Siegen. Ein Teenager soll seinen Mitschüler getötet haben, weil der keine Beziehung mit ihm eingehen wollte. Der Prozess soll schon bald enden.

Der Fall löste bundesweit Entsetzen aus: Ein damals 14-Jähriger soll im Oktober 2018 seinen zwei Jahre älteren Mitschüler im sauerländischen Wenden erwürgt haben. Der Täter hatte sich nach eigenen Angaben eine Beziehung mit dem Opfer gewünscht, was der 16-Jährige aber zurückgewiesen habe.

Im Prozess gegen den Schüler geht die Staatsanwaltschaft von Mord aus. In ihrem Schlussplädoyer forderte sie eine Haftstrafe von acht Jahren sowie eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus, wie eine Sprecherin des Landgerichts Siegen sagte. Der Gesetzgeber sieht dies vor, wenn Täter nicht oder nicht voll schuldfähig sind.

Wenden: Urteil gegen 15-Jährigen am Donnerstag

Während sich die Nebenkläger den Angaben zufolge dieser Forderung anschlossen, hat die Verteidigung des angeklagten Teenagers auf gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge plädiert und hält eine Haftstrafe von sechs Jahren für angemessen. Das Urteil will die Jugendkammer am Donnerstag verkünden.

Der Angeklagte war bereits geständig, entsprechend hatte der Prozess Anfang April auch mit einer Erklärung des jetzt 15-Jährigen begonnen, verlesen von dessen Verteidiger. Es war das Zeugnis einer dramatischen Liebesgeschichte – die offenbar ein schreckliches Ende nahm.

16-Jähriger im Wald erwürgt – Täter ist geständig

Der Teenager hatte der Anklageschrift zufolge schon mit 13 Jahren seine homosexuelle Neigung offenbart. Er sei verliebt gewesen in den Älteren. Die beiden waren trotz des Altersunterschieds in einer Jahrgangsstufe, besuchten einige AGs zusammen.

Am Tag der Tat habe der 14-Jährige auf sexuelle Handlungen gehofft. Der 16-Jährige erwiderte die Gefühle des Jüngeren aber nicht, es kam zum Streit. Der Jüngere reagierte mit Gewalt auf die Zurückweisung. Er würgte seinen Mitschüler laut Anklage, „bis Blut aus Mund und Nase austrat“, das Gesicht des Jugendlichen lief blau an.

Verteidiger Martin Kretschmer beschrieb seinen Mandant zu Prozessbeginn als „einen sehr, sehr jungen Angeklagten, der sich jetzt einem gewaltigen Justizapparat gegenübersieht“. Er müsse „die Tat und alles, was damit in Zusammenhang steht“, nach knapp sechs Monaten erst noch verarbeiten. „Das ist sehr schwer für ihn und sicherlich für die anderen Verfahrensbeteiligten auch.“ Die Eltern des Opfers sind Nebenkläger, kamen zum Start des Gerichtsverfahrens nicht nach Siegen.

Liebesdrama: Opfer hatte Zuneigung nicht erwidert

Wenden: Kerzen und Engelfiguren stehen am Schulzentrum.
Wenden: Kerzen und Engelfiguren stehen am Schulzentrum. © dpa | Caroline Seidel

Der 15-Jährige hatte zugegeben, den 16-Jährigen so lange gewürgt zu haben, bis dieser gestorben sei. Laut Anklage ereignete sich die Tat am 30. Oktober 2018 während der Unterrichtszeit, beide Gesamtschüler schwänzten. In einem an das Schulgelände angrenzenden Waldstück sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, die eskalierte.

Der Vater des Opfers hatte seinen Sohn später als vermisst gemeldet, nachdem es längere Zeit kein Lebenszeichen von ihm gegeben hatte.

Bei einer Suchaktion wurde der Leichnam am nächsten Tag gefunden – etwas entfernt vom Tatort, aber ebenfalls in Schulnähe. Der Beschuldigte soll die Leiche dorthin gebracht haben.

Beschuldigter kam mit dreckiger Kleidung zurück in die Schule

Mitschüler hatten den Beamten damals bei Befragungen berichtet, der 15-Jährige sei mit verdreckter Kleidung in die Schule gekommen – das kam vielen merkwürdig vor. Er sei zudem auf einem Fußweg gesehen worden, der zum Fundort des Leichnams führte, hieß es.

Für das Verfahren waren rund 30 Zeugen geladen, darunter viele Schüler, auch Lehrer und Polizisten.

Verteidiger des Angeklagten: „Er ist am Boden zerstört“

Der beschuldigte Deutsche sitzt seit 1. November in der Jugendstrafanstalt Wuppertal-Ronsdorf in Untersuchungshaft. „Er ist am Boden zerstört. Es geht ihm nicht gut“, sagte sein Verteidiger Martin Kretschmer der „Westfalenpost“ (Bezahlinhalt). Sein junger Mandant sei unbescholten, komme aus ordentlichen Verhältnissen und gelte eher als zurückgezogen.

Mit Blick auf die Familie des Opfers sagte Kretschmer im April: „Das ist für alle Beteiligten schrecklich. Es geht nicht um die Täterschaft. Die hat er eingeräumt. Mir geht es um die Beweggründe und Hintergründe. Das macht die Tragik des Falles aus.“

15-Jährigem drohen bis zu zehn Jahre Haft

Der Prozess gegen den 15-Jährigen findet vor der Jugendkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dabei war besonders die Analyse eines Gutachters von Interesse: Konnte der Teenager das Unrecht einer solchen Tat einsehen? Ein von der Staatsanwaltschaft angefordertes Gutachten sagt Ja. Es handele sich um einen Jugendlichen „mit Verantwortungsreife“.

Im Oktober hatte den Verdächtigen ein Psychiater in Wenden untersucht.

Eine Google-Maps-Karte zeigt, wo Wenden genau liegt:

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(dpa/cho)