New York. Es geht offenbar um einen Sorgerechtsstreit. Hat die US-Astronautin Anne McClain vom All aus das Bankkonto ihrer Ex-Frau gehackt?

Als Anne McClain und Summer Worden sich im vergangenen Jahr nach vier Jahren Ehe im Unfrieden trennten, lag in der Luft, dass der irdische Rosenkrieg des Paares irgendwann in höhere Sphären abdriften würde.

McClain ist Astronautin von Beruf. Sie gilt als ernsthafte Anwärterin für den ersten „befrauten“ Flug der Amerikaner zum Mond. Bis Juni war die aus Spokane im Nordwesten der USA stammenden McClain ein halbes Jahr lang auf der internationalen Raumstation ISS tätig. Ihre Teilnahme am ersten rein weiblichen Außeneinsatz im Weltraum scheitert an Ausrüstungsmängeln.

Astronautin McClain soll vom All aus Bankgeschäfte getätigt haben

Nach überstandener Landung fiel der ehemaligen Kampfpilotin im Irakkrieg ein aus 400 Kilometer Höhe getätigtes Bankgeschäft vor die Füße, das nun mehrere Behörden beschäftigt und gerade mediale Wellen schlägt. Vor allem, weil die „New York Times“ den Vorgang in einem Halbsatz mit dem Prädikat „möglicherweise erstes Verbrechen im All“ garniert hat.

Die US-Astronautin Anne McClain arbeitet bei ihrem Weltraumspaziergang im März 2019 an der ISS.
Die US-Astronautin Anne McClain arbeitet bei ihrem Weltraumspaziergang im März 2019 an der ISS. © dpa | -

Was ist geschehen? In einer Beschwerde bei der Handelsaufsicht FTC bezichtigt Summer Worden ihre „Ex“ unerlaubt aus dem All das gemeinsame Bankkonto durchschnüffelt zu haben. Worden, ehemals beim Geheimdienst NSA angestellt, kam darauf, als sie ihr Kreditinstitut darum bat, die Urheberschaft diverser Konto-Bewegungen zu klären.

Dabei kam heraus, dass ein mit der Weltraum-Agentur Nasa verbundenes Netzwerk die digitalen Hände im Spiel hatte. Genau zu der Zeit, als McClain „oben“ war. Wordens Eltern setzten die interne Aufsicht der Nasa in Marsch und bezichtigten McClain des „Identitätsdiebstahls“. Sinn und Zweck: Die 40-Jährige habe Munition für einen Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn (6) sammeln wollen.

Astronautin hat vor Nasa ausgesagt – unter Eid

Beide Behörden, wohlgemerkt nicht die Polizei oder die Staatsanwaltschaft, ermitteln. Beide Behörden schweigen zu den Details. Anne McClain sagt, die Anschuldigung besäßen „eindeutig keinen Wahrheitsgehalt“. Sie will sich aber erst nach Abschluss der Untersuchungen umfassend äußern.

Die Raumstation ist durchgehend mit dem Internet verbunden, damit auch Betriebs- und Forschungsdaten stetig zur Erde übertragen werden können. Mitglieder der ISS-Besatzung können in ihrer Freizeit übrigens genauso im Internet surfen, chatten und soziale Netzwerke nutzen wie auf der Erde auch. Für die private Nutzung sind allerdings Zeitfenster vorgegeben.

Alexander Gerst, der im Dezember 2018 nach 197 Tagen im All auf die Erde zurückkehrte und zuvor zum ersten deutschen ISS-Kommandanten geworden war, meldete sich regelmäßig bei Instagram, Facebook und Twitter mit Bildern und Videos aus dem Weltraum.

Ihre Anwältin Rusty Harding sagt, Anne McClain habe das Passwort für das trotz Trennung immer noch gemeinsam geführte Konto benutzt, um vom Außenposten im All aus zu prüfen, ob alle Rechnungen bezahlt werden und genug Geld für den gemeinsamen Sohn vorhanden sei. Keinesfalls seien Beträge abgehoben worden. Außerdem habe ihr Worden nie bedeutet, dass der Kontozugriff für sie ein Tabu ist.

McClain hat inzwischen bei der Nasa ausgesagt. Unter Eid, schreibt die „New York Times“.

Steckt hinter all dem ein Sorgerechtsstreit?

Summer Worden stellt den Fall in Fernseh-Interviews anders dar. „Ich habe einer Person zu früh zu viel Vertrauen geschenkt“, sagte sie. Dahinter steht die Behauptung, dass McClain versucht haben soll, nach der rechtlich noch nicht vollzogenen Trennung das Hauptsorgerecht für den via künstlicher Befruchtung gezeugten Sohn zu erlangen.

Vor einem Gericht in Houston/Texas habe die Astronautin das damit begründet, dass Summer Worden zu Wutausbrüchen neige und nicht klug mit Geld umgehen könne.

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    Ob der Online-Zugriff McClains aus dem Weltraum unter den beschriebenen Umständen eine Straftat darstellt und als solche vor irdischen Richtern landen könnte, ist nach Ansicht von Juristen „offen bis zweifelhaft“. Um gerichtsfeste Beweise vorzulegen, müsste Worden die Nasa dazu bringen, Ermittler in ihr streng gesichertes Computernetzwerk schauen zu lassen. Dass dies wegen eines bizarren Scheidungsverfahrens geschieht, gilt als unwahrscheinlich.

    Es wäre die erste Straftat auf der ISS

    Zumal die Causa McClain Neuland bedeutet. Zwar gibt es unter den ISS-Betreibern Amerika, Russland, Kanada, Japan und Europäische Union ein Regelwerk für Missetaten im All. Sie können kurz gesagt von den beteiligten Staaten je nach Täterschaft mit Hilfe der jeweiligen nationalen Gesetze geahndet werden. Aber weder Nasa noch Experten wie Professor Mark Sundahl wissen von Gesetzesverstößen, die sich auf der seit bald 19 Jahren permanent bewohnten Raumstation ISS ereignet haben könnten.

    Sundahl betreibt an der Universität von Cleveland ein Zentrum für „globales Weltraumrecht“. Er sieht mit Blick auf den künftigen Weltraum-Tourismus von Unternehmen wie SpaceX oder Virgin Galatic verstärkt juristischen Präzisierungsbedarf. Anne McClain könnte der Auslöser sein.