisch aktiv zu sein, hat ihn das nicht. Sein Wahlkampf ging weiter: „Ich habe nie Angst gehabt“, erklärte er 20 Jahre später.

    • Die Karriere von Wolfgang Schäuble in Bildern:

    Die Karriere von Wolfgang Schäuble

    Er sitzt schon so lange im Bundestag wie kein anderer.  Seine große Zeit begann 1989 als Bundesinnenminister, hier 1989 bei einem CDU-Parteitag.
    Er sitzt schon so lange im Bundestag wie kein anderer. Seine große Zeit begann 1989 als Bundesinnenminister, hier 1989 bei einem CDU-Parteitag. © dpa | Harry Melchert
    1984 legte Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag den Amtseid als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ab.
    1984 legte Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag den Amtseid als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ab. © imago | Sven Simon
    Gemeinsam mit dem damaligen DDR-Innenminister Peter Michael Diestel (r.) unterzeichnete Wolfgang Schäuble (M.) am 1. Juli 1990 das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen
    Gemeinsam mit dem damaligen DDR-Innenminister Peter Michael Diestel (r.) unterzeichnete Wolfgang Schäuble (M.) am 1. Juli 1990 das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen". Dieser Sonntag gilt als kaum weniger historisch als der Mauerfall selbst. © © epd-bild / Heidi Losansky | Losansky, Heidi
    Ein enges Verhältnis verband Wolfgang Schäuble über lange Jahre mit Helmut Kohl. Später wurden beide erbitterte Gegner.
    Ein enges Verhältnis verband Wolfgang Schäuble über lange Jahre mit Helmut Kohl. Später wurden beide erbitterte Gegner. © dpa | Franz-Peter Tschauner
    Eigentlich wollte Kohl seinen Mitstreiter zu seinem Nachfolger als Kanzler machen – doch daraus wurde nichts. Kohl wollte nicht von der Macht lassen.
    Eigentlich wollte Kohl seinen Mitstreiter zu seinem Nachfolger als Kanzler machen – doch daraus wurde nichts. Kohl wollte nicht von der Macht lassen. © REUTERS / Juergen Schwarz
    Am 12. Oktober 1990 wurde der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis in Oppenau/Mittelbaden von dem 37jährigen Attentäter durch zwei Schüsse aus einem Revolver schwer verletzt. Schäuble kämpfte sich zurück ins politische Leben und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen.
    Am 12. Oktober 1990 wurde der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis in Oppenau/Mittelbaden von dem 37jährigen Attentäter durch zwei Schüsse aus einem Revolver schwer verletzt. Schäuble kämpfte sich zurück ins politische Leben und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. © dpa | Norbert Försterling
    Auch das Verhältnis Schäubles zu Angela Merkel war nicht immer störungsfrei. Im Laufe der Jahre wurde Schäuble jedoch zu einem der engsten und wichtigsten Vertrauten der Bundeskanzlerin.
    Auch das Verhältnis Schäubles zu Angela Merkel war nicht immer störungsfrei. Im Laufe der Jahre wurde Schäuble jedoch zu einem der engsten und wichtigsten Vertrauten der Bundeskanzlerin. © REUTERS | REUTERS / Fabrizio Bensch
    Als Innenminister und später als Finanzminister war Schäuble über Jahre hinweg eine Stütze der Kanzlerin im Kabinett Merkels.
    Als Innenminister und später als Finanzminister war Schäuble über Jahre hinweg eine Stütze der Kanzlerin im Kabinett Merkels. © Getty Images | Sean Gallup
    Am 22. November 2005 leistete Wolfgang Schäuble vor Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Amtseid als Innenminister.
    Am 22. November 2005 leistete Wolfgang Schäuble vor Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Amtseid als Innenminister. © imago | Fabian Matzerath
    Schäuble pflegte als Minister meist einen unaufgeregten Ton, war in der Sache jedoch knallhart.
    Schäuble pflegte als Minister meist einen unaufgeregten Ton, war in der Sache jedoch knallhart. © dpa | Christina Sabrowsky
    Auf der Regierungsbank im Bundestag war Wolfgang Schäuble in verschiedenen Rollen viele Jahre präsent.
    Auf der Regierungsbank im Bundestag war Wolfgang Schäuble in verschiedenen Rollen viele Jahre präsent. © Getty Images | Andreas Rentz
    Seine politische Lebensleistung brachte Wolfgang Schäuble 2005 sogar den Bambi ein.
    Seine politische Lebensleistung brachte Wolfgang Schäuble 2005 sogar den Bambi ein. © Getty Images | Andreas Rentz
    Seine Urlaube verbringt Schäuble gern mit Ehefrau Ingeborg auf Sylt.
    Seine Urlaube verbringt Schäuble gern mit Ehefrau Ingeborg auf Sylt. © dpa | Jens Kalaene
    Zwei, die sich nicht so gut verstanden: Wolfgang Schäuble und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis lieferten sich während der Griechenland-Euro-Krise so manche Verhandlungsschlacht.
    Zwei, die sich nicht so gut verstanden: Wolfgang Schäuble und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis lieferten sich während der Griechenland-Euro-Krise so manche Verhandlungsschlacht. © Getty Images | Carsten Koall
    Mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, verbindet Wolfgang Schäuble eine verlässliche politische Partnerschaft.
    Mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, verbindet Wolfgang Schäuble eine verlässliche politische Partnerschaft. © dpa | Christina Sabrowsky
    Das Verhältnis Schäubles zur Presse war nicht immer einfach. Hier ein Schnappschuss von einem Hintergrundgespräch Schäubles mit Journalisten auf einem Flug nach Washington. Es war im Oktober 2017 seine letzte Reise als Finanzminister. Später fungierte er als Bundestagspräsident, seit 2021 auch als Alterspräsident.
    Das Verhältnis Schäubles zur Presse war nicht immer einfach. Hier ein Schnappschuss von einem Hintergrundgespräch Schäubles mit Journalisten auf einem Flug nach Washington. Es war im Oktober 2017 seine letzte Reise als Finanzminister. Später fungierte er als Bundestagspräsident, seit 2021 auch als Alterspräsident. © imago | Thomas Koehler/photothek.net
    Heute kann Wolfgang Schäuble auf 50 Jahre als Abgeordneter im Deutschen Bundestag zurückblicken.
    Heute kann Wolfgang Schäuble auf 50 Jahre als Abgeordneter im Deutschen Bundestag zurückblicken. © Getty Images | Sean Gallup
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    CDU-Spendenaffäre kostete Schäuble die Posten

    1998 übernahm Wolfgang Schäuble das Amt des Bundesvorsitzenden der CDU, ein Jahr später folgte der nächste Tiefschlag. Die CDU-Spendenaffäre, bei der hohe Beträge von Spendengeldern für die Partei nicht versteuert wurden, kosteten Schäuble seine Posten als Partei- und Fraktionsvorsitzender. Auch diese Krise meisterte er. Seit 2017 ist er als Bundestagspräsident im Amt – „der protokollarisch zweithöchste Mann im Staat“ – wie Markus Lanz mehrfach betonte.

    Wie geht es politisch weiter für Wolfgang Schäuble? Ob er nochmal für den Bundestag antreten will, wollte Lanz wissen. Keine Antwort. Nur: „Ich finde es eine Unsitte, dass wir immer so früh die Kandidaten für Wahlen benennen“, sagte Schäuble.

    „Das heißt, Sie schließen es nicht aus?“, fragte Lanz bohrend. „Ich schließe aus, dass ich ihre Frage beantworte.“