Kiel. Der Tatverdächtige im Fall Maddie ist zum Schutz vor Mithäftlingen in eine Einzelzelle verlegt worden. Er schweigt zu den Vorwürfen.

  • Der Tatverdächtige im Fall Maddie McCann ist in Einzelhaft verlegt worden, damit ihn seine Mithäftlinge nicht attackieren können
  • Der Innen- und Rechtsausschuss in Schleswig-Holstein hat sich mit einer vermeintlichen Justizpanne in einem anderen Fall des Tatverdächtigen beschäftigt
  • Seine bisherigen Verteidiger haben ihr Mandat niedergelegt
  • Der 43-Jährige schweigt weiter zu den Vorwürfen im Fall Maddie McCann

13 Jahre ist es her, dass Maddie McCann spurlos aus einer Ferienanlage in Portugal verschwand. Der neu ins Visier der Ermittler geratene 43 Jahre alte Tatverdächtige ist nun in eine Einzelzelle verlegt worden, um ihn vor Angriffen durch Mithäftlinge zu schützen.

Der 43-Jährige beschäftigte am Mittwoch außerdem die Landesregierung von Schleswig-Holstein wegen einer möglichen Justizpanne in einem anderen Fall.

Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags wollte von Schleswig-Holsteins Justizminister Claus Christian Claussen (CDU) und Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt von der Flensburger Staatsanwaltschaft wissen, ob der Mann 2018 wegen einer versäumten Frist für rund vier Wochen freigelassen wurde.

Wie Stahlmann-Liebelt bestätigte, war der mehrfach vorbestrafte Mann nach dem vollständigen Absitzen einer Haftstrafe von 14 Monaten in Braunschweig wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Besitzes kinderpornografischer Schriften 2018 für einige Wochen auf freiem Fuß.

Staatsanwaltschaft: „Freilassung war juristisch unvermeidbar“

Eigentlich hätte der Mann im Anschluss in Kiel eine Haftstrafe von 21 Monaten wegen Drogenhandels antreten müssen, die er mittlerweile auch verbüßt. Das Urteil dazu stammt bereits aus dem Jahr 2011. Es hätte sich juristisch nicht vermeiden lassen, dass der 43-Jährige in der Zwischenzeit freigelassen wurde, sagte Stahlmann-Liebelt. Denn der Widerruf der Bewährung des Urteils habe sich wegen der vorgeschriebenen juristischen Vorgehensweise in die Länge gezogen und sei bis Ende August 2018 nicht erreichbar gewesen.

Zudem betonten die leitende Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt und Justizminister Claussen, dass die Flensburger Staatsanwaltschaft niemals in den Fall der verschwunden Maddie McCann eingebunden gewesen sei.

Gegenüber dem „Flensburger Tageblatt“ sagte zuvor eine Sprecherin der Flensburger Staatsanwaltschaft, dass sich der Fall nicht eigne, um einen neuen Skandal zu zimmern. Sie verwies auf komplizierte juristische Zuständigkeiten und Verfahrenswege zwischen Gerichten oder Staatsanwaltschaften in Deutschland, Portugal und Italien. Der im Fall Maddie verdächtige Deutsche hatte unter anderem in Portugal gelebt oder sich in Italien aufgehalten. Lesen Sie auch: Fall Maddie – BKA hat Hunderte neue Hinweise

Maddie McCann- Ermittler geben nicht auf

Vor 13 Jahren verschwand das britische Mädchen Madeleine „Maddie“ McCann während eines Portugal-Urlaubs spurlos.
Vor 13 Jahren verschwand das britische Mädchen Madeleine „Maddie“ McCann während eines Portugal-Urlaubs spurlos. © AFP | Handout
Gemeinsam mit ihren jüngeren Zwillingsgeschwistern und ihren Eltern machte sie im Mai 2007 in dieser Ferienanlage im portugiesischen Ferienort Praia Da Luz, Urlaub. Direkt neben dem Pool liegt das Apartment 5A, aus dem das Mädchen verschwand.
Gemeinsam mit ihren jüngeren Zwillingsgeschwistern und ihren Eltern machte sie im Mai 2007 in dieser Ferienanlage im portugiesischen Ferienort Praia Da Luz, Urlaub. Direkt neben dem Pool liegt das Apartment 5A, aus dem das Mädchen verschwand. © dpa | Steve Parsons
Das Apartment gehört zu einer Ferienanlage namens „Ocean Club“.
Das Apartment gehört zu einer Ferienanlage namens „Ocean Club“. © dpa | Steve Parsons
Am Abend ihres Verschwindens, dem 3. Mai 2007, besuchten Maddies Eltern ein Restaurant auf der Anlage. In regelmäßigen Abständen sahen sie nach eigenen Angaben nach Maddie und ihren Geschwistern.
Am Abend ihres Verschwindens, dem 3. Mai 2007, besuchten Maddies Eltern ein Restaurant auf der Anlage. In regelmäßigen Abständen sahen sie nach eigenen Angaben nach Maddie und ihren Geschwistern. © dpa | Steve Parsons
Seither läuft unter den Augen der Weltöffentlichkeit eine beispiellose Suche nach der Vermissten.
Seither läuft unter den Augen der Weltöffentlichkeit eine beispiellose Suche nach der Vermissten. © dpa | Soeren Stache
13 Jahre lang gaben Maddies Eltern, das britische Ärztepaar Kate und Gerry McCann, die Hoffnung nicht auf, ihre Tochter lebend wiederzufinden. Immer wieder wandten sie sich an die Öffentlichkeit.
13 Jahre lang gaben Maddies Eltern, das britische Ärztepaar Kate und Gerry McCann, die Hoffnung nicht auf, ihre Tochter lebend wiederzufinden. Immer wieder wandten sie sich an die Öffentlichkeit. © dpa | John Stillwell
Immer wieder gab es Hinweise zum Verbleib von Maddie. Immer wieder wollten Zeugen das Mädchen gesehen haben. Im Jahr 2014, sieben Jahre nach Maddies Verschwinden, durchsuchten Polizisten aus Großbritannien und Portugal das Buschland rund um den Ferienort Praia da Luz.
Immer wieder gab es Hinweise zum Verbleib von Maddie. Immer wieder wollten Zeugen das Mädchen gesehen haben. Im Jahr 2014, sieben Jahre nach Maddies Verschwinden, durchsuchten Polizisten aus Großbritannien und Portugal das Buschland rund um den Ferienort Praia da Luz. © dpa | Nick Ansell
Maddie verschwand nur wenige Tage vor ihrem vierten Geburtstag. Heute wäre sie 17 Jahre alt.
Maddie verschwand nur wenige Tage vor ihrem vierten Geburtstag. Heute wäre sie 17 Jahre alt. © dpa | Uncredited
Anfang Juni 2020 dann die überraschende Wende in dem Fall: Eine neue Spur führt nach Braunschweig. Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen einen 43-jährigen Deutschen, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft sei. Hans Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft, informierte am 4. Juni die Öffentlichkeit über aktuelle Erkenntnisse.
Anfang Juni 2020 dann die überraschende Wende in dem Fall: Eine neue Spur führt nach Braunschweig. Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen einen 43-jährigen Deutschen, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft sei. Hans Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft, informierte am 4. Juni die Öffentlichkeit über aktuelle Erkenntnisse. © dpa | Ole Spata
In einem Fahndungsaufruf des BKA veröffentlichten die Ermittler mehrere Fotos von Autos, die der Verdächtige zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt genutzt haben könnte.
In einem Fahndungsaufruf des BKA veröffentlichten die Ermittler mehrere Fotos von Autos, die der Verdächtige zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt genutzt haben könnte. © dpa | --
Dabei handelt es sich zum einen um einen Caravan vom Typ VW T3 Westfalia mit portugiesischer Zulassung.
Dabei handelt es sich zum einen um einen Caravan vom Typ VW T3 Westfalia mit portugiesischer Zulassung. © dpa | Uncredited
Auch einen dunkelfarbenen Jaguar XJR 6 soll der Verdächtige zu dieser Zeit genutzt haben.
Auch einen dunkelfarbenen Jaguar XJR 6 soll der Verdächtige zu dieser Zeit genutzt haben.
Wer Angaben zu den beiden Fahrzeugen zum mutmaßlichen Tatzeitraum, also dem 3. Mai 2007 zwischen 21.10 und 22 Uhr, machen kann, wird gebeten, sich beim BKA zu melden.
Wer Angaben zu den beiden Fahrzeugen zum mutmaßlichen Tatzeitraum, also dem 3. Mai 2007 zwischen 21.10 und 22 Uhr, machen kann, wird gebeten, sich beim BKA zu melden. © dpa | --
Zudem bittet das BKA nach Hinweisen zu diesem Haus.
Zudem bittet das BKA nach Hinweisen zu diesem Haus.
Auch ein Foto dieses Hauses veröffentlichte das BKA in seinem Fahndungsaufruf.
Auch ein Foto dieses Hauses veröffentlichte das BKA in seinem Fahndungsaufruf. © AFP | Str
Wer Angaben zu den abgebildeten Gebäuden oder Innenräumen machen kann, soll sich ebenfalls beim BKA melden.
Wer Angaben zu den abgebildeten Gebäuden oder Innenräumen machen kann, soll sich ebenfalls beim BKA melden. © AFP | Str
Für Hinweise, die zur Aufklärung des Falls führen, ist eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt.
Für Hinweise, die zur Aufklärung des Falls führen, ist eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt. © AFP | Str
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Nächste Haftstrafe wartet schon

Von der aktuellen Haftstrafe wegen des Drogendeliktes hat der Tatverdächtige im Fall Maddie McCann bereits 14 Monate verbüßt. Es läuft eine Prüfung auf Freilassung auf Bewährung, zu der sich Staatsanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt laut einem Sprecher des zuständigen Landgerichts noch äußern müssen.

Selbst wenn diesem Antrag stattgegeben wird, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der Mann freikommt. Denn gegen ihn liegt bereits das nächste Urteil aus Braunschweig vor. Er war dort wegen einer Vergewaltigung in erster Instanz schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß beträgt sieben Jahre.

In Braunschweig ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen den 43-Jährigen im Fall Maddie McCann wegen Mordverdachts. Die Ermittler gehen davon aus, der Tatverdächtige das damals dreijährige Mädchen entführt und umgebracht hat.

Tatverdächtiger wird in Einzelzelle verlegt und schweigt

Bei der Sitzung im Innen- und Rechtsausschuss gab Justizminister Claussen auch bekannt, dass der Tatverdächtige wegen dieser Vorwürfe in Kiel in eine Einzelzelle verlegt wurde. Auch außerhalb der Zelle darf er sich nur einzeln und in Begleitung von Wachpersonal aufhalten. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass er von Mithäftlingen attackiert werde.

Die bisherigen Strafverteidiger des Mannes Jan-Christian Hochmann und David Volke haben heute gegenüber der Deutschen Presse-Agentur bekannt gegeben, dass sie ihr Mandat niedergelegt haben. Gründe dafür nannten sie nicht.

Gleichzeitig wandte sich sein neuer Verteidiger Friedrich Fülscher, der den Tatverdächtigen zusammen mit dem Anwalt Johann Schwenn vertritt, an die Presse. In einem Interview mit dem Fernsehsender ntv sagte Fülscher, dass der Tatverdächtige sich aktuell nicht zu den Vorwürfen äußern möchte. „Christian B. macht momentan keine Angaben zur Sache - und wir bitten um Verständnis, dass wir als Verteidiger auch keine Angaben machen“, sagte Fülscher nach einem Besuch seines Klienten in der Justizvollzugsanstalt Kiel.

Lesen Sie dazu: Fall Maddie – Die Hintergründe zu den neuen Ermittlungen

(dpa/afp/jas)