Berlin. Ein satirisches WDR-Lied, das fehlendes Klimabewusstsein anprangert, sorgt für Empörung. Warum Gelassenheit die bessere Antwort wäre.

Da stört der WDR also die noch nachwirkende Weihnachtsbesinnlichkeit mit einem Kinderlied. Gut, man hat den Klassiker „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ ein wenig umgedichtet. Statt der „ganz patenten Frau“ knatterte nun die „alte Umweltsau“ durch den Stall. So ein Motorrad verbraucht schließlich ordentlich Super.

Um nicht falsch verstanden zu werden, verpasste der WDR dem Ganzen dann noch das Label Satire. Aber damit genug der Übervorsichtigkeit. So ein bisschen Generationenkritik – zumal humoristisch verpackt – wird man doch wohl noch singen dürfen! Nein. Darf man offensichtlich nicht.

WDR-Satire empört – die Reaktion des Senders ist absurd

Denn was dann geschah, war mal wieder so unnötig wie vorhersehbar. In den sozialen Netzwerken übertraf man sich im Empörtsein. „Frechheit!“ „Unterirdisch!“ „Unverschämtheit!“ Von „Volkserziehung“ und „instrumentalisierten Kindern“ war die Rede, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sah „Grenzen des Stils und des Respekts gegenüber Älteren überschritten“.

Christine Holthoff, Digital-Chefin vom Dienst, kommentiert den Stand der Debattenkultur in Deutschland.
Christine Holthoff, Digital-Chefin vom Dienst, kommentiert den Stand der Debattenkultur in Deutschland. © Privat | Privat

So weit, so inzwischen leider normal. Was die Konsequenz, die der WDR daraus zog, umso absurder macht: Der Sender löschte das Lied von der WDR-2-Facebook-Seite, Intendant Tom Buhrow höchstpersönlich entschuldigte sich. Witze über Greta Thunberg gerne in der ARD, Witze über die deutsche Oma – da hört der Spaß aber auf!

Dabei wäre genau das Gegenteil gut: Wir sollten alle lernen, wieder mehr auszuhalten. Sowohl links wie rechts und alle dazwischen. Gerade wenn es sich offensichtlich um Satire handelt.

Echter Diskurs findet kaum noch statt

Aktuell führen wir Diskussionen nur noch in Extremen – wenn überhaupt. Diskurs kann nämlich kaum noch stattfinden, wenn jeder gleich auf der Palme ist, jeder gleich eine rote Linie überschritten sieht und sich von Überspitzungen persönlich angegriffen fühlt. Sich gegenseitig zuhören, Argumente austauschen und ehrlich verstehen wollen? Fehlanzeige. Es scheint nur noch Schwarz oder Weiß zu geben. Dabei liegt die Wahrheit so gut wie immer in der grauen Masse dazwischen.

Ja, man darf Witze über Greta machen. Genauso wie man Witze über jene machen darf, die es an Bewusstsein für die Klimakrise mangeln lassen. Sensibilität für die Bedürfnisse anderer – immer gerne. Aber Witze muss man über jeden machen dürfen. Jeder hat das Recht, auf die Schippe genommen zu werden.

Kritik zu äußern bedeutet nicht, den Respekt zu verlieren

Mit mangelndem Respekt gegenüber Älteren hat das rein gar nichts zu tun. Guter politischer Witz birgt per Definition Kritik. Sonst ist er nur banale Unterhaltung. Aber Kritik zu äußern ist nicht gleichbedeutend mit dem Verlust von Respekt. Man kann sie teilen oder eben nicht. Und dann notfalls zu dem Schluss kommen, dass man darin übereinstimmt, nicht übereinzustimmen.

Diese Fähigkeit scheint vielen mittlerweile abzugehen. Sich aufzuregen ist ja auch viel einfacher, als sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Und auch wir Medien tragen dazu bei, dass die Erregung schnell hochkocht.

Was Satire darf, ist längst beantwortet

Wenn man in jeder Kritik, die drei Menschen auf Twitter äußern, gleich einen „Shitstorm“ aufziehen sieht, wenn jeder Patzer eines Politikers gleich eine Meldung wert ist, ein missratener Tweet der Deutschen Bahn am Ende besser hängen bleibt als das Ergebnis des Klimagipfels selbst, dann hat für den Leser am Ende alles die gleiche (Ir-)Relevanz – und es scheint dem Einzelnen daher nur legitim, das persönliche Betroffenheitsgefühl einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wir sollten die Zeit zwischen den Jahren daher nutzen, uns mal wieder zu beruhigen. Denn die Frage, was Satire darf, ist längst beantwortet: Sie darf alles.