Berlin. Studien sehen einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und bedrohlichen Covid-19-Verläufen. Doch was ist dran an den Ergebnissen?

  • Welchen Einfluss hat Vitamin D auf den Verlauf einer Corona-Infektion?
  • Forscher haben in Studien offenbar herausgefunden, dass ein Mangel von Vitamin D zu einem höheren Sterberisiko führe
  • „Tatsächlich geht ein niedriger Vitamin-D-Spiegel mit einem schwerem Covid-19-Verlauf einher. Er ist deshalb aber noch lange nicht die Ursache dafür“, sagte ein Mediziner unserer Redaktion
  • Daraus zu schlussfolgern, die Gabe von Vitamin-D könne schwere Krankheitsverläufe verhindern, sei falsch

Es gibt 13 Vitamine, die unser Überleben sichern – Vitamin D ist eins davon. Es stärkt die Herzmuskelkraft, schützt die Gefäßinnenwände und hilft, die Blutfettwerte zu regulieren. Auch für den Knochenbau ist es unerlässlich. Doch kann Vitamin D auch vor schweren oder gar tödlichen Covid-19-Verläufen schützen?

Zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt die Analyse eines Forscherteams um Hans Biesalski von der Universität Hohenheim. Deren Studie stellt eine direkte Verbindung zwischen einem Vitamin-D-Mangel, bestimmten Vorerkrankungen und einem schweren Covid-19-Verlauf her. Lesen Sie hier: Diese Vitamine sind für den Menschen lebenswichtig.

Vitamin-D-Mangel bei schweren Corona-Verläufen

Darin heißt es: „Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass diverse nicht übertragbare Krankheiten (Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Metabolisches Syndrom) mit einem niedrigen Vitamin-D-Plasmaspiegel assoziiert sind.

Und weiter: „Diese Begleiterkrankungen, gemeinsam mit einem oft einhergehenden Vitamin-D-Mangel, erhöhen das Risiko schwerer Covid-19-Verläufe.“ Im Hinblick auf Verlauf und Heilung der Krankheit sollte der Bedeutung des Vitamin-D-Spiegels deshalb deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, schreiben die Forschenden in der Zeitschrift „NFS Journal“.

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    „Tatsächlich geht ein niedriger Vitamin-D-Spiegel mit einem schwerem Covid-19-Verlauf einher. Er ist deshalb aber noch lange nicht die Ursache dafür“, sagte der Mediziner Christoph Specht dieser Redaktion. Daraus zu schlussfolgern, die Gabe von Vitamin-D könne schwere Krankheitsverläufe verhindern, sei falsch. Beides würde vielmehr von dritten Faktoren wie dem Alter und Immunsystem der Patientin oder des Patienten abhängen.

    Vitamin D und Corona: Zusammenhang schwer herzustellen

    „Das wäre in etwa so, als würde man sagen: Runzelige Haut korreliert eher mit Covid-19 als glatte. Natürlich tut sie das. Denn ältere Menschen haben eher runzelige Haut als junge.“ Die Untersuchung beweise lediglich eine Assoziation zwischen einem Vitamin-D-Mangel und einem schweren Krankheitsverlauf – nicht jedoch eine Kausalität, eine Beziehung also zwischen Ursache und Wirkung.

    Vor allem ältere und bettlägerige Menschen leiden häufig unter Vitamin-D-Mangel, weil sie sich seltener in der Sonne aufhalten. 90 Prozent des für den Körper überlebenswichtigen Vitamins bildet die Haut durch UV-Strahlung selbst. Die restlichen zehn Prozent nehmen die meisten Menschen durch vorrangig fettige Lebensmittel wie Lachs, Makrelen oder Hering auf

    Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) seien in Studien der vergangenen Jahre immer wieder Zusammenhänge zwischen der Vitamin-D-Versorgung und Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2, Krebserkrankungen und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gefunden worden. Bislang gebe es jedoch keine Beweise dafür, ob ein Mangel solche Krankheiten begünstige und andersherum.

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      Covid-19: „Dramatisch erhöhtes Sterberisiko“ durch Vitamin-D-Unterversorgung?

      Das Dr. Jacobs Institut für komplementär-medizinische Forschung in Heidesheim hat ebenfalls zwei Studien aus Indonesien sowie von den Philippinen zum Thema Covid-19 und Vitamin D zusammengefasst.

      Nach Angaben des Instituts sei in Indonesien der Krankheitsverlauf sowie der Vitamin-D-Status von 780 mit dem Coronavirus Infizierten untersucht worden. Es habe sich ein „dramatisch erhöhtes Sterberisiko“ bei einem Vitamin-D-Mangel ergeben. Nahezu alle Patienten mit Vitamin-D-Mangel seien an Covid-19 gestorben, jedoch nur rund vier Prozent der Patienten mit optimalem Vitamin-D-Spiegel.

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      Nach Bereinigung der Studien-Störfaktoren wie Alter, Vorerkrankungen und Geschlecht habe sich ein zehn Mal höheres Sterberisiko für Coronavirus-Infizierte mit Vitamin-D-Mangel ergeben. Als Mangelwert sei in dieser Studie ein Blutserum-Wert von weniger als 50 nmol/l angenommen worden.

      Das RKI sieht bei einem Wert von 30 bis 50 allerdings eine suboptimale Versorgung. Erst ab einem Wert von weniger als 30 nmol/l sieht das RKI einen Mangel an Vitamin D. Die Uneinigkeit innerhalb der Wissenschaft darüber, ab welchem Wert ein Vitamin-D-Mangel vorliegt, macht solche Studien dann auch schwerer vergleichbar.

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      In der philippinischen Studie seien laut des Jacobs Instituts 212 Covid-19-Patienten untersucht worden. Hier sei ein lebensbedrohlicher Verlauf der Erkrankung bei niedrigem Vitamin-D-Wert 23 Mal häufiger als bei normalen Werten. Bemerkenswert sei aber auch hier, dass ein normaler Vitamin-D-Spiegel als über 75 nmol/l definiert war und bereits ein Wert von unter 75 nmol/l das Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf deutlich erhöhte.

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        Das Jacobs Institut kommt zu dem Schluss, dass die Studien zwar einen starken Zusammenhang, aber noch keine Kausalität bewiesen. Trotzdem könnte Vitamin D vorsorglich „das preiswerteste und bisher beste Mittel gegen schwere Krankheitsverläufe sein“, schreiben die Forscher.

        Hinweis auf eine Wirkung von Vitamin D würde auch der Ausbruch der Krankheit im Winter geben, „als die Vitamin-D-Werte im Keller waren“. Außerdem seien auf der Südhalbkugel, die zum selben Zeitpunkt das Ende des Sommers erreicht habe, die tödlichen Verläufe relativ gering.

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        Martin Fassnacht, Leiter der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg, dagegen sieht die Ergebnisse und Aussagen der Forscher sehr kritisch. Bezogen auf die Hohenheim-Studie sagte er der Deutschen Welle (DW) am Montag, es sei bloße Beobachtung, dass Krankheiten wie Bluthochdruck oder das metabolische Syndrom zusammen mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln auftreten würden.

        Er spreche Vitamin D nicht seine wichtigen Funktionen ab, aber: „Wenn man sich die Sache genauer anschaut, dann haben sich bisher die Hoffnungen, dass die Gabe von Vitamin D eine heilende Wirkung hat, nicht bestätigt“, so der Forscher.

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        Viele solcher Untersuchungen seien Beobachtungsstudien. Diese könnten per Definition den kausalen Zusammenhang nicht belegen, sondern wiesen nur auf bloße Korrelationen hin. „Stellen Sie sich zwei Gruppen von 80-Jährigen vor. Die eine Gruppe ist rüstig, aktiv und macht Sport. Wenn Sie die mit der anderen Gruppe im Pflegeheim vergleichen, dann wird der Unterschied des Vitamin D-Spiegels dramatisch sein. Auch die Lebenserwartung würde sich extrem unterscheiden“, erklärt der Forscher der DW.

        Es greife aber viel zu kurz, die beiden Fitnesslevel allein mit dem Vitamin-D-Spiegel erklären zu wollen. Er sei „ein gutes Maß dafür, wie krank jemand ist. Mehr aber auch nicht“, sagte Fassnacht. (elik/mbr)

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