Hamburg. Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen Wachmann des KZ Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Die Jugendstrafkammer sprach den 93 Jahre alten Angeklagten am Donnerstag der Beihilfe zum Mord in 5232 Fällen und wegen Beihilfe zu einem versuchten Mord schuldig. Der Prozess findet nach Jugendstrafrecht statt, weil der Mann zu Beginn der Tatzeit im Jahr 1944 erst 17 Jahre alt war.

Ehemaliger KZ-Wachmann zu Bewährungsstrafe verurteilt

Die Vertreter der 40 Nebenkläger – darunter 35 Überlebende des Lagers bei Danzig – hatten eine Verurteilung des Angeklagten, aber keine über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehende Strafforderung gestellt. Einige Nebenkläger äußerten ausdrücklich den Wunsch, der 93-Jährige möge nicht inhaftiert werden.

Ein hochbetagter Stutthof-Überlebender in Israel erklärte, man solle ihm vergeben. In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten.

Im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig wurden während des Zweiten Weltkriegs etwa 65.000 Menschen ermordet. Die Opfer waren Juden, politische Gefangene, Polen.

Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft beantragt

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren Haft beantragt, die Verteidigung Freispruch gefordert. Die Vertreter der Nebenkläger zeigten sich überwiegend zufrieden mit dem Urteil. „Das Gericht hat sich große Mühe gegeben, alles aufzuklären“, sagte Nebenklage-Vertreter Roland Krause. Der Angeklagte nahm das Urteil äußerlich unbewegt auf.

Bereits zum Auftakt des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres hatte der 93-Jährige bestätigt, dass er von August 1944 bis April 1945 Wachdienst in dem Lager verrichtet hatte. Er hatte betont, dass er nicht freiwillig Wachmann wurde. Als Wehrmachtssoldat sei er wegen eines Herzfehlers nicht frontdienstfähig gewesen und in das Lager abkommandiert worden.

Als er den Marschbefehl nach Stutthof erhalten habe, habe er vergeblich versucht, in eine Wehrmachtsküche oder -bäckerei versetzt zu werden. Die SS-Uniformjacke habe er nach der Rückkehr von einem Krankenhausaufenthalt anziehen müssen.

Hunderttausende in Deutschland an NS-Verbrechen beteiligt

Der Angeklagte sei zwar ein Befehlsempfänger gewesen, stellte die Richterin fest, fügte aber hinzu: „Es befreit Sie nicht von Schuld.“ Er hätte in Stutthof nicht mitmachen dürfen. „Sie hätten versuchen müssen, sich zu entziehen, und Sie hätten sich entziehen können.“ Deswegen habe er wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden müssen.

Bei einer Versetzung an die Front hätte er allerdings um sein Leben fürchten müssen. Das habe das Gericht in der Strafzumessung berücksichtigt. Das Jugendstrafrecht sehe vor, dass die Strafe der Schuld, die der Angeklagte als 17- und 18-Jähriger auf sich geladen habe, angemessen sein müsse. Damals seien Hunderttausende in Deutschland an den NS-Verbrechen beteiligt gewesen.

„Sie waren damals noch nicht erwachsen, noch so jung in einer Zeit, in der die Gewissenlosigkeit wie nie zuvor ein ganzes Volk ergriffen hatte.“ Es hätte höchste Gewissenskraft erfordert, sich dem Wachdienst in Stutthof zu entziehen. Zwei Jahre Haft auf Bewährung seien schuldangemessen. Für die beispiellosen Verbrechen in der „Hölle von Stutthof“ könne es keine Wiedergutmachung geben.

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(dpa/fmg)