Berlin. Ein Webasto-Mitarbeiter war der erste deutsche Corona-Kranke. Sechs Monate später sorgen sich Mediziner: Er hat keine Antikörper mehr

„Es war eine surreale Situation“, erinnert sich der deutsche Patient eins – mit glücklichem Ausgang: Ein halbes Jahr ist es her, da schaute das ganze Land auf ein 4000-Einwohner-Örtchen in Oberbayern. In Stockdorf vor den Toren Münchens befindet sich die Firmenzentrale des Automobilzulieferers Webasto, wo im Januar der erste Corona-Fall in Deutschland nachgewiesen wurde.

Jetzt schildert dieser Patient erstmals ausführlich seine Erfahrungen – der Familienvater berichtet von aufwühlenden Momenten nach der Diagnose und der quälenden Angst, seine Frau und sein Kind angesteckt zu haben.

Antikörper gegen Corona nach drei Monaten verschwunden

Vor allem deutet sein Fall darauf hin, dass Patienten, die eine Coronavirus-Infektion überstanden haben, die Lungenkrankheit Covid-19 noch einmal bekommen können, befürchten Mediziner – und dass Impfungen keinen langen Schutz bieten werden.

Denn bereits drei Monate nach seiner Ansteckung trug er keine gegen eine erneute Ansteckung schützenden, vom Immunsystem gebildeten Antikörper in sich: „Seit April habe ich keine neutralisierenden Antikörper mehr“, so der Mann in einem internen Webasto-Interview, das dieser Redaktion vorliegt.

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Coronvirus bei Konferenz in China übertragen

Der Mitarbeiter möchte anonym bleiben, Webasto nennt seinen Namen nicht. Er hatte sich bei einer chinesischen Kollegin angesteckt, die er während einer einstündigen Konferenz am 20. Januar kennengelernt hat. „Dort haben wir uns noch alle die Hand gegeben. Ich saß dann auch direkt neben ihr und habe nebenbei Kaffee getrunken“, berichtet er.

Eine Woche später, am 27. Januar, ließ er sich in einer Klinik testen, weil die Kollegin inzwischen positiv getestet worden war. „Kurz nach 20 Uhr kam dann der Anruf, bei dem mir das Ergebnis mitgeteilt wurde. Mir wurde gesagt, dass ich mich sofort ins Schwabinger Krankenhaus begeben soll, zu einem bestimmten Gebäude und dort zu einer bestimmten Station. Ich sollte mich nicht an der Rezeption melden, sondern direkt auf das Gelände fahren, und man würde auf mich warten.“

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Fieber und Schüttelfrost aber keine Atembeschwerden

Die Firma Webasto habe sich nichts vorzuwerfen, betont Chef Holger Engelmann.
Die Firma Webasto habe sich nichts vorzuwerfen, betont Chef Holger Engelmann. © dpa | Peter Kneffel

In den folgenden Tagen überschlugen sich in Stockdorf die Ereignisse. Einen Tag nach der Diagnose gab es bereits drei weitere bestätigte Fälle in dem Unternehmen. Corona war in Deutschland angekommen. Die Firma habe sich nichts vorzuwerfen, betont Webasto-Chef Holger Engelmann (55). Man habe „verdammt viel richtig gemacht“: „Die Behörden haben an uns eine Art Probefall durchexerzieren können, der gut ausgegangen ist.“

Der deutsche Patient eins bangte derweil vor allem um seine Familie. „Am Wochenende hatte ich Fieber und Schüttelfrost, jedoch keine Atembeschwerden. Trotzdem war ich sofort um meine schwangere Frau und um meine kleine Tochter besorgt.“

Isolation im Krankenhaus - Glimpflicher Verlauf

Die Krankheit ist bei ihm glimpflich verlaufen. Seine Angehörigen haben sich nicht angesteckt. Die 19 Tage, die er isoliert im Krankenhaus verbringen musste, sind jedoch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen: „In der dritten Woche hatte ich an einem Tag eine leichte Panikattacke, da ich keine Perspektive auf eine Entlassung sah und mir eingebildet habe, ich würde auf ungewisse Zeit festsitzen.“ Mittlerweile ist er gesund und ihm sei klar geworden, „dass ich ein Riesenglück hatte“.

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