Berlin. Wegen Corona werden die meisten Prozesse verschoben oder abgebrochen. Schlechte IT-Ausstattung der Gerichte erschwert Online-Verfahren.

Ausnahmezustand in deutschen Gerichten: Wegen der Kontaktsperren fahren die Richter den Betrieb herunter – mit weitreichenden Folgen. Die Corona-Krise zieht eine Krise der Justiz nach sich.

„In vielen Gerichten fallen drei Viertel und mehr aller Termine bis zum 19. April aus, die Justiz muss sich derzeit im Notbetrieb auf wichtige Strafprozesse, dringende Haftsachen und andere Eilfälle konzentrieren“, sagt Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, unserer Redaktion. Er beklagt, dass Alternativen wie Videoübertragungen an der schlechten Ausstattung der Gerichte scheiterten.

Die Auswirkungen sind bereits spürbar. Das Landgericht Bonn etwa kürzte ein wegweisendes Verfahren wegen Steuerhinterziehung ab und verkündete das Urteil wesentlich schneller als geplant. Und das Landgericht Duisburg will den Loveparade-Prozess einstellen. Darin geht es um das Unglück mit 21 Toten vor zehn Jahren – das Gericht geht davon aus, dass das Geschehen verjährt sein wird, bevor der Prozess nach der Corona-Unterbrechung zu einem Ende käme.

Solche Terminprobleme sollen sich nicht fortsetzen. Der Gesetzgeber müsse Konsequenzen ziehen, fordert Rebehn. Die Ausnahmesituation werfe ein Schlaglicht auf die lückenhafte IT-Ausstattung der Gerichte. Zwar sei es theoretisch möglich, Verfahren abzuhalten, ohne dass sich Verteidiger, Staatsanwälte und Richter im gleichen Raum aufhielten. Doch „ein flächendeckendes Ausweichen auf Online-Verhandlungen wäre kurzfristig kaum umsetzbar“, erklärt Rebehn. „Bund und Länder sollten die Corona-Krise zum Anlass für einen Digitalisierungsschub in der Justiz nehmen.“