Essen. Agatha Christies weltberühmter „Mord im Orient Express“ spielt im gelungenen „Polizeiruf“ auf dem Land. Allein: Hier fehlt die Leiche.

Wer mal wieder Lust verspürt, sich einen klassischen Krimi anzuschauen, der könnte hier an der richtigen Stelle sein. Der „Polizeiruf 110: Mörderische Dorfgemeinschaft“ jedenfalls kann mit überschaubaren Ermittlungen auf kleinem Raum aufwarten. Am Ende, ganz alte Krimikultur, werden schließlich alle möglichen Täter auch noch in einem Raum versammelt, damit die Wahrheit endlich zu Tage treten kann.

Wer jetzt aber an die Salon-Morde einer Agatha Christie oder einer Dorothy L. Sayers denkt, der liegt völlig falsch. Denn Philipp Leinemann (Regie) und Katrin Bühlig (Drehbuch) haben hier eine ausgekochte Handlung kreiert, die unsere Ermittler an den Rand der Verzweiflung bringen.

Ein Kofferraum voller Blut

Am Anfang ahnen Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Dirk Köhler (Mattias Matschke) nicht, was ihnen hier bevorsteht. In der Nähe von Magdeburg wird in einem Waldstück ein Pkw sichergestellt, dessen Kofferraum mit viel Blut getränkt ist. Der Besitzer des Wagens ist ein gewisser Jurij Rehberg, der als vermisst gilt, nach Untersuchung des Blutes nun aber zweifellos als tot gelten kann.

Offenbar hat dieser smarte Russe die Menschen in diesem gottverlassenen Ort zu seinen Marionetten gemacht. Die Frauen hat er mit seinem Charme reihenweise verführt, ihre Männer skrupellos über den Tisch gezogen. Man müsste also nicht lange nach Mordmotiven suchen, allein es fehlt die Leiche. „Keine Leiche – kein Mord, kein Mord – kein Mörder“, bringt es der grinsende Werner Wolf (Hans Uwe Bauer) auf den Punkt. Seine Tochter Annette (Katharina Heyer) wurde von Rehberg geschwängert, was den Vater nicht gerade entzückt hat.

Szene aus dem „Polizeiruf 110: Mörderische Dorfgemeinschaft“.
Szene aus dem „Polizeiruf 110: Mörderische Dorfgemeinschaft“. © dpa | Stefan Erhardt

Während Brasch und Köhler in keiner Weise weiterkommen, weiß der Zuschauer schon ein wenig mehr. Leinemann arbeitet gekonnt mit Rückblenden, die viel erklären von dem, was sich in diesem Ort ereignet hat. Da sieht man dann den Bäcker, der so gerne Jurijs Freund gewesen wäre, den der Russe aber eiskalt um sein Lebenswerk bringen will. Man sieht auch den Automechaniker, der mitansehen muss, wie seine Frau regelmäßig Sex mit diesem Fremden hat, der seiner Wut jedoch nie wagt Ausdruck zu geben. Es ist, als habe dieser moderne Rattenfänger alle in diesem Dorf in seinen Bann gezogen.

Eine einsame Braut auf der Schaukel

Der Film startet rasant mit einem Pärchen, das mit hoher Geschwindigkeit und lauter Rockmusik in diesen vermeintlich stillen Ort einbricht. Man sucht Jurij, offenbar um ihn zusammenzuschlagen, was Wolf mit seinem Gewehr zu stoppen weiß.

Kameramann Jonas Schmager forciert hier das Geschehen noch durch atemlose Bilder in Untersicht. Später dann zeigt er uns in starken Bildern die zarte Braut Annette, wie sie hier inmitten weiter Einöde geruhsam schaukelt und immer noch an die Rückkehr ihres Jurij glaubt. Später dann, als jede Illusion geschwunden ist, trägt sie an gleicher Stelle ihr Brautkleid.

Trotz dieses aufreibenden Falles, hat der Film immer noch Zeit, sich um die problematische Kommissarin Brasch zu kümmern. Von ihr weiß man, wie sie immer wieder versucht, ihre Menschenscheu zu überwinden. Fast glaubt man schon an eine Besserung, auch im Hinblick auf ihren Freund. Doch am Ende wirkt sie dann doch wieder nur wie die einsame Braut auf der Schaukel.

• Sonntag, 11. August, ARD