Berlin. Nach Scheidung und Herzinfarkt hat Antonio Banderas heute die Gelassenheit des Alters. Das steht ihm gut und wird im Kino gebraucht.

Nicht dass Antonio Banderas weg vom Fenster gewesen wäre – aber 2019 darf als das Jahr seines Comebacks gelten. Mit seiner viel gepriesenen und in Cannes ausgezeichneten Hauptrolle in Pedro Almodóvars „Leid und Herrlichkeit“ sorgte er für Furore wie schon lange nicht mehr. Dafür musste der 58-Jährige einen Preis bezahlen, der ihn bis an den Rand des Todes brachte – doch damit hat er seinen Frieden gemacht.

In einer der Szenen Ihres neuen Films „Leid und Herrlichkeit“ sehen wir Sie mit einer großen Narbe auf dem Oberkörper. Kommt die von Ihrem Herzinfarkt vor zwei Jahren?

Antonio Banderas: Das ist Make-up. Damals hat man mir nicht die Brust aufgeschnitten. Man hat mir nur drei Stents verpasst – minimalinvasiv, erstaunlich was die moderne Medizintechnik so drauf hat. Aber ich habe trotzdem eine Narbe davongetragen – eine innere, die man nicht sieht.

Ist sie schlimm?

Banderas: Nein, ich habe mich einfach verändert. Bei den Proben zu „Leid und Herrlichkeit“ hat das Regisseur Pedro Almodóvar auch realisiert. Er meinte: „Zeig dieses neue Ich, verstecke es nicht. Ich weiß, du willst immer gesund wirken, willst den Machertypen, den großen Helden herauskehren. Lass es gut sein.“

Was für eine Veränderung ist denn mit Ihnen geschehen?

Banderas: In der Nacht nach der Operation saß eine ältere Krankenschwester bei mir im Zimmer und sie meinte zu mir: „Antonio, glauben Sie an volkstümliche Vorstellungen?“ Ich bejahte, und sie sagte: „Warum sagen die Leute ‚Ich liebe dich von ganzem Herzen? Du hast mein Herz gebrochen?’ Weshalb heißt es nicht ‚Ich liebe dich mit meiner Leber? Mit meinem Gehirn?’ – Weil im Herzen all unsere Gefühle abgelegt sind.“ Und aus dem Grund erklärte sie mir, würde ich eine Zeitlang sehr traurig sein. Was stimmte. Ich war danach sehr empfindlich, gefühlsselig.

Antonio Banderas als Salvador Mallo in „Leid und Herrlichkeit“.
Antonio Banderas als Salvador Mallo in „Leid und Herrlichkeit“. © dpa | Manolo Pavón

Und jetzt?

Banderas: Jetzt weiß ich auf jeden Fall, worauf es mir im Leben ankommt. Nämlich meine Familie, meine Freunde, mein Beruf. Erfolg dagegen ist etwas Flüchtiges. Vielleicht verlangt das Leben, das ihn mir geschenkt hat, ihn wieder zurück. Es wäre nicht schön, aber ich kämpfe garantiert nicht darum, immer ganz oben zu bleiben. Das ist mir viel zu anstrengend. Und kreative Befriedigung gibt es mir auch nicht.

Spricht aus dieser Haltung auch die Gelassenheit des Alters?

Banderas: Es mag damit zu tun haben. Wenn du langsam auf die 60 zusteuerst, dann setzt du die Prioritäten neu. In jüngeren Jahren war ich ganz besessen davon, etwas zu erreichen. Jetzt sehe ich mein Leben entspannter und ich nehme mich auch nicht so ernst. Gleichzeitig habe ich gelernt, meine beruflichen Ziele zu hinterfragen. Ich habe begriffen, warum ich bestimmte Dinge unbedingt schaffen wollte. Und die Antwort war: Weil alle anderen sie wollten.

Was ist Ihr Antrieb in Sachen Beziehung? Sie waren lange Jahre mit Melanie Griffith verheiratet, jetzt führen Sie eine neue Beziehung...

Banderas: Als ich Melanie zum ersten Mal sah, das war bei der Oscarverleihung: Sie war wie ein schöner Traum für mich. Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis, doch gleichzeitig gibt es immer neues Begehren. Und das wird mich immer antreiben, so wie es die ganze Welt antreibt.

Was ist mit Schicksal? Glauben Sie daran?

Banderas: Nein, zumindest nicht an ein festgelegtes Schicksal. Denn deine Bestimmung kannst du mit der Kraft deines freien Willens verändern. Deshalb mag ich auch keine Aktivitäten, über die ich keine Kontrolle habe. Fallschirmspringen ist aus diesem Grund nicht mein Fall. Du weißt ja nie, ob dein Schirm richtig zusammengelegt ist.

Antonio Banderas, Penelope Cruz und Regisseur Pedro Almodóvar in Cannes bei der Vorstellung von „Leid und Herrlichkeit“.
Antonio Banderas, Penelope Cruz und Regisseur Pedro Almodóvar in Cannes bei der Vorstellung von „Leid und Herrlichkeit“. © Getty Images | Pascal Le Segretain

Haben Sie Ängste?

Banderas: Ich bin kein Mensch, der viel reflektiert. Ich richte mich nach meinen Instinkten und meiner Intuition – meinem Herzen eben. Wie schon gesagt: Ich mag es nicht, wenn ich keine Kontrolle habe. Aber das heißt nicht, dass ich Risiken scheue. Ich liebe es, mit Formel 1-Autos auf Rennstrecken zu fahren. Du musst das Auto studieren und deine Möglichkeiten kennen – dann kannst du ordentlich rasen, aber dabei die Kontrolle behalten. Darin liegt der Spaß.

Sie fürchten sich auch nicht vor dem Tod?

Banderas: Ich fürchte mich eher davor, dass es der falsche Zeitpunkt sein könnte. Das war auch mein Gedanke beim Herzinfarkt: Was, das soll es gewesen sein? Aber der Tod ist die einzige Gewissheit. Alles andere ist relativ. Und ich glaube auch, dass es danach noch etwas gibt. Was das sein wird, davon werde ich mich überraschen lassen.

Und wenn Sie irgendwann Resümee Ihres Lebens ziehen müssen wie die Hauptfigur in „Leid und Herrlichkeit“. Was war Ihre größte Leistung?

Banderas: Ich selbst.

Ein starkes Statement.

Banderas: Ich weiß, das klingt arrogant. Ist aber nicht so gemeint. Was mich wirklich stolz macht, ist die Tatsache, dass ich mit allen meinen Entscheidungen okay bin. Der größte und leidenschaftlichste Film, den ich je gedreht habe, ist mein Leben.

Und wenn es in Ihrem Leben wieder einmal schmerzvoll zugeht?

Banderas: Dann nehme ich Paracetamol.