Rom. Im Norden von Italien gibt es leise Hoffnungen auf ein Abflauen der Corona-Krise. Im Süden des Landes hingegen wachsen ernste Sorgen.

  • Italien ist mit mehr als 7500 Toten und rund 75.000 Infizierten das am schwersten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land der Welt
  • Im Norden Italiens, wo das Virus seit Wochen für Schreckensmeldungen sorgt, wächst die Hoffnung auf ein erstes Abflauen der Krise
  • Dafür sind die Sorgen in Süditalien umso größer – und neben vielen Menschenleben steht auch noch der soziale Frieden auf dem Spiel

Vier Tage in Folge sinkende Zahlen an Neuinfizierten wecken in Italien Hoffnungen auf ein Ende der Coronavirus-Epidemie, doch der Süden des Landes ist in Alarmstimmung: „Der Hinweis auf geringere Ansteckungszahlen im Norden droht die Tatsache auszulöschen, dass die Krise noch nicht gelöst ist sondern im Süden dabei ist, auf dramatische Weise zu explodieren.“ Der für drakonische Maßnahmen bekannte Regionalgouverneur von Kampanien, der Region rund um Neapel, nimmt kein Blatt vor den Mund. Bereits vor der Regierung in Rom ließ der als „Sheriff“ bekannte Sozialdemokrat Vincenzo De Luca Schulen schließen, verhängte eine Ausgangssperre und setzte das Militär zu dessen Kontrolle ein.

Zunächst nach dem ersten Regierungsdekret, das Norditalien zur Sperrzone erklärte, und erneut am vergangenen Wochenende, als die Schließung von Fabriken angeordnet wurde, kehrten viele Süditaliener in ihre Heimat zurück. Der Bürgermeister von Messina, Cateno De Luca, versuchte daraufhin persönlich, die Anlandung von Fähren voller Rückkehrer im Hafen seiner Stadt zu verhindern.

Messina am Mittwoch: Eine leere Fähre erreicht die Küste Siziliens. Viele Sizilianer versuchen wegen der Coronavirus-Pandemie in diesen Tagen in ihre Heimat zurückzukehren. Doch einige Politiker wollen schon jetzt die Reisewege schließen.
Messina am Mittwoch: Eine leere Fähre erreicht die Küste Siziliens. Viele Sizilianer versuchen wegen der Coronavirus-Pandemie in diesen Tagen in ihre Heimat zurückzukehren. Doch einige Politiker wollen schon jetzt die Reisewege schließen. © imago images/Independent Photo Agency Int. | imago

Während das gute Gesundheitssystem im industrialisierten Norden seit Wochen durch die vielen Covid-19-Patienten völlig überlastet ist, funktioniert im Süden vieles nur auf Empfehlung hin. Deshalb warnt ein Bericht des Geheimdienstes an die Regierung, von dem die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ erfahren haben will, vor einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch Ausschreitungen. Mangelnde Gesundheitsleistungen, Vetternwirtschaft auch in Krankenhäusern und das organisierte Verbrechen drohen demnach zu einem gefährlichen Mix zu werden, wenn Krankenhäuser kollabieren.

Coronavirus in Italien: Der Süden hat kaum Beatmungsgeräte

„Die nächsten zehn Tage werden bei uns die Hölle sein“, prophezeit der Regionalgouverneur von Kampanien vor diesem Hintergrund. Für die Region gehe es nicht um Tage, sondern um Stunden. Von 400 angeforderten, daraufhin 225 zugesagten Beatmungsgeräten und Schutzkleidung sei so gut wie nichts in der Region angekommen, wirft Vincenzo De Luca der Regierung vor. Wenn die Regierung die Lage weiterhin sträflich unterschätze, „werden wir nichts tun können, als unsere Toten zu zählen.“

Derweil mangelt es auch im Norden an Material für dringend erforderliche Tests und Beatmungsgeräten. Krankenhäuser hätten sich zu Infektionsherden entwickelt, beklagen Ärzte aus Bergamo, das sich zu einem Epizentrum der Epidemie entwickelt hat. Knapp zehn Prozent der Infizierten in Italien ist Krankenhauspersonal. „Unsere Klinik ist hochgradig verseucht und steht jenseits des Zusammenbruchs“, schrieben Mediziner des renommierten Krankenhauses „Papa Giovanni XXIII“ im „New England Journal of Medicine“.

Von 900 Betten seien 300 mit Coronavirus-Patienten belegt. Siebzig 70 Prozent der Betten auf den Intensivstationen seien mit Covid-19-Kranken belegt, die „berechtigte Hoffnung auf Überleben haben“. Die Lage sei so gravierend, dass das Krankenhaus sich gezwungen sehe, weit unter den eigenen Standards zu arbeiten. Ältere Patienten werden demnach nicht wiederbelebt und sterben ohne den in diesen Fällen vorgesehenen Einsatz von palliativmedizinischen Mitteln, die zumindest das Leiden abmildern.

Bergamo am Mittwoch: Ein italienischer Soldat im Schutzanzug ist am Zentralfriedhof der Stadt im Einsatz, von wo aus Särge mit Militärtrucks abtransportiert werden, weil die Krematorien überlastet sind.
Bergamo am Mittwoch: Ein italienischer Soldat im Schutzanzug ist am Zentralfriedhof der Stadt im Einsatz, von wo aus Särge mit Militärtrucks abtransportiert werden, weil die Krematorien überlastet sind. © Getty Images | Emanuele Cremaschi

Italien hat offiziell mehr als 7500 Tote und fast 75.000 nachgewiesene Infektion gemeldet und ist damit das am schwersten von der Pandemie betroffene Land weltweit. In die offiziellen Statistiken fließen aber nur Todesfälle in Krankenhäusern und Altenheimen ein. Der bekannt italienische Virologe Roberto Burioni hält auch die Zahl der Infizierten für falsch. Wie für viele andere Länder gilt auch für Italien: Bei den offiziell gemeldeten Fällen handelt es sich nach Einschätzung von Experten nur um einen Bruchteil der tatsächlichen Corona-Fälle. Oft mangelt es an Testkapazitäten, vielerorts werden zudem nur Patienten mit schweren Symptomen auf das Coronavirus getestet.

Coronavirus in Italien: Covid-19-Patienten liegen auf Matratzen auf dem Boden

In anderen Krankenhäusern der Region ist die Lage den Ärzten zufolge sogar noch schlimmer. Dort mangle es nicht nur an Geräten und Schutzkleidung. Patienten lägen dort auf Matratzen auf dem Fußboden. „Die Katastrophe, die die reiche Lombardei überrollt, kann sich überall ereignen“, warnen die Ärzte mit Blick auf Süditalien.

Regierung und Unternehmen arbeiten auf Hochtouren daran, Fabriken auf die Produktion von Masken und Atemgeräten umzustellen. Doch noch immer nehmen viele die Ausgangssperre nicht ernst. Am vergangenen Sonntag trafen Polizeikontrollen innerhalb eines Tages auf 10.000 Menschen, die trotz Verbots ohne Berechtigung auf die Straße gingen.

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch, dass der ehemalige Chef des Katastrophenschutzes und derzeitige Corona-Sonderberater der Lombardei, Guido Bertolaso, der mittlerweile selbst wegen des Virus im Krankenhaus liegt. Sein Nachfolger Angelo Borrelli wurde dagegen nach Symptomen negativ getestet und arbeitet nunmehr trotz Grippe von zu Hause aus.

Geistlicher aus dem Umfeld von Papst Franziskus infiziert

Auch im Vatikan breitet sich die Krankheit weiter aus. Nach vier offiziell gemeldeten Fällen wurde bekannt, dass ein hochrangiger Geistlicher, der im selben Gästehaus wie der Papst wohnt, mit Covid-19 in ein römisches Krankenhaus eingeliefert wurde. Ein daraufhin bei Franziskus durchgeführter Test sei negativ verlaufen. Während in vielen Ländern Abstandsregeln herrschen, empfängt der Papst weiter Kurienchefs und drückt ihnen dabei zum Abschied die Hand.

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