Helgoland. Immer weniger Einwohner Helgolands können es sich leisten, in ihrer Heimat zu wohnen. Ein Problem, mit dem viele Inseln kämpfen.

Detlev Rickmers hätte allen Grund, zufrieden zu sein. Er betreibt mehrere Hotels auf Helgoland, die Geschäfte laufen gut. 500.000 Touristen kommen im Jahr auf die Insel, nach eigenen Angaben hat Rickmers einen Marktanteil von 50 Prozent. Doch der aus einer alteingesessenen Helgoländer Familie stammende Geschäftsmann sorgt sich – nicht nur um seine Existenz, sondern um die Zukunft seiner Insel.

„Bei den langfristigen Planungen für das eigene Unternehmen sind mir Entwicklungen aufgefallen, die ich für sehr kritisch halte“, sagt Rickmers. Kein Politiker habe ein Konzept, wie die Insel wirtschaftlich überleben soll. Die Helgoländer, befürchtet Rickmers, drohten „auszusterben“.

Zufluchtsort für Reiche: Wird Helgoland zum neuen Sylt?

Das hat der Hotelier auch seinem Bürgermeister in einem offenen Schreiben mitgeteilt, das sich wie ein Brandbrief liest. Seiner Beobachtung nach steht es nicht gut um Deutschlands einzige Hochseeinsel. Sie werde zu einem Zufluchtsort für Reiche und zu einer Museumsinsel.

Helgoland, aus der Luft fotografiert: Die nur circa einen Quadratkilometer große Hauptinsel (vorne) liegt 50 Kilometer vom Festland entfernt.
Helgoland, aus der Luft fotografiert: Die nur circa einen Quadratkilometer große Hauptinsel (vorne) liegt 50 Kilometer vom Festland entfernt. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Vidicom

„Ich kann nicht erkennen, wo wirtschaftlich tragfähige neue Existenzen beziehungsweise Arbeitsplätze entstehen“, schimpft Rickmers gegenüber unserer Redaktion. Er spricht über Helgoland, aber er beschreibt nebenbei die Situation vieler anderer deutscher Inseln.

Das kleine Helgoland, 50 Kilometer von der schleswig-holsteinischen Küste entfernt mitten in der Nordsee gelegen, hat ähnliche Probleme wie Norderney, Baltrum oder Usedom: Massentourismus im Sommer, leere Geisterquartiere außerhalb der Ferienzeiten und explodierende Immobilienpreise.

Fachleute sprechen von einer „Syltisierung“ der Eilande. Denn auf Sylt, der liebsten Luxusinsel der Deutschen, ist diese Entwicklung schon seit Jahren zu beobachten. Immer weniger Insulaner können es sich leisten, in ihrer Heimat zu wohnen. Den Betrieben fällt es zunehmend schwer, Personal zu finden – zu hoch sind die Mietpreise, zu sanierungsbedürftig die Bahnstrecke zum Festland.

Großstadtpreise auf dem Eiland

Mittlerweile klagen sie fast überall über ähnliche Sorgen. „Das Problem ist nicht, dass die Leute nicht kommen wollen, sondern wo sie wohnen können“, sagt Spiekeroogs Bürgermeister Matthias Piszczan (CDU). „Wir haben Großstadtpreise.“

Einer, der die Inseln retten will, ist Jörg Singer. Der 53-Jährige, gebürtig vom Bodensee, ist seit neun Jahren Bürgermeister von Helgoland. Dass Menschen wie Detlev Rickmers seine Insel schlechtreden, kann er nicht verstehen. Er sieht die Entwicklung positiv: Die Bevölkerung wachse, Arbeitgeber bezahlten neuen Mitarbeitern den Umzug auf die Insel, die medizinische Infrastruktur sei mit einem eigenem Inselkrankenhaus bei gerade mal 1300 Einwohnern gut.

„Wir haben sogar ein Schwimmbad“, schwärmt er stolz und verweist darauf, dass 1000 andere deutsche Gemeinden das nicht von sich behaupten könnten. Tatsächlich belegen Zahlen seine Sichtweise: Im Vergleich zum Vorjahr ist Helgoland 2019 um 50 Einwohner gewachsen.

Es braucht junge Leute auf den Inseln, die Familien gründen

Doch auch der parteilose Singer muss einräumen, dass Helgoland Probleme hat. „Über 100 Stellen sind nicht besetzt“, sagt er. „Da unsere Insel weit draußen und Pendeln keine Option ist, liegt im Wohnraumangebot der Schlüssel.“ So entstehen gerade 70 neue Wohnungen. „Das wäre so, als wenn Hamburg innerhalb von drei Jahren 100.000 neue Wohnungen baut“, sagt Singer mit Blick auf die Relation.

Im April wird er sich auf Rügen mit Politikern und Tourismusmanagern zu einer Inselkonferenz treffen. Dann wird es auch um die Frage des bezahlbaren Wohnraums auf den Inseln und Halligen gehen. Die Zeit drängt. „Wir brauchen junge Leute“, mahnt der Bürgermeister von Wangerooge, Marcel Fangohr (parteilos). Und zwar solche, die Familien gründen. Damit auf den Inseln weiterhin Menschen wohnen – und nicht nur Urlaub machen.

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