New York. The Edge ist die neueste Attraktion in New York. Die Aussichtsplattform in 380 Metern Höhe macht bisherigen Attraktionen Konkurrenz.

Von unten sieht The ­Edge aus wie das Hauptsegel einer auf dem Hudson River nebenan umgekippten Jolle. Steht man in circa 380 Metern Höhe auf dem dreieckigen Zacken, fühlt sich der (hoffentlich schwindelfreie) Betrachter wie im Himmel. Durch den verglasten Boden der neuen Attraktion über den Dächern New Yorks liegt das Gewusel am Boden der Millionenmetropole wie unter dem Brennglas da

Richtet man sich dagegen auf, kommen auf Augenhöhe die bisherigen Monopolisten im Geschäft mit der schönen Aussicht ins Blickfeld: die Dachterrasse Top of the Rock auf dem Rockefeller Center (259 m), die Spitze des altehrwürdigen Empire State Building. Und schließlich ganz im Süden Manhattans das vor fünf Jahren eröffnete One World Trade Center.

Mit ihnen tritt die bis auf Weiteres höchstgelegene Freiluftaussichtsplattform der westlichen Welt ab heute offiziell in den Wettbewerb. Die Zielgruppe sind zahlungskräftige Kunden (ab 36 Dollar für Erwachsene), die sich der Ruhe und Erhabenheit wegen während ihres Aufenthalts im Big Apple wenigstens einmal in die Höhe zurückziehen wollen. Um entschleunigt auf all das ­herabzublicken, zu dem man sonst im Großstadtdschungel nur staunend aufschaut.

The Edge bildet Konkurrenz zu Empire State Building und Co.

Mit The Edge, dem vorläufigen Höhepunkt des unter Einsatz von 25 Milliarden Dollar aus dem Boden gestampften Nobelviertels Hudson Yards, beginnt in New York eine kleine Renaissance der Aussichtstürme. Ende des 18. Jahrhunderts waren nahezu alle Wolkenkratzer der Stadt begehbar. Noch in den 1930er-Jahren luden elf öffentliche Panoramaterrassen Besucher zum entspannten 360-Grad-Blick ein.

Als das Rockefeller Center noch nicht wiedereröffnet und das World Trade Center bei den Anschlägen vom 11. September 2001 dem Erdboden gleichgemacht war, hatte das Empire State Building eine Alleinstellung, die sich bis heute in Zahlen niederschlägt. Rund 3,5 Millionen Besucher zog es 2019 für Preise zwischen 36 und 42 Dollar per Hochgeschwindigkeitsaufzug in die Aussicht-Ebenen im 86. Stock. Wer höher hinaus will, in den 102. Stock, muss zwischen 66 und 108 Dollar berappen; pro Person. Allein im letzten Quartal 2019 hat der Besitzer der gerade aufwendig renovierten Immobilie, der Empire State Realty Trust, damit knapp 38 Millionen Dollar eingenommen.

The Edge ist nur etwas für schwindelfreie Panoramajäger.
The Edge ist nur etwas für schwindelfreie Panoramajäger. © imago images/ZUMA Press | imago stock

New Yorks Aussichtsplattformen sind bei Gästen beliebt

Insgesamt steuern Schaulustige 40 Prozent dessen bei, was die Immobilie insgesamt abwirft. Rockefeller Center, wo auf 260 Meter Höhe ein großzügiger Dachgarten lockt, und One World Trade Center, beliebt auch wegen seines auf rund 400 Meter Höhe eindrucksvoll installierten Multimediabegleitprogramms, kommen jährlich jeweils auf rund zwei Millionen Besucher.

Der Milliardär Stephen Ross, Chef von The Related Companies, dem Konzern, der die hochgradig artifiziell wirkenden Hudson Yards geschaffen hat, glaubt mit The Edge ein „einzigartiges und unmittelbares Freilufterlebnis“ bieten zu können. Tony Malkin, Chef des Empire State, ist semibegeistert und sprach in Platzhirschmanier nach einer Stippvisite auf der neuen Plattform von einer „sterilen Erfahrung“.

Dass der Markt für Panoramajäger gesättigt ist, die sich Lady Liberty, den grün schimmernden Turm der Vereinten Nationen oder die silberne Schuppenhaut des Chrysler Buildings aus der Vogelperspektive ansehen wollen, glaubt in New York bei zuletzt 60 Millionen Gästen im Jahr niemand.

Im August eröffnet der nächste Sehnsuchtsort in New York

Schon im August eröffnet der nächste Sehnsuchtsort. Gegenüber dem Bahnhof Grand Central steht der dann 460 Meter hohe Glasturm One Vanderbilt. Auch hier wurden zusätzliche Aufzüge, ein abgetrenntes Fluchtwegesystem und Hightech-Sicherheitsschleusen berücksichtigt, um im Herzen Manhattan künftig Hunderttausende auf 335 Meter zu bringen.

Dort soll es über der Madison Avenue schwebend zwei Outdoor-Bereiche geben; einer davon mit Open-Air-Bar. Zu den Extras dieses Ausgucks gehört ein großes Restaurant des Sterne-Kochs Daniel Boulud, das bereits Weihnachten 2020 die ersten Gäste bekochen soll. Der „Gipfel“ selbst (The Summit) wird erst Ende 2021 zu besteigen sein. Erwartete Jahreseinnahmen: 50 Millionen Dollar.

Das berühmte Empire State Building wurde erst im vergangenen Oktober nach Renovierungsarbeiten wieder eröffnet. Auch in Berlin wird an Wolkenkratzern gebaut – auf dem Alexanderplatz soll mit dem 150 Meter hohen „Alexander Tower“ das höchste Gebäude der Hauptstadt entstehen.