Berlin. Schauspielerin Natalia Wörner spricht über Auswirkungen der MeToo-Debatte, toxische Männlichkeit und intime Szenen bei Dreharbeiten.

Sie ist nicht nur eine populäre Schauspielerin, sondern auch die Lebensgefährtin von Bundesaußenminister Heiko Maas – doch über ihr Privatleben spricht Natalia Wörner nicht gerne. Im Justizdrama „Wahrheit oder Lüge“ (17.2., ZDF) verkörpert sie eine auf Sexualdelikte spezialisierte Anwältin, die männliche Klienten verteidigt.

In Ihrem neuen Film spielen Sie eine Anwältin, die Männer in Vergewaltigungsklagen verteidigt. Ist dieser Film in Zusammenhang mit der MeToo-Debatte entstanden?

Natalia Wörner: Interessanterweise gab es die erste Idee zu dem Projekt schon vor Oktober 2017, also noch vor der MeToo-Debatte. Als die Debatte dann in Fahrt kam, hat sich der Filmstoff ebenso weiterentwickelt, so wie wir uns alle durch und mit dieser Debatte weiterentwickelt haben. Durch diese Sensibilisierung, durch die gesamte Diskussion, ist dann letztendlich dieses Drehbuch entstanden.

Im Film bezichtigt eine Frau ihren Partner und eine andere ihren Chef der Vergewaltigung, aber nicht beide Männer sind schuldig…

Wir wollten uns mit dem Film in einen Graubereich begeben. Es geht um den schwierigen Moment, in dem zwei Menschen gemeinsam eine Situation erleben, doch beide erleben etwas anderes. Dieser Graubereich fängt bei subtilen, alltäglichen Dingen an und endet womöglich in gewalttätigen Formen bis hin zu Vergewaltigung. Mit dem Film wollen wir die MeToo-Debatte da abholen, wo sie heute steht.

Und wo wäre das…?

Jetzt gerade geht es in der Gesellschaft darum, dass man ein Bewusstsein dafür entwickelt, wo sexuelle Belästigung anfängt, mit welchen Blicken, mit welchen Kommentaren oder Berührungen. Dass sich das alles im Moment neu definiert, ist schon sehr lobenswert. Und eine Befreiung, übrigens auch für die Männer. Ich kenne viele Männer, die froh sind, dass eine bestimmte Form von toxischer Männlichkeit heute klar definiert und abgelehnt wird. Das sind lauter Etappensiege.

Von Weinstein bis Wedel- Wie #MeToo die Entertainment-Welt aufrüttelt

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    Sie haben mal gesagt, dass Sie keine negativen Erfahrungen gemacht haben.

    Dass ich gar keine negativen Erfahrungen gemacht habe, stimmt natürlich nicht. Am Anfang ging es bei MeToo ja um brutale Übergriffe und Vergewaltigung, und so etwas habe ich Gott sei Dank nie erlebt. Aber die subtile, alltägliche Form von Sexismus im weitesten Sinne ist mir auch begegnet. Ich möchte eine Frau über 30 erleben, die das nicht kennt.

    Jetzt spielen Sie eine Anwältin, die sich auf Sexualdelikte von Männern spezialisiert hat und dabei auch Schuldige verteidigt. Das könnte man unsympathisch finden…

    Die Sympathiefrage hat sich mir bei der Figur nie gestellt. Das ist eben der Beruf einer Anwältin. Wir leben in einem Rechtsstaat – und es ist der Beruf einer Anwältin, auch Schuldige zu verteidigen. Ich bin im Rahmen meiner Vorbereitung auf diesen Film oft in Berlin ins Gericht gegangen und habe einige Fälle mitverfolgt.

    Bisweilen beklagen Männer infolge der MeToo-Debatte eine große Verunsicherung.

    Ich finde es gut, dass die Männer verunsichert sind. Die Gleichstellung, von der wir so gerne reden, die gab es aus weiblicher Perspektive doch nie. Dann kommt immer dieses berühmte Argument, dass sich Männer heutzutage nicht mehr trauen, mit einer Frau gemeinsam im Fahrstuhl zu fahren. Das ist lächerlich. Wie viele Frauen waren beim Fahrstuhlfahren in der Vergangenheit unfreiwillig anzüglichen Blicken, Kommentaren und Berührungen ausgesetzt? Und lange Zeit gab es keine Sprache für ihre Gefühle, kein Instrumentarium, das zu verorten und sich abzugrenzen. Das hat sich zum Glück verändert.

    Hat sich auch in der Filmbranche das Miteinander zwischen Männern und Frauen geändert?

    Ja, aber nicht nur in der Filmbranche. Ich finde es nicht gut, dass immer alles an der Filmbranche festgemacht wird, wegen Fällen wie Weinstein oder Wedel. Nennen Sie mir eine Redaktion, ein Parlament oder ein Krankenhaus, wo es nie Probleme mit Sexismus gab. Ich denke, die Tonalität hat sich für alle Menschen auf dem ganzen Kontinent verändert.

    MeToo-Debatte – Mehr zum Thema

    In den vergangenen Jahren haben auch Stars angefangen, über einstige Tabu-Themen wie sexuellen Missbrauch öffentlich zu sprechen – vor allem im Zuge der #MeToo-Bewegung. Auch Désirée Nosbusch erhebt schwere Vorwürfe gegen ihren Ex-Partner. Topmodel Gigi Hadid tritt beim Weinstein-Prozess auf – als potenzielle Geschworene. Die Berufung des Supermodels wäre eine Sensation. Der Entertainer Jürgen von Lippe spricht über sein TV-Comeback, Hass im Internet, Greta Thunberg und frivole Witze in Zeiten von MeToo.