Washington. Mit Verspätung werden US-Bürger auf das Coronavirus getestet. Trump behauptet weiter, man habe alles im Griff – lädt aber zum Gebet.

Hilft in Amerika in der Coronavirus-Krise jetzt nur noch Beten? Donald Trump würde das selbstredend abstreiten. Schließlich haben die USA aus seiner Wahrnehmung das „fortschrittlichste Gesundheitssystem der Welt”. Und doch hat der Präsident am Sonntag zum „National Prayer Day” geladen. Ohne Körperkontakt. Der Gottesdienst von Pastor Jentezen in Gainesville/Georgia, in den sich Trump einklinkte, fand virenübertragungssicher im Internet statt.

Die Online-Andacht steht aus Sicht von Kritikern, die Trump vorwerfen, das Virus wochenlang fahrlässig bagatellisiert und so wertvolle Zeit bei der Vorbereitung auf die jetzt eingetretene Pandemie vergeudet zu haben, symbolisch für eine neue Phase der USA im Kampf gegen den Erreger: Hoffen und Bangen.

Hoffen darauf, dass erst Ende der Woche hastig eingestielte Maßnahmen dazu beitragen, um die von Wissenschaftlern erwarteten Infektionskurven abzuflachen. Bangen davor, dass die medizinische Infrastruktur, den Stresstest nicht besteht, wenn auch nur annähernd wahr wird, was die staatliche Seuchenbehörde CDC in Atlanta für den schlimmsten Fall hochgerechnet hat: 160 Millionen bis 214 Millionen Infizierte. 2,4 Millionen bis 21 Millionen Krankenhausaufenthalte – bei weniger als einer Million Betten. Und 200.000 bis 1,7 Millionen Tote.

Zum Vergleich: Bisher sind die Fallzahlen mit knapp 2700 Infektionen und rund 50 Todesfällen im internationalen Maßstab sehr gering. Hauptgrund: Amerika hat bei 330 Millionen Einwohnern seit Januar (!) keine 15.000 Bürger getestet. In Südkorea wurden zuletzt 20.000 Menschen auf das Coronavirus untersucht – täglich.

Coronavirus in den USA: Exponentieller Infizierten-Anstieg erwartet

Anthony Fauci, die graue Eminenz des Nationalen Gesundheitsinstituts und der wichtigste und vertrauenswürdigste Corona-Erklärer in US-Medien, sagt einen exponentiellen Anstieg voraus, wenn ab dieser Woche mit großer Verspätung die Test-Maschine anläuft. Spätestens im April sollen fünf Millionen Tests zur Verfügung stehen, die zum Teil bei ausländischen Unternehmen eingekauft werden mussten.

Die Zahl stammt von Trump, der nach einem von Unwahrheiten durchzogenen Rede-Auftritt am Mittwoch, der die Börsen massiv abstürzen ließ, am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses um nachholende Schadensbegrenzung bemüht war. Aber auch die ging teilweise nach hinten los.

Trump prescht vor, Google muss die Sache geradebügeln

Trump kündigte im Rahmen einer nationalen Notstandsverordnung an, dass Google eine Webseite schalten werde, mit der sich jeder Amerikaner unbürokratisch für einen Coronavirus-Test qualifizieren kann, die Kosten übernehme der Staat. Mit Hilfe großer Supermarktketten wie Walmart oder Target sollen die Menschen dann in improvisierten Drive-Through-Stationen à la McDonalds per Speichelprobe massenhaft getestet werden.

Trump erweckte den Eindruck, das Projekt stehe landesweit in den Startlöchern. Allein: Google wusste nach eigenen Angaben nichts davon und sprach pikiert von einem Modellversuch im Großraum San Francisco, der noch ganz am Anfang stehe.

Letzter Flug nach LA- Heute würde man mich nicht mehr reinlassen

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    Posse um Trumps eigenen Gesundheitszustand

    Nicht die einzige Panne, die auf unzuverlässige Kommunikation des Präsidenten zurückgeht, der bis heute im Gegensatz zu seinen erfahrensten Wissenschaftlern und Medizinern beteuert, Amerika habe die Virus-Krise vollständig im Griff.

    Um seinen eigenen Gesundheitszustand inszenierte Trump eine Posse, die laut US-Medien Fragezeichen aufwirft. Nachdem er über Tage trotz direkten Kontakts mit Infizierten aus Brasilien auf seinem Florida-Anwesen Mar-a-Lago beteuert hatte, er sei ohne Symptome und bedürfe darum keines Tests, ließ er sich am Freitagabend doch untersuchen. Sein Leibarzt Sean Conley erklärte am Samstagabend, Trump sei gesund. Erläuterungen oder Belege dazu legte er nicht vor.

    Trump nicht mit Coronavirus infiziert

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      Trumps Einreisestopp wird zum Bumerang

      Unterdessen rächt sich die Hemdsärmeligkeit, mit der Trump zur angeblichen Gefahrenabwehr einen Einreisestopp für Bürger aus mittlerweile 28 europäischen Ländern verhängt hat. An zentralen Flughäfen wie Dallas oder Chicago gab es am Wochenende lange Schlangen von Rückreisenden. Bis zu sieben Stunden warteten Tausende Menschen eng and eng auf Abfertigung, weil zu wenig Bundespersonal eingesetzt wurde.

      Ein Albtraum für Ärzte, die von einem „Kontakthof für Viren” sprachen. Der für Chicago zuständige Gouverneur von Illinois, Jay Robert Pritzker, ging Trump frontal an: „Die Regierung muss verdammt noch mal ihren Job machen. Und zwar sofort.”