Berlin. Der „Tatort: Ausgezählt“ spielt im Box-Milieu. Doch trotz eines starken Einstiegs enttäuscht der vorletzte Fall aus Luzern. Warum?

Insgesamt 16 Filme hat das Schweizer Fernsehen bisher mit den Ermittlern Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) für die „Tatort“-Reihe der ARD produziert. Man kann nicht gerade behaupten, dass sie in dieser Zeit deutliche Spuren hinterlassen hätten.

Im Gegenteil: Die Luzerner Krimis der Eidgenossen mögen auch spannende Stoffe gehabt haben, mit der adäquaten Umsetzung jedoch hat es oft gehapert. Ganz zu schweigen von der sterilen Synchronisation, die alles Schweizerische sauber eliminiert hat. In „Tatort: Ausgezählt“, dem vorletzten Fall dieses Ermittler-Duos (ab 2020 übernehmen Kollegen aus Zürich), wird zumindest nicht an Brutalität und Mord gespart.

Lächerlicher Hanswurst zum Fremdschämen

Es beginnt mit dem Boxkampf zweier Frauen, die sich nichts schenken. Mit der Kamera von Jutta Pohlmann wähnt man sich mitten im Geschehen. Als er beendet ist, macht sie noch eine Draufsicht von hoch oben, aber da ist es eigentlich schon geschehen. Die Verliererin wird nicht mehr aufstehen, nach der Einnahme von Dopingmitteln stirbt sie an einem Herzinfarkt. Ihre erschütterte Gegnerin Martina (Tabea Buser) will mit diesem Sport ab sofort nichts mehr zu tun haben. Ihrem Trainer (Urs Humbel) gefällt das gar nicht, denn der träumt gerade vom großen Geld.

Ein derart starker Einstieg, wie ihn Drehbuchautor Urs Bühler hier vorlegt, kann schon ein Geschenk sein. Leider aber nimmt die Regisseurin Katalina Gödrös diese Gabe nicht an. Zunächst einmal macht sie aus dem eigentlich bedrohlichen Manager einen lächerlichen Hanswurst, für den man sich fremdschämen möchte.

Nie und nimmer nimmt man diesem Schnösel ab, dass er in der Lage wäre, eine durchtrainierte Boxerin wie Martina in einen Container zu verfrachten. Das aber wird zum eigentlichen Knackpunkt des ganzen Films. Irgendwann nämlich wird der Manager ermordet, der einzige, der den Aufenthaltsort der jungen Frau gekannt hat.

Ehemalige Cops im Knast gefährdet

Letztendlich haben wir es hier also mit einem Wettlauf gegen die Zeit zu tun. Drei Tage bleiben den Ermittlern, dann etwa wird die Boxerin an Austrocknung gestorben sein. Man kann die Gefangene zwar auf Großbildschirm beobachten, kann sogar in Zeichensprache mit ihr kommunizieren, und doch bleibt sie unendlich fern. Es wundert einen allerdings, dass Flückiger und Ritschart in dieser angespannten Lage noch abendliche Verabredungen treffen können.

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Aber man fragt sich auch an anderen Stellen, was man dem Zuschauer da so alles zumutet. Beispielsweise diesen ehemaligen Polizisten Oberholzer, der sich ins Gefängnis schleusen lassen will, um dort, beim einsitzenden Paten der Unterwelt, Informationen zum Aufenthalt von Martina zu erlangen.

Eigentlich hätte man das gar nicht zulassen dürfen, wo doch bekannt ist, dass gerade ehemalige Cops im Knast stark gefährdet sind. Vermutlich deshalb irrt Ritschart die ganze Zeit mit finsterer Miene durchs Präsidium, denn dieser Polizist war mal ihr Ausbilder, dem sie offenbar viel zu verdanken hat. Dass der jetzt plötzlich auch unter Mordverdacht steht, das lässt sie schier verzweifeln. Flückiger hält sich in diesem Hin und Her umso deutlicher zurück.

Alles also beim Alten, was den Schweizer Krimi angeht. Man könnte nun zynisch sein, und den Titel des Films, „Ausgezählt“, wörtlich nehmen als Bestandsaufnahme eines Genres. Aber so weit wollen wir es nicht kommen lassen. Geben wir zunächst den Züricher Ermittlern eine Chance.

• „Tatort: Ausgezählt“, Sonntag, 16. Juni, 20.15 Uhr